Gaza

Israel: Wir liefern mehr Hilfsgüter nach Gaza als vor dem Krieg

Eine Hilfslieferung an der Grenze in Rafah Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com

Israel steht international unter wachsendem Druck. Es heißt, das Land solle mehr Hilfslieferungen auf dem Landweg zuzulassen, obwohl Israel die Zahl oder Menge der Lieferungen gar nicht beschränkt. Kritik an der Terrororganisation Hamas, die weiterhin mehr als 100 Geiseln in ihrer Gewalt hat, Israel mit Raketen beschießt, auch den aktuellen Krieg begann und daher auch für die Versorgungslage in Gaza verantwortlich ist, erfolgt hingegen kaum.

Auf Anweisung der Regierung in Jerusalem wurde nun ein Konvoi aus sechs Lastwagen mit Hilfsgütern des Welternährungsprogramms (WFP) über eine neue Straße des israelischen Militärs in den Norden des abgeriegelten Küstenstreifens eskortiert, wie die Armee am Dienstagabend auf Telegram bestätigte.

Es habe sich um ein Pilotprojekt gehandelt, um zu verhindern, dass die Hilfsgüter in die Hände der islamistischen Hamas fallen. Die Ergebnisse würden jetzt der Regierung vorgelegt, teilte die Armee mit.

Netanjahu erbost über US-Geheimdienstbericht

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist einem Medienbericht zufolge unterdessen zutiefst verärgert über einen US-Geheimdienstbericht, der seinen bevorstehenden Sturz in Aussicht stellt. Der Regierungschef schäume vor Wut, berichtete der Nachrichtensender Channel 12 am Dienstagabend.

Die amerikanischen Geheimdienste hatten in ihrem am Vortag bekannt gewordenen Bericht die Erwartung geäußert, dass die israelische Bevölkerung das Vertrauen in Netanjahus Führungsqualitäten verloren habe und in Massenprotesten seinen Rücktritt und Neuwahlen fordern werde. Netanjahu werde deshalb »eine starke, öffentliche und dramatische Konfrontation« mit US-Präsident Joe Biden suchen, hieß es bei Channel 12 unter Berufung auf nicht näher genannte hohe Beamte.

Das israelische Ministerpräsidentenamt verschickte am Dienstag an israelische Medien die geharnischte Erklärung eines gleichfalls nicht namentlich genannten Spitzenvertreters der Regierung. »Israel ist kein Protektorat der USA, sondern ein unabhängiges und demokratisches Land, dessen Bürger es sind, die die Regierung wählen«, hieß es darin.

Wichtigster Verbündeter

»Wir erwarten von unseren Freunden, dass sie das Terrorregime der Hamas zu Fall bringen und nicht die gewählte Regierung in Israel.« Die USA sind Israels wichtigster Verbündeter. US-Präsident Biden hatte jedoch zuletzt Netanjahu für die zivilen Opfer in Gaza verantwortlich gemacht und wegen der angeblichen Verhinderung ausreichender humanitärer Hilfe immer offener kritisiert.

Auch die Vereinten Nationen drängten zuletzt darauf, die Hilfslieferungen per Lastwagen auszuweiten und den Transport der Güter auch über Grenzübergänge zum besonders betroffenen Norden des Palästinensergebiets zuzulassen. Mit dem jetzt ersten erfolgreichen Konvoi in den Norden seit dem 20. Februar habe man in der Nacht zum Dienstag auf der neuen Militärstraße Lebensmittel für 25.000 Menschen in die Stadt Gaza liefern können, teilte das Welternährungsprogramm mit.

Die Route verläuft von der Mittelmeerküste bis zur israelischen Grenze nahe dem Kibbuz Beeri, das am 7. Oktober bei dem von Terroristen der Hamas in Israel angerichteten Massakers überfallen worden war. Das Massaker war der Auslöser des Krieges.

»Open Arms« auf dem Weg

Am Dienstag stach das Schiff »Open Arms« von Zypern in Richtung Gaza in See. Es zieht eine Plattform mit rund 200 Tonnen Trinkwasser, Medikamenten und Lebensmittel. Wo und wie es vor dem Gazastreifen die Fracht abladen soll und wie die Verteilung erfolgt, ist noch unklar. Seetransporte von Hilfsgütern in den Gazastreifen können laut einem Sprecher der Vereinten Nationen jedoch nicht den Mangel an dringend benötigten Lkw-Lieferungen wettmachen.

Daran ändern auch die jüngsten Abwürfe von Hilfsgütern aus der Luft nichts. Die Bundesregierung bereitet dennoch einen Einsatz der Luftwaffe für den Abwurf von dringend benötigter Hilfe über Gaza vor. Das Auswärtige Amt habe eine entsprechende formale Bitte an das Verteidigungsministerium gestellt, meldete der »Spiegel«. Aus dem Militär wurden entsprechende Vorbereitungen bestätigt, bei denen in Frankreich stationierte C130-Transportflugzeuge der Bundeswehr eingesetzt werden könnten.

Israel wehrt sich derweil gegen Kritik wegen der katastrophalen Versorgungslage im Gazastreifen. Derzeit kämen sogar mehr Hilfsgüter in den abgeriegelten Küstenstreifen als vor Beginn des Krieges, erklärte die Regierung.

»Uninformierte Spekulationen«

Das Weiße Haus wies derweil Berichte über mögliche politische Konsequenzen im Fall einer israelischen Bodenoffensive in der Stadt Rafah im Süden Gazas zurück. Bidens nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan kommentierte am Dienstag Medienberichte, wonach Biden in so einem Fall erwäge, weitere Militärhilfen für Israel an Bedingungen zu knüpfen.

Diese Berichte basierten auf »uninformierten Spekulationen« anonymer Quellen, sagte Sullivan. Biden hatte eine mögliche Rafah-Offensive Israels am Wochenende in einem Interview zu einer »roten Linie« erklärt. In Rafah suchen derzeit 1,5 Millionen Palästinenser auf engstem Raum und unter elenden Bedingungen Schutz vor den Kämpfen in den anderen Gebieten des Gazastreifens.

Bidens Sicherheitsberater kritisierte einmal mehr entsprechende Gedankenspiele der israelischen Führung. »Eine Militäroperation in Rafah, die die Zivilbevölkerung nicht schützt, die die Hauptadern der humanitären Hilfe abschneidet und die enormen Druck auf die israelisch-ägyptische Grenze ausübt«, sei nichts, was die US-Regierung unterstützen könne, sagte Sullivan.

Dabei hatte Israel mehrfach eine Evakuierung der Zivilisten in Rafah angekündigt - für den Fall einer Offensive gegen den palästinensischen Terror in dieser Stadt. dpa/ja

Frankfurt/Main

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