Pandemie

Israel streitet über Kinderimpfung

Laut einer Umfrage will derzeit weniger als die Hälfte der Eltern ihre Kinder impfen lassen. Foto: Flash 90

Pandemie

Israel streitet über Kinderimpfung

Kommt die Impfung für Fünf- bis Elfjährige?

von Sabine Brandes  05.11.2021 10:46 Uhr

Israelische Gesundheitsexperten gehen davon aus, dass eine Impfung gegen das Coronavirus für jüngere Kinder im eigenen Land kurz bevorsteht. Am Freitag vergangener Woche hatte die US-Aufsichtsbehörde für Lebens- und Arzneimittel, FDA, eine Notfallgenehmigung für das Vakzin von BioNTech/Pfizer erteilt. Demzufolge könnten Mädchen und Jungen im Alter von fünf bis elf Jahren bereits in Kürze die Spritze erhalten. Die Regierung in Jerusalem hatte betont, nur auf die Aussage der Behörde zu warten.

Nach Angaben der FDA sei die Immun­antwort der Fünf- bis Elfjährigen mit jungen Leuten im Alter von 16 bis 25 vergleichbar, das Vakzin sei zu 90,7 Prozent effektiv. Zudem habe es keine ernst zu nehmenden Nebenwirkungen in der noch andauernden Studie gegeben. Darin werden nach Angaben von BioNTech/Pfizer etwa 3100 Kinder getestet. Die FDA genehmigte für die Jüngeren eine geringere Dosierung: zehn Mikrogramm statt der 30, die ab zwölf Jahre gegeben wurden. Die beiden Spritzen sollen ebenfalls im Abstand von drei Wochen gesetzt werden und leichter zu verabreichen sein.

teenager Israel hatte im Juni damit begonnen, Zwölf- bis 15-Jährigen das Vakzin von BioNTech/Pfizer zu verabreichen. 56 Prozent der Teenager in dieser Altersgruppe haben mittlerweile eine Dosis erhalten, 46 Prozent beide.

Premierminister Naftali Bennett (Jamina) hatte mehrfach erklärt, dass er, sobald die FDA ihre Genehmigung erteilt habe, die Kampagne auch für die noch Jüngeren beginnen wolle. Zwar gibt es zumindest nach Angaben des öffentlich-rechtlichen Senders Kan noch ausreichend Impfstoff im Land, allerdings müsse man auf die speziell abgepackten niedrigeren Dosen warten. Wann die ankommen werden, ist noch nicht bekannt. Die Altersgruppe der Fünf- bis Elfjährigen in Israel umfasst 1,23 Millionen Menschen.

Allerdings ist deren Impfung in Israel nicht unumstritten. Einige Mediziner raten davon ab, Eltern momentan zu drängen, ihre Kinder in die Impfzentren zu bringen. Derzeit befindet sich das Land am Ende der vierten Welle, die durch die Delta-Variante ausgelöst wurde. Die Positivrate der Corona-Tests lag am Mittwoch lediglich noch bei 0,77 Prozent. Der R-Wert, der anzeigt, wie viele Personen ein Infizierter ansteckt, hat bereits seit Woche die Zahl eins nicht überschritten. Bei einem Wert darunter geht die Ausbreitung des Virus zurück.

ZEITPUNKT Einer, der sich dennoch für eine rasche Impfung ausspricht, ist der Corona-Berater der Regierung, Salman Zarka. In einem Interview sagte er: »Ich gehe davon aus, dass die zweite Novemberhälfte ein vernünftiges Datum ist.« Allerdings, meint er, werden israelische Experten auch nach der Entscheidung der FDA ihre eigene Meinung einbringen wollen. »Wir möchten den Eltern alles erklären und sie dann aufrufen, ihre Kinder impfen zu lassen und somit zu schützen.«

Nach Angaben der US-Behörde FDA ist der Impfstoff bei Kindern zu 90,7 Prozent effektiv.

Der Generaldirektor im Gesundheitsministerium, Nachman Ash, versprach, den Prozess dieses Mal transparenter zu gestalten. »Wir müssen unsere eigenen Anhörungen durchführen und bereiten uns gerade darauf vor.« Zumindest ein Teil der Beratungen werde öffentlich sein, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, ihre Meinung zu äußern. Mit dieser Maßnahme soll das Vertrauen der Bevölkerung gestärkt werden. In einer Umfrage der Krankenversicherung Meuhedet sprach sich vor einigen Tagen weniger als die Hälfte der israelischen Mütter und Väter dafür aus, ihre Kinder impfen zu lassen.

Trotz des Rückgangs der Zahlen im Land rät Ash allen Eltern, ihre Kinder impfen zu lassen. »Wir müssen uns auf weitere Wellen vorbereiten. Und je mehr Menschen geimpft sind, desto weniger extrem werden die Ausbrüche sein.« Die Gesundheitsbehörden würden bereits damit beginnen, die Kampagne so schnell wie möglich zu starten. »Wir werden alle Kanäle nutzen, um die Impfstoffe für die Jüngeren zugänglich zu machen, damit es keine Verzögerungen gibt.«

Gleichsam räumte Ash ein, er gehe nicht davon aus, dass es in der momentanen Situation einen Massenandrang geben werde. Sicher würden viele Eltern zunächst zögerlich sein. »Es wird solche geben, die schon lange darauf warten, und die werden die Ersten in den Zentren sein. Andere werden länger überlegen, und auch das ist in Ordnung.«

RISIKEN Wissenschaftler der FDA erklärten, dass die Vorteile der Verabreichung des Vakzins im Vergleich zu den Gefahren der seltenen Fälle von Herzmuskelentzündungen überwiegen. Sowohl das Vakzin von BioNTech/Pfizer als auch das von Moderna ist mit der sogenannten Myokarditis, vor allem bei jungen Männern, in Verbindung gebracht worden. Nach einer Studie des Gesundheitsministeriums aus dem vergangenen Monat hätten zwölf Kinder von rund 300.000 Geimpften im Alter zwischen zwölf und 15 Jahren nach der Impfung eine Myokarditis erlitten. Alle sind mittlerweile genesen.

Jedoch gibt es auch Experten, die dafür plädieren, noch etwas abzuwarten, unter anderem Professor Hagai Levine. Der neue Vorsitzende der Ärztevereinigung des Landes meint: »Es gibt einen eindeutigen Unterschied zwischen der Tatsache, dass das Vakzin erlaubt ist, und dem Beginn einer aktiven Impfkampagne mit allen Instrumenten, die wir haben, um die Menschen zu ermutigen, sich das Vakzin verabreichen zu lassen.«

»Zunächst wollen wir die Ergebnisse der Pfizer-Studie sehen«, so Levine. Er unterstrich, dass er die Auffrischkampagne unterstützt habe, da man sich damals inmitten eines akuten Ausbruchs befand. »Doch auch, wenn das Vakzin für die jüngeren Kinder in den USA jetzt zugelassen ist, würde ich in der momentanen Lage hier in Israel keine aggressive Impfkampagne starten.«

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