Jerusalem

Kämpfen und Gedenken

Die Halle der Namen in Yad Vashem Foto: Flash 90

Sehr bald wird niemand mehr da sein, der den Holocaust selbst erlebt hat und aus eigener Erfahrung erzählen könnte. Die Zahl der Schoa-Überlebenden schrumpft täglich. Grund für Staatspräsident Reuven Rivlin, am 23. Januar 2020 zum 5. Welt-Holocaust-Forum in die Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem nach Jerusalem einzuladen. Es wird das größte Treffen aller Zeiten sein von Staatsoberhäuptern, die sich auf die Fahnen schreiben, den Antisemitismus zu bekämpfen.

Unter dem Titel »Remembering the Holocaust, Fighting Antisemitism« ist die Veranstaltung von der Stiftung »World Holocaust Forum« in Zusammenarbeit mit Yad Vashem unter der Schirmherrschaft Rivlins organisiert worden. Der internationale Holocaust-Gedenktag fällt im kommenden Jahr mit dem 75. Jahrestag der Befreiung des Todeslagers Auschwitz-Birkenau in Polen zusammen. Auch dieses Jahrestages wird in Jerusalem gedacht.

Dazu werden Staatsoberhäupter aus aller Welt erwartet, etwa 30 haben bereits zugesagt, darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sowie der Präsident Frankreichs, Emmanuel Macron, Russlands, Wladimir Putin, Italiens, Sergio Mattarella, und Österreichs, Ale­xander Van der Bellen.

SICHERHEIT »Es wird einmalig sein«, ist Rivlin überzeugt. »Wir kommen zusammen, um über Möglichkeiten zu diskutieren, wie wir gegen Antisemitismus vorgehen und das Gedenken an die nachfolgenden Generationen weitergeben können, die in einer Welt ohne Schoa-Überlebenden leben werden. Wir müssen dringend Schritte unternehmen, um die Sicherheit aller Juden in der ganzen Welt zu gewährleisten.«

Wie kann Gedenken aussehen, wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt?

Die Konferenz findet zu einer Zeit statt, in der überall auf der Welt, vor allem in Europa, ein besorgniserregender Anstieg antisemitischer Attacken auf Juden registriert wird. Die klare Botschaft, dass Antisemitismus in unserer globalen Gesellschaft keinen Platz hat, soll mit dieser Veranstaltung in alle Länder getragen werden.

Der Präsident der Stiftung »World Holocaust Forum«, Moshe Kantor, hob hervor, dass das Gelöbnis »Erinnern und niemals vergessen« für die gesamte Menschheit und nicht nur für das jüdische Volk gelten solle. »Jüdisches Leben wird in Europa wieder einmal angegriffen. Es wird durch alltägliche Beleidigungen und Angriffe auf der Straße, in Schulen, Universitäten, im Internet und sogar in den eigenen Wohnungen bedroht. Es ist so schlimm geworden, dass die große Mehrheit der Juden sich in Europa nicht mehr sicher fühlt.«

Antisemitismus sei Hass, der keine Grenze kenne. Daher sei dies ein Schlüsselmoment, an dem die Oberhäupter der Nationen »aufstehen und agieren müssen. Worte sind nicht genug«.

Außenminister Israel Katz machte deutlich, dass die Veranstaltung in Jerusalem, der Hauptstadt Israels, am Jahrestag der Befreiung von Auschwitz eine immense historische Bedeutung habe – und für ihn auch eine persönliche: »Ich bin der Sohn der Holocaust-Überlebenden Meir und Malka Katz. Meine Mutter war in Auschwitz und wurde auf den Todesmarsch geschickt.«

Seit jenen dunklen Tagen habe das jüdische Volk sein Heimatland verteidigt und entwickelt. Heute sei der Staat Israel stark und fortschrittlich. Die Armee sichere, dass das jüdische Volk niemals wieder schutzlos vor seinen Feinden steht. »Und doch gibt es Antisemitismus in der Welt«, so Katz. »Wir sehen es an Gewalttaten gegen Juden, Vandalismus auf Friedhöfen, Aufwiegelung und Morden. Die internationale Gemeinschaft muss sich dagegen vereinen.«

Seit 1953 ist die Schoa-Gedenkstätte nicht nur ein Ort des Gedenkens, sondern auch einer der Dokumentation, Recherche und Bildung.

DOKUMENTE Genau dafür arbeitet Yad Vashem. Seit 1953 ist die Schoa-Gedenkstätte nicht nur ein Ort des Gedenkens, sondern auch einer der Dokumentation, Recherche und Bildung. Seine ausführlichen Archive und Bibliotheken verfügen über einen unvergleichlichen Reichtum an Information für das generationenübergreifende Lernen. Das Internet macht dieses Wissen für Millionen von Menschen überall zugänglich.

Yad Vashems Vorsitzender Avner Shalev erläuterte, dass der Holocaust als Paradebeispiel für die menschliche Fähigkeit gilt, sich am radikalen und systematischen Bösen zu beteiligen. »Nicht nur, weil es sich um ein noch nie da gewesenes Ausmaß handelte – sechs Millionen jüdische Männer, Frauen und Kinder, die ermordet wurden –, sondern auch, weil es die ›Erklärung‹ hinter der Nazi-Ideologie war.«

Dass eine zivilisierte Gesellschaft in der Lage war, die Auslöschung eines gesamten Volkes und seiner Kultur zu rechtfertigen, sei durch alte antisemitische Topoi ermöglicht worden. »Und viele davon gibt es in unserer Post-Holocaust-Gesellschaft weltweit noch immer.«

Yad Vashem gehe genau dagegen stetig an. »Nicht nur, damit sichergestellt wird, dass das Gedenken auch 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch weitergeht«, betonte Shalev, »sondern auch, um Antisemitismus, Rassismus, Fremdenhass und andere alarmierende Phänomene zu bekämpfen, die sich in der Welt heute weiter ausbreiten.«

Jerusalem

Bischof Azar bedauert Irritation durch »Völkermord«-Äußerung

Weil er in einem Gottesdienst in Jerusalem von »Völkermord« an den Palästinensern sprach, hat der palästinensische Bischof Azar für Empörung gesorgt. Nun bedauert er, dass seine Worte Irritation ausgelöst haben

von Christine Süß-Demuth  07.11.2025

Diplomatie

Kasachstan will sich den Abraham-Abkommen anschließen

US-Präsident Donald Trump kündigte den Schritt wenige Tage vor dem Besuch des saudischen Kronprinzen im Weißen Haus. Auch Saudi-Arabien solle seine Beziehungen zu Israel normalisieren, so die Hoffnung des US-Präsidenten

 07.11.2025

Israel

Spion auf vier Rädern

Israels Armee mustert ihre Dienstfahrzeuge »Made in China« aus. Der Grund: Sie könnten ein Risiko für die nationale Sicherheit sein

von Ralf Balke  07.11.2025

Ko Pha Ngan

Thailand: Israelisches Paar hat in der Öffentlichkeit Sex - und wird verhaftet

Die Hintergründe

von Sabine Brandes  06.11.2025

Kommentar

Wo Israel antritt, rollt der Ball ins moralische Abseits

Israelische Spieler und Fußballfans werden schon lange dafür diskriminiert, dass sie von anderen gehasst werden.

von Louis Lewitan  06.11.2025

Kommentar

Warum Zürichs Entscheid gegen die Aufnahme von Kindern aus Gaza richtig ist

Der Beschluss ist nicht Ausdruck mangelnder Menschlichkeit, sondern das Ergebnis einer wohl überlegten Abwägung zwischen Sicherheit, Wirksamkeit und Verantwortung

von Nicole Dreyfus  06.11.2025

Geiselhaft

»Sie benutzten mich wie einen Boxsack«

Die befreite Wissenschaftlerin Elisabeth Tsurkov berichtet über »systematische Folter und sexuelle Gewalt« durch die Entführer im Irak

von Sabine Brandes  06.11.2025

Gaza

Ex-Geisel Rom Braslavski: »Ich wurde sexuell missbraucht«

Es ist das erste Mal, dass ein aus der Gewalt der Terroristen freigekommener Mann über sexuelle Gewalt berichtet

von Sabine Brandes  06.11.2025

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

 06.11.2025 Aktualisiert