Jerusalem

»Israeliana« damals und heute

Kuratorin Sharon Weiser-Ferguson zeigt Exponate der Ausstellung. Foto: Sabine Brandes

Jerusalem

»Israeliana« damals und heute

Rechtzeitig zum 73. Geburtstag des Landes stellt das Israel-Museum populären Kitsch aus

von Sabine Brandes  15.04.2021 09:23 Uhr

Kitsch im Museum. Wenn es um »Israeliana« geht, dann hat das heute seine Berechtigung, findet Sharon Weiser-Ferguson, Kuratorin in der Abteilung jüdische Kunst und jüdisches Leben. Rechtzeitig zum 73. Geburtstag stellt das Israel-Museum populäres Design aus den Anfangsjahren des jüdischen Staates aus.

Alle Artefakte stammen aus dem 20. Jahrhundert, viele sind nach der Staatsgründung 1948 hergestellt worden. Doch Israeliana gab es bereits vorher. »Genauer gesagt mit der Gründung der Kunsthochschule Bezalel in Jerusalem in 1906.« Die Familie Tennenbaum, Sammler von Judaika, übergab dem Museum die Kollektion. Bei Israeliana handelt es sich um populäre Gegenstände mit Israelbezug, von Judaika wie Chanukkaleuchtern und Kerzenhaltern für den Schabbat bis zu Alltagsgegenständen.

Es sind populäre Gegenstände mit Israelbezug – ob Kitsch, Kunst oder Design.

Das Museum lege generell großen Wert auf die künstlerische Bedeutung der Exponate und die Geschichten, die sie erzählen, etwa über jüdische Gemeinden aus alter Zeit. Für die Objekte in der neuen Ausstellung gelte jedoch: »Einige sind ziemlich kitschig und nicht aus besonders teuren Materialien gefertigt.«

PATINA Und doch: »Diese Artikel waren bei Israelis wie Touristen gleichermaßen beliebt und standen in jüdischen Häusern in der ganzen Welt.« Und da sind sie heute noch zu sehen. Oft waren sie mit jüdischer Ikonografie versehen, zum Beispiel die Messingbox für Zigaretten mit Symbolen der zwölf Stämme. »Mit diesen oder ähnlichen Artikeln konnte man seinen Zionismus auch ohne Judaika ausdrücken.«

Die Menschen wollten die Ideologie zeigen und dabei gleichzeitig die israelische Wirtschaft unterstützen. Eine der größten Fabriken vor der Staatsgründung war Pal-Bell. Teils waren deren Produkte mit grüner Patina oder später auch schlicht grüner Farbe versehen, um sie »auf alt zu trimmen«. Artikel sollten an archäologische Funde erinnern, etwa Öllampen aus der Makkabäerzeit. »Dieser Stil war besonders beliebt.«

»Anfangs wollten die Menschen hierzulande Gegenstände, die das neue Land symbolisierten. Um die Staatsgründung herum gewann die Armee an Bedeutung und wurde zunehmend abgebildet.« Beispielsweise auf einer Menora, die neben einer Gruppe von Makkabäern eine von israelischen Soldaten zeigt. In der Mitte die alte Stadtmauer von Jerusalem.

Einige Dinge, fand Weiser-Ferguson bei ihren Recherchen heraus, seien überhaupt nicht zu benutzen gewesen. »Das spielte allerdings keine große Rolle. Die Leute wollten die Gegenstände einfach besitzen und ausstellen.« Wie etwa Wandteller mit israelischen Motiven oder den Leuchter mit der Zahl zehn zum ersten runden Geburtstag des jungen Staates.

BEZALEL Boris Schatz, Gründer von Bezalel, öffnete die Hochschule 1906 und produzierte die Artikel in den Werkstätten mit vielen Arbeitern. Dahinter, erläutert die Kuratorin, stand die Idee, die zionistische Idee zu verbreiten und jüdische sowie israelische Kunst wiederzubeleben.
Doch Schatz’ Anliegen war nicht in jedermanns Sinn: Viele Sponsoren wollten moderneres Design sehen. Zwei Jahrzehnte später musste Bezalel schließen, mangelnde Unterstützung und Geld bedeuteten das Aus. 1935 eröffnete die Hochschule erneut, dieses Mal auf Grafik- und Metalldesign spezialisiert – und ganz ohne Israeliana-Werkstätten. Stattdessen stellten die Designer ihre Produkte selbst her.

Später, durch die Einwanderer aus Deutschland, kam mit dem modernistischen Stil ein schlichteres Design, angelehnt an das Bauhaus. Einer der bekanntesten Künstler dieser Richtung war Yehuda Wolpert. »Der Stil des guten Geschmacks, wie er seinerzeit bezeichnet wurde, war im Land angekommen.«

Auch heute würden viele Menschen Dinge dieser Art noch schätzen, »vor allem, wenn sie einen nostalgischen Touch haben«. Die Kuratorin ist überzeugt, dass sich das Sammeln von Israeliana lohnt. »Zum einen kann man sie noch für recht wenig Geld erstehen, zum anderen werden sie in 20 oder mehr Jahren sicher schwer zu finden und wertvoller sein.«

SOUVENIRS Die Periode, die als Israeliana bezeichnet wird, lasse sich nur schwer eingrenzen, erläutert Weiser-Ferguson. Grob könne man sagen, dass sie kurz vor der Staatsgründung begann und bis in die 80er-Jahre reichte. »Allerdings gibt es noch heute Hersteller, und die Dinge werden weiterhin verkauft, zum Beispiel in der Jerusalemer Altstadt. Eigentlich dauert Israeliana also noch immer an.«

Heute gibt es ein großes Sortiment moderner Souvenirs mit Israelbezug.

Heute gibt es ein großes Sortiment moderner Souvenirs mit Israelbezug. Auch von ihnen gelten viele als Kitsch, andere indes als Designerstücke. Wie die Straßenlampen von Choni Beigel, Leuchten im Stil der israelischen Straßenschilder. »Besucher aus dem Ausland kaufen sie, um sich an schöne Erlebnisse während ihres Urlaubs zu erinnern oder um ihre Verbundenheit mit Israel auszudrücken«, sagt Choni Beigel.

Bei thestreetlamp.com kann man aus einer vorgegebenen Liste von Straßennamen bestellen, darunter bekannte wie King George, Dizengoff und Hazait, oder seinen Wunschnamen angeben. Für 80 Euro sind die handgemachten Lampen erschwinglich. »So soll es sein. Denn ich will nichts Überteuertes verkaufen, sondern ein schönes Designobjekt, das sich die Leute leisten können.« Israeliana an der Wand – damals wie heute.

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