Meinung

Krieg gegen die Hamas: Israel hat keine andere Wahl

Wieder im Einsatz: Nachdem die Hamas die Geiselverhandlungen scheitern ließ, geht Israel im Gazastreifen erneut militärisch vor. Foto: Flash90

Jetzt geht es wieder los. Jetzt werden wieder Wahrheit und Fake News miteinander vertauscht. Jetzt wird es wieder heißen: Israel habe die – selbst initiierten – Abkommen über eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln von Anfang an nicht einhalten wollen.

Jetzt wird es wieder heißen, Israel schiebe die Gründe für die erneuten Angriffe gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas bloß vor. Der israelischen Regierung und dem israelischen Militär – in mir sträubt sich alles, dies zu zitieren – seien die Schicksale der 24 mutmaßlich noch lebenden Geiseln im Gazastreifen gleichgültig.

Die Vorwürfe erfolgen nicht überraschend. Aber sie könnten kontrafaktischer und niederträchtiger nicht sein. Seitdem Israel sich gegen den Terror der Hamas zur Wehr setzt, werden wir Zeuge, wie mit Desinformationen – intendiert oder nicht – auch im Westen gearbeitet wird. Das Opfer wird zum Täter gemacht. Derjenige, der sich wehrt, gilt als Aggressor. Das berechtigte und planvolle Vorgehen der israelischen Armee gegen den Terror wird zum angeblichen Völkermord. Angaben von Terroristen über die Höhe der Opferzahlen im Gazastreifen werden ungeprüft übernommen. Ebenso Hamas-Märchen über die angeblich absichtliche Tötung von Zivilisten. Angaben über die erfolgreiche Ausschaltung von skrupellosen Terroristen, die in unfassbarem Ausmaß Schuld auf sich geladen haben, unterschlagen.

Zur Erinnerung: Am 7. Oktober 2023 zogen palästinensische Terroristen los, fielen in Israel ein und ermordeten mehr als 1200 Menschen. Unschuldige Menschen. Alte, Kinder, Babys, Schoa-Überlebende, Mütter. Familienväter wurden vor den Augen ihrer Kinder misshandelt und ermordet.

Nicht-Handeln ist keine Alternative

Die bittere Wahrheit ist: Israel muss gegen den Terror der Hamas vorgehen. Es gehört zur DNA der Hamas, alles zu unternehmen, um Israel von der Weltkarte auszulöschen. Was Europa bis heute nicht versteht, vielleicht auch gar nicht in seiner überwiegend friedliebenden Nachbarschaft verstehen kann: Mit Menschen, die einen umbringen wollen, kann es keine Kompromisse, keinen Frieden, keine Zukunft geben.
Zur bitteren Wahrheit gehört leider auch, dass Israel sich in einem Dilemma befindet. Es gibt in dieser Situation keine richtige, schon gar keine leichte Entscheidung. Israel hat nur die Wahl zwischen mehreren schlechten Optionen, von denen es die am wenigsten schlechte identifizieren muss. Doch Nicht-Handeln ist keine Alternative. Israel muss Fakten schaffen.

Nur militärischer Druck kann die Geiseln noch aus den Fängen der Hamas befreien.

Und ich bin davon überzeugt: Um die noch in Gaza befindlichen Geiseln endlich zu befreien, muss Israel den militärischen Druck auf die Hamas erneut massiv erhöhen. Die Erfahrung der vergangenen 18 Monate zeigt: Erst wenn die Hamas um ihr eigenes Überleben fürchten muss, wird sie möglicherweise zu Zugeständnissen bereit sein. Die einzige Sprache, die Terroristen verstehen, ist die Sprache der Gewalt.

Wird Israel mit dieser Strategie seine wichtigsten Ziele – die Freilassung aller Geiseln, die Zerschlagung der Hamas-Infra­struktur und die Wiederherstellung der Sicherheit Israels und seiner Bürger – erreichen? Wir wissen es nicht. Es ist völlig ungewiss. Aber was ist die Alternative? Nichts tun? Damit die Hamas die Zeit nutzt, um Kraft zu schöpfen, sich neu zu formieren und weitere Attacken zu planen?

Die Zeit arbeitet gegen die Geiseln: Wir erinnern uns an die grausamen Bilder der ausgehungerten Verschleppten, die bei uns unwillkürlich die Erinnerung an Schoa-Überlebende hervorriefen. Wir müssen die Geiseln endlich befreien. Die Verhandlungen mit dem US-Sondergesandten für den Nahen Osten, Steve Witkoff, über weitere Geisel-Freilassungen wurden von der Hamas über Wochen systematisch blockiert. Israel dagegen hatte zuvor mehreren Vermittlungsvorschlägen zugestimmt.

Lesen Sie auch

Brutal mordende Terroristen müssen bekämpft und nicht akzeptiert werden

Nun ist es an der Zeit, dass Israel seine Ziele mit anderen Mitteln erreicht.
Auch wenn es die Familien der Geiseln wohl zwangsläufig anders sehen: Nach dem Scheitern diplomatischer Gespräche sind wie schon oft zuvor Angriffe auf die Hamas der einzige Weg, die Freilassung weiterer Geiseln zu erreichen. Die Hamas muss verstehen: Wenn sie nicht alle Geiseln freilässt, werden sich die Militärschläge gegen die Terroristen – unter größtmöglichem Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung – verschärfen.

Es wird Zeit, dass die Welt endlich aufwacht und Israels Situation nach dem 7. Oktober begreift. Es darf keine Äquidistanz zwischen einer Mörderbande auf der einen Seite und einem demokratischen Staat auf der anderen Seite geben. Auch die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der vom Terror geplagten Geiseln und israelischen Staatsbürgern ist unerträglich. Es wird Zeit, dass die israelischen Geiseln endlich befreit werden – und die Terrororganisation Hamas ein für alle Mal vernichtet wird. Auch um der palästinensischen Zivilbevölkerung künftig ein Leben in Frieden und Freiheit zu ermöglichen. Es sollte keiner großen Begründung bedürfen, warum brutal mordende Terroristen nicht akzeptiert, sondern mit aller Härte bekämpft werden müssen.

Der Autor ist Geheimdienst- und Sicherheitsexperte, ehemaliger General der israelischen Armee und langjähriger Leiter der Forschungsabteilung des israelischen Militärgeheimdienstes.

Jerusalem

Saar bekräftigt Israels Unterstützung für Waffenruhe – und droht Hamas

Der israelische Außenminister wirft der internationalen Gemeinschaft »Heuchelei« vor. Sie kritisiere Israel, aber schweige zu Massenhinrichtungen der palästinensischen Terroristen

 23.10.2025

Ultraorthodoxe

Charedis vergleichen Wehrdienstverweigerer mit Hamas-Geiseln

Nach den Festnahmen von drei charedischen Männern werden die Plakate der verschleppten Menschen als Propaganda missbraucht

von Sabine Brandes  23.10.2025

Israel

»Es ist alles ein großes Wunder«

Die nach mehr als zwei Jahren in der Gewalt der Hamas freigelassenen Israelis berichten von bohrendem Hunger, Folter und religiösem Zwang – aber auch von unerschütterlicher Hoffnung

von Sabine Brandes  23.10.2025

Israel

Bis zur letzten Geisel

15 der 28 Toten sind bisher aus dem Gazastreifen zurück

von Sabine Brandes  23.10.2025

Rabbiner Noam Hertig aus Zürich

Diaspora

Es geht nur zusammen

Wie wir den inneren Frieden der jüdischen Gemeinschaft bewahren können – über alle Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten hinweg

von Rabbiner Noam Hertig  23.10.2025

Meinung

Liebe Juden, bleibt bitte zu Hause!

Immer mehr jüdische Veranstaltungen werden abgesagt – angeblich zum Schutz von Jüdinnen und Juden. So wird aus einer Einladung zur Kultur ein stiller Abgesang auf Teilhabe

von Louis Lewitan  23.10.2025

Nahost

Knesset stimmt für Annexion von Siedlungsgebieten im Westjordanland

Die USA kritisieren den Vorgang. »Der Präsident hat klar gesagt, dass wir das derzeit nicht unterstützen«, sagt Rubio vor seinem Abflug nach Israel

 23.10.2025

Sport

Olympisches Komitee bestraft Indonesien für Ausschluss Israels

Die Indonesier hatten wegen des Krieges gegen die Hamas ein Einreiseverbot für israelische Sportler verhängt

 22.10.2025

Gutachten

IGH: Israel muss UN-Hilfe in den Gazastreifen lassen

Der Internationale Gerichtshof kommt zu dem Schluss, dass die israelischen Behörden auch mit der UNRWA zusammenarbeiten müssen. Die israelische Regierung wirft dem Gericht vor, das Völkerrecht zu politisieren

 22.10.2025