Jerusalem

Journalistengewerkschaft wirft Regierung Angriff auf Pressefreiheit vor

Kommunikationsminister Shlomo Karhi Foto: Flash 90

Es war eine Liste, die das Fass für viele zum Überlaufen brachte. In den sozialen Netzwerken kursierte in den vergangenen Tagen ein Papier der Regierungspartei Likud. Darauf standen Namen von lokalen Journalisten – eingeteilt nach ihrer politischen Meinung in »Rechte und Linke«. Am Mittwoch organisierte Oppositionsführer Yair Lapid daraufhin eine Krisensitzung in der Knesset, um die Bedeutung der Pressefreiheit hervorzuheben.

»Wenn Journalisten wegen ihrer politischen Positionen angegriffen werden, folgen Verhaftungen«, sagte Merav Betito, Journalistin bei der Tageszeitung Jedioth Acharonot. »Ich habe Angst um die Meinungsfreiheit.«

Lapid wirft »geplanten, orchestrierten« Angriff auf Presse vor

Lapid, selbst ehemaliger Journalist, wollte mit der Sitzung gegen Maßnahmen der Koalition protestieren, die seiner Meinung nach die Pressefreiheit einschränken. Dazu gehören jüngste Gesetzesvorschläge, die die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Kan und das Armeeradio privatisieren sollen. Der Vorsitzende von Jesch Atid warf der Regierung, und besonders Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor, einen »geplanten, orchestrierten Angriff« auf die israelische Presse durchzuführen.

Einer, der hinter den Einbringungen steht, ist Kommunikationsminister Shlomo Karhi vom Likud. Seit 2022 versucht er, die Nachrichtenabteilung des öffentlich-rechtlichen Senders Kan abzuschaffen. Kan ersetzte 2017 nach einem langwierigen Gesetzgebungsstreit die vorherige israelische Rundfunkbehörde.

Netanjahu, auch damals Premierminister, war entschieden gegen Kan und löste eine Koalitionskrise aus, als er forderte, das Unternehmen zu schließen. Der Schritt war aufgrund des Widerstands des damaligen Finanzministers Mosche Kahlon erfolglos.

Bei der Sitzung wies Karhi Vorwürfe zurück, die Regierung arbeite daran, die Presse einzuschränken. Er sprach davon, dass die Gesetze tatsächlich die Meinungsfreiheit erhöhen werden und argumentierte, die von der Regierung geförderten Maßnahmen würden den Markt durch die Abschaffung regionaler Beschränkungen für den Wettbewerb öffnen. Er machte zudem klar: »Ich arbeite für die Öffentlichkeit und nicht für die Medien«.

»Das ist dieser Regierung nicht genug. Sie will, dass wir noch weiter abfallen.«

Die israelische Journalistengewerkschaft und der Verband der Auslandspresse warfen der Regierung vor, die Demokratie zu untergraben. Israel ist im jährlichen Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen seit 2022, als die rechtsreligiöse Regierung die Macht übernahm, um 15 Plätze gefallen.

»Doch das ist dieser Regierung nicht genug. Sie will, dass wir noch weiter abfallen«, schimpfte Lapid und führte einige der von der Regierungskoalition geplanten Maßnahmen auf: »Sie versuchen, einen Generaldirektor bei Kanal 13 zu ernennen, der für sie arbeiten würde, und außerdem stimmte die Regierung dafür, alle ihre Werbung in (der linksliberalen Tageszeitung) Haaretz einzustellen.«

Das Kabinett hatte in der letzten Woche alle Ministerien und Behörden aufgefordert, Haaretz zu boykottieren, nachdem Herausgeber Amos Schocken palästinensische Terroristen als »Freiheitskämpfer« bezeichnet hatte. Schocken nahm seine Aussage später teilweise zurück.

Presse ist Stethoskop eines demokratischen Staates

»Netanjahus Regierung will kein Gleichgewicht, sie will Medien wie in Ungarn, wie in Russland – zurückhaltend, verängstigt, unterwürfig, oberflächlich«, warnte Lapid. »Es werden noch gefährlichere Gesetze kommen, wenn die aktuellen kampflos verabschiedet werden.« Er warf dem Premier vor, »eine Obsession zu haben, die Presse kontrollieren zu wollen«.

»Wir haben das Gefühl, dass die freien Medien einem sehr scharfen Angriff ausgesetzt sind«, bestätigte Oded Ben-Ami, Nachrichtensprecher von Channel 12. Der Journalist verglich ein Land ohne freie Presse mit einem Krankenhaus, dessen Ärzte keinen Zugang zu grundlegender medizinischer Ausrüstung haben. »Wir sind das Stethoskop eines demokratischen Staates, und wenn Sie uns Schaden zufügen, kann dieser Staat nicht mehr existieren.«

Nahost

Israels Armee: Wir müssen uns auf längeren Einsatz einstellen

Israel hat sich nach Angaben des israelischen Generalstabschefs seit Jahren auf den Krieg mit dem Iran vorbereitet. Ejal Zamir sprach vom komplexesten Einsatz in Israels Geschichte

 20.06.2025

Krieg

Luftwaffe fliegt Deutsche aus Israel aus. Die Maschinen sind auf dem Rückweg in die Bundesrepublik

Die Hintergründe

von Anna Ringle  20.06.2025

Interview

Warum gehen die Grünen auf Distanz zu Israel, Frau Brantner?

Die grüne Bundesvorsitzende erläutert, warum sie deutsche Rüstungsexporte einschränken und israelische Minister sanktionieren, aber trotzdem solidarisch mit Israel sein will

von Michael Thaidigsmann  20.06.2025

Israel

Verletzte in Haifa nach erneutem Raketenangriff aus dem Iran

Aus dem Iran werden wieder ballistische Raketen Richtung Israel gefeuert. Ein Geschoss soll in der Stadt Haifa mindestens drei Menschen verletzt haben

 20.06.2025

Israel

Im permanenten Ausnahmezustand

Wie gehen Israelis nach den Angriffen gegen Ziele im Iran mit den Gegenangriffen um? Unsere Autorin hat unter ihren Freunden und Bekannten ein Stimmungsbild eingeholt

von Sarah Maria Sander  20.06.2025

Nahost

Herzog unterstützt Krieg gegen Iran »uneingeschränkt«

»Wir mussten diese Bedrohung beseitigen«, sagt der Präsident

 20.06.2025

Nahost

Katz: Armee soll Angriffe auf staatliche Ziele im Iran verstärken

Israels Verteidigungsminister bestätigt, das Regime in Teheran destabilisieren zu wollen

 20.06.2025

Interview

»Irans Ziel scheint es zu sein, diesen Krieg so lange wie möglich zu führen«

Sarit Zehavi, Gründerin des Think Tanks Alma, über Irans Raketenarsenal, die Reaktion des Mullah-Regimes auf die israelischen Angriffe und seine Möglichkeit, einen Abnutzungskrieg zu führen

von Nils Kottmann  20.06.2025

Krieg

Fast kein Weg raus

Israelis werden aus dem Ausland zurückgeholt, doch es gibt kaum eine Möglichkeit auszureisen. Bürgerrechtsgruppen wollen den Obersten Gerichtshof anrufen

von Sabine Brandes  20.06.2025