Internet

Kampf dem Cyber-Mobbing

Nach dem »Facebook-Selbstmord« sollen Minderjährige besser geschützt werden

von Sabine Brandes  25.01.2011 14:06 Uhr

Mit dem iPad auf der Straße: Junge Israelis sind einer Studie zufolge sieben Stunden täglich online. Foto: Flash 90

Nach dem »Facebook-Selbstmord« sollen Minderjährige besser geschützt werden

von Sabine Brandes  25.01.2011 14:06 Uhr

Innerhalb von einer Stunde kann man jemanden fertigmachen. Es geht ganz leicht, mit wenigen Buchstaben und ein paar Klicks. Vor Kurzem hat sich ein Jerusalemer Teenager das Leben genommen, weil ihn Freunde auf Facebook demütigten, ein Mädchen wurde Opfer einer Vergewaltigung durch Jugendliche, die sie auf der Site kennengelernt hatte.

Bei Eltern geht die Angst um, doch die wenigs-ten wissen sich noch zu helfen. Israelis sind Fans der sozialen Netzwerke, allen voran Kinder und Jugendliche. Schätzungen gehen davon aus, dass 70 Prozent aller Internetnutzer im Land bei Facebook und ähnlichen Seiten registriert sind. Mehr als eine halbe Million der bis zu 17-Jährigen sind mit dabei, viele sind unter 13. Und das Alter sinkt stetig. Wer etwas auf sich hält, stellt sein gesamtes Leben online, wer nicht drin ist, ist out. Um die Begegnungen im Internet sicherer zu machen, hat die israelische Firma »Sensegon« eine Software entwickelt, die Kinder schützen soll, ohne sie dabei auszuspionieren.

»Tatsächlich ist Cyber-Mobbing zur größten Gefahr im Internet geworden, noch vor sexueller Belästigung oder Übergriffen«, weiß Omer Efrat. Der Mitbegründer von Sensegon erklärt, wie so ein Szenario ablaufen kann: »Hat sich beispielsweise die Klassenprinzessin ein Mädchen ausgesucht, das ihr nicht gefällt, rekrutiert sie online ihr Gefolge und startet eine sogenannte ›hategroup‹, eine Gruppe des Hasses.

Die Anhänger der Prinzessin müssen dabei mitmachen, damit sie nicht selbst gemobbt werden. Innerhalb von 60 Minuten werden 40 bis 50 Mitglieder zusammengetrommelt, und alle kommen zur ›virtuellen Steinigung‹. Auf diese Weise kann ein Kind binnen kürzester Zeit zum Außenseiter oder Gespött der gesamten Schule gemacht werden.«

Akzeptanz »Das Wichtigste für Teenager ist, von Gleichaltrigen akzeptiert zu werden. Facebook lässt dieses Bedürfnis in übersteigerter Form deutlich werden. Je mehr ›virtuelle Freunde‹ einer hat, desto beliebter ist er.« Natürlich existiere Mobbing auch im wirklichen Leben, macht Efrat klar, doch in der virtuellen Welt sei es viel direkter und für alle sichtbar.

Jüngste Studien zeigen, dass israelische Kinder heute etwa sieben Stunden online sind, 40 Prozent der Zeit in sozialen Netzwerken. »Von dem Moment, wenn die Mädchen und Jungen aus der Schule kommen, bis sie schlafen gehen, ist der Computer immer dabei. Und die meisten Eltern haben den Überblick verloren. Entweder ist es ihnen egal oder sie haben Angst vor der Auseinandersetzung.« Deshalb setzt Sensegon mit dem Programm »Kangaroo« auf Erziehung direkt bei den jungen Anwendern. So soll das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern geschützt werden.

Als Pilotprogramm startete das Unternehmen eine Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung Herzliya. Die Eltern können sich das Programm von der Website der Stadt kostenlos herunterladen. Zudem veranstaltet Sensegon Vorträge an Schulen, für Elternorganisationen und andere Bildungseinrichtungen.

Benimmregeln zum Schutz der Kinder mögen vor einer Weile noch gegolten haben, heute seien sie jedoch veraltet, so der 27-Jährige, der die Firma zusammen mit seinen Freunden Tal Yaari, Shmuel Hirschmann und Moshe Allon gegründet hat. »Man kann nicht mehr sagen: Kommuniziere nicht mit Fremden im Internet, wenn alles, was zählt, die Anzahl der ›Freunde‹ und damit die Popularität ist.«

Auch die meisten der Elternkontrollprogramme, die existieren, seien schlicht nicht mehr zeitgemäß, sagt Efrat. Sie würden Alarm schlagen, wenn bestimmte Worte in Chats fallen, oder zeigen den Eltern eine Liste aller Websites, die ihr Kind aufgerufen hat. »Doch die Sprache in Facebook ist nicht normal, es gibt keine klare Struktur der Sätze mehr.Vieles wird zwischen den Zeilen gesagt.«

Technologie Die vier von Sensegon verbinden in Kangaroo modernste Technologie mit den neuesten Forschungen der Sozialwissenschaft und sehen sich als Pioniere auf diesem Gebiet. Die Software untersucht statt linguistischer Parameter die Entwicklung der Beziehungen des Kindes. Efrat erklärt: »Jede einzelne Verbindung zwischen Leuten im Internet hat einen Charakter, der sich im Laufe der Zeit entwickelt.

Wir schauen dabei etwa, wer wen beeinflusst.« Kangaroo erkennt die »virtuelle Körpersprache«. Dazu gehören etwa die Tippgeschwindigkeit, die sich vielleicht plötzlich stark erhöht, oder Chats, die mittendrin abgebrochen werden. »All dies können Faktoren sein, dass hier etwas nicht in Ordnung ist.« Auf diese Weise sollen auch Chats mit potenziellen Sexualstraftätern auffallen.

Kangaroo soll Kindern zeigen, wenn eine Beziehung im Internet in eine falsche Richtung geht. Passiert das, taucht ein
Fenster mit einem Känguru auf, das einen Tipp gibt, wie ein kluger Freund. Zudem werden die Eltern informiert. Schließlich wird den Kindern Zeit gegeben, die Beziehung selbst zu beenden. Passiert das nicht, wird die Warnung schärfer.

Die Leute von Sensegon sind sicher, dass Facebook zu einem sozialen Problem geworden ist. »Dennoch gibt es für die meisten keine Alternative, sie müssen in diesem gefährlichen Rennen mitmachen, wenn sie akzeptiert sein möchten. Wir wollen dabei helfen, dass Kinder in der virtuellen Welt auf sich aufpassen können.«

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