Konflikt

Gewalt in Jerusalem

Schwere Auseinandersetzungen in Jerusalem Foto: Flash 90

Die Situation in Israel und dem Westjordanland spitzt sich zu. Gestern kam es vor allem im Osten Jerusalems zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Palästinensern.

Grund ist der Tod des 16-jährigen Palästinensers Abu Khdeir, dessen teilweise verbrannte Leiche am Mittwoch in einem Wald bei Jerusalem gefunden worden war. Bis heute Morgen ist nicht klar, wer hinter der Tat steckt. Derzeit wird über zwei Möglichkeiten spekuliert. Die erste: Es könnte sich um einen kriminellen Hintergrund handeln. Die zweite: Es handelt sich um einen Rachemord rechtsgerichteter Israelis für die ermordeten drei Jugendlichen Eyal, Gilad und Naftali. Polizeisprecher Mickey Rosenberg sagte, es werde in alle Richtungen ermittelt.

Für die zweite Variante sprechen die Aussagen von palästinensischen Zeugen. Demnach sei der 16-Jährige in seinem Wohnviertel Beit Hanina bei Jerusalem am frühen Mittwochmorgen um 3 Uhr auf dem Weg zum Gebet für den Fastenmonat Ramadan gewesen, als ein Auto neben ihm stoppte und Unbekannte ihn in das Fahrzeug gezerrt hätten.

Rechtsstaat Während der israelische Innenminister Yitzach Aharonovich gestern sagte, es sei noch unklar, ob der Entführte und der Tote im Wald identisch seien, hieß es aus der Familie des verschwundenen Jugendlichen, der Vater habe seinen Sohn identifiziert. Bis heute Morgen lagen laut Rosenberg jedoch noch keine forensischen Untersuchungsergebnisse vor.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sagte, es sei klar, dass radikale Siedler hinter dem Mord steckten, Israel müsse sie zur Verantwortung ziehen. Israelische Politiker wie Justizministerin Zipi Livni und der Jerusalemer Bürgermeister Nir Barkat verurteilten die Tat. Auch Premier Benjamin Netanjahu sprach von einem »widerlichen Mord« und forderte eine rasche Aufklärung. Er warnte davor, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen. »Israel ist ein Rechtsstaat, und jeder ist verpflichtet, das Recht einzuhalten«, sagte er.

Damit bezog er sich unter anderem auf die Demonstrationen in Jerusalem am Dienstagabend, kurz nachdem die drei israelischen Jugendlichen in Modiin beerdigt worden waren. Hunderte rechtsgerichteter Israelis – darunter viele Minderjährige – hatten sich versammelt und forderten lautstark Rache für die Ermordeten.

Auch im Internet haben sich nach Angaben von Medien mehr als 30.000 Menschen auf einer Facebook-Seite für Rache ausgesprochen. Die Polizei ermittelt nun wegen Anstachelung zur Gewalt. Gestern kam es in der Straßenbahn in Jerusalem zu Übergriffen auf Palästinenser: Sie wurden angeschrien, angerempelt und dazu gedrängt, die Straßenbahn zu verlassen.

Krawalle Im arabischen Ostteil Jerusalems kam es am Mittwoch den ganzen Tag über zu schweren Krawallen: Vor allem in den Stadtteilen Schuafat und Beit Hanina lieferten sich palästinensische Demonstranten schwere Auseinandersetzungen mit der Polizei. Sie warfen mit Steinen und Rohrbomben, setzten Autoreifen in Brand und blockierten mit Müllcontainern die Straßenbahngleise.

Außerdem demolierten sie Autos und setzten Haltestellen in Brand. Nach palästinensischen Angaben mussten rund 60 Menschen medizinisch behandelt werden, unter den Verletzten waren auch Polizisten und zwei Journalisten. Letztere wurden Medienberichten zufolge von Gummigeschossen getroffen. Die Stadtbahn musste angesichts der Krawalle ihren Betrieb einstellen.

Auch an der Grenze zum Gazastreifen sind nach einem Tag der Ruhe wieder rund 20 Raketen auf Israel abgefeuert worden. Dabei wurden nach israelischen Medienangaben in Sderot ein Haus und mehrere Autos getroffen. Der Strom sei teilweise ausgefallen. Israel reagierte auf den Beschuss mit mehreren Luftangriffen am frühen Donnerstagmorgen. 15 Ziele der Hamas in Gaza seien angegriffen worden, sagte ein Armeesprecher, darunter Waffenlager und Raketenrampen.

Inzwischen haben sich auch besonnene Kräfte formiert: Mehr als 1000 Menschen haben am Mittwochabend in Jerusalem gegen Gewalt und Rassismus demonstriert. »Juden und Araber werden in diesem Land zusammenleben müssen«, sagte Isaak Herzog, Fraktionschef der oppositionellen Arbeitspartei. Extremisten beider Seiten versuchten, das Land in eine Spirale der Gewalt zu ziehen, so Herzog. »Aber die Mehrheit der jüdischen und arabischen Gesellschaft will in Frieden leben.«

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