Studie

Harmlos-TV

Grobi in Jerusalem: Auch die Sesamstraße gehört zum israelischen Fernsehprogramm. Foto: Flash 90

In Deutschland mussten nackte Tatsachen her, um die Zuschauer hinterm Ofen hervorzulocken. Hier klebten die Menschen förmlich an der Mattscheibe, obwohl im Wohncontainer so gut wie nichts geschah. Big Brother wurde in Israel ganz ohne barbusige Anreize zum Quotenhit. Es war offenbar gar nicht nötig. Eine aktuelle Studie des Ariel-Universitätszentrums belegt, dass das hiesige Fernsehen 30 Prozent weniger sexuellen Inhalt und sogar über 80 Prozent weniger Gewalt ausstrahlt als etwa die großen US-Sender. Und die Leute schauen trotzdem zu.

Vergleich Für die Untersuchung sah sich Professor Amir Hetzroni 77 Stunden amerikanisches sowie 55 Stunden israelisches Fernsehen zur besten Sendezeit an und notierte akribisch die Dauer eines jeden Kusses, jeder Berührung sowie gewalttätigen Auseinandersetzung von Schlägerei über Schießerei bis hin zum Krieg. Sein Ergebnis erstaunt: Im Allgemeinen flimmert weniger Gewalt und Sex in unsere Wohnzimmer als gemeinhin angenommen und besonders wenig im Heiligen Land. Dabei scheinen die Israelis offener für Minderheiten zu sein: Homosexuelle Szenen und explizit sexuelle Sprache findet sich in hiesigen Kanälen 20 Prozent öfter als bei den Freunden jenseits des großen Teichs. Auch Prüderie mag man hierzulande nicht, Szenen, in denen die Schauspieler völlig nackt sind, sieht man häufiger. Andererseits soll es bei FOX, ABC, NBC und CBS wesentlich mehr einladende Sexszenen geben.

Gewalt Auch die Gewalt, so die Studie weiter, würde entgegen landläufiger Meinung im Fernsehen recht kurz kommen. Sie werde selten und in sehr kurzen Episoden gezeigt. Insgesamt liefen hier nicht länger als 30 Sekunden gewalttätige Aktionen pro Stunde im TV zur besten Sendezeit, steht in der Untersuchung. In amerikanischen Sendungen hingegen ist Gewalt bei Weitem dominanter. 103 Sekunden pro Stunde wird geballert, geschossen und gemordet. Darunter fällt auch die Androhung von physischer Gewalt. Sogar die Werbung im jüdischen Staat ist weniger böse. Beim Vergleich von 1.785 amerikanischen und 1.467 israelischen Reklame-blocks kam heraus, dass es in 2,5 Prozent der US-Werbungen handgreiflich wird, während man sich lediglich in 1,5 Prozent der israelischen streitet.

Hetzroni meint, der Grund für den relativen Mangel an Sex und Gewalt im israelischen TV sei eine Mischung aus Nachfrage, einer konservativen Zuschauerkultur sowie strikten Regulationen des Landes. »Oft glauben die Menschen jedoch, dass Fernsehen voll ist mit Gewalt und ausuferndem Sex. Es ist aber nicht so, sondern nur der Eindruck vieler. Vielleicht, weil sie sich an ein Programm erinnern, in dem es so war.« Nachrichtenprogramme waren nicht Teil der Ariel-Studie. Der Professor gibt jedoch zu, dass die Gewalt in Zeiten von Krieg und kriegerischer Auseinandersetzung plötzlich im TV stark anschwellen kann. Anders als in Deutschland werden die Bilder von Toten und Verletzten oft unverzerrt in die Wohnzimmer gesendet, Gewalttaten in den Acht-Uhr-Nachrichten in grellen Farben von Augenzeugen geschildert, während die gesamte Familie dabei zuschaut.

Familie Bis zum 18. Lebensjahr war ein Kind in den USA etwa 13.000 Stunden in der Schule und hat 25.000 Stunden vor der Glotze gesessen. In Israel ist es nicht viel weniger. Auch hier läuft der Fernseher in vielen Familien ständig als Dauerberieselung, ein Großteil der Jungs und Mädchen hat einen eigenen Apparat im Zimmer. Die Tel Aviver Psychologin Tali Gatt sieht das als großes Problem. »Auch wenn die Gewalt weniger als angenommen über die Bildschirme in die Häuser kommt, so ist sie doch da.« Und die Kinder und Jugendlichen schauen es wieder und wieder, oft ohne jegliche Kontrolle der Eltern. Diese ständige Wiederholung ist wie eine Gehirnwäsche. »Unsere Erfahrungen machen uns Menschen aus, und wir sollten überlegen, was wir uns und vor allem un-seren Kindern immer wieder zumuten. Gewalt und Sex im Fernsehen sollten nicht dazugehören – auch wenig kann schon zu viel sein.«

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  30.04.2025

Nahost

Heftige Gefechte in Syrien: Erneut mehrere Tote. Jetzt schaltet sich Israel ein

Eine Tonaufnahme löst in Syrien erneut eine Welle der Gewalt aus. Mehrere Menschen werden getötet

von Amira Rajab, Nehal ElSherif  30.04.2025

Essay

Warum ich stolz auf Israel bin

Das Land ist trotz der Massaker vom 7. Oktober 2023 nicht zusammengebrochen, sondern widerstandsfähig und hoffnungsvoll geblieben. Eine Liebeserklärung

von Alon David  30.04.2025 Aktualisiert

Israel

Massive Brände breiten sich weiter aus

Starke Winde fachen die Feuer rund um Jerusalem an. Es wird an rund 20 verschiedenen Stellen Brandstiftung vermutet

von Sabine Brandes  30.04.2025

Jom Haatzmaut

»Ich habe keine Unabhängigkeit, weil sie immer noch dort sind«

Der aus dem Gazastreifen befreite Yarden Bibas bittet die Israelis, sich einer Solidaritätsaktion für die noch verbleibenden Geiseln anzuschließen

von Sabine Brandes  30.04.2025

Bern

Schweizer Juden reagieren auf Verbot der Terrororganisation Hamas

Deutschland hat die Terrororganisation schon kurz nach dem Angriff vom 7. Oktober 2023 verboten. Die Schweiz zieht jetzt erst nach

 30.04.2025

Nationaler Notstand

Jom-Haazmaut-Feiern wegen Feuer abgesagt

Im Umkreis von Jerusalem sind die schweren Waldbrände nicht unter Kontrolle zu bekommen. Straßen werden gesperrt und Wohnorte geräumt

 30.04.2025

Arbel Yehoud

Ex-Hamas Geisel berichtet erstmals ausführlich von ihrem Schicksal

Die 29-Jährige aus dem Kibbuz Nir Oz war fast 500 Tage in den Fängen der palästinensischen Terroristen

 30.04.2025

Raanana

Randale bei israelisch-palästinensischem Gedenken an Opfer

Bei Tel Aviv greifen ultrarechte Aktivisten Zuschauer einer Gedenkfeier sowie Polizisten an. Auch in Tel Aviv kommt es zu einem Vorfall

 30.04.2025