Das Lernen der deutschen Sprache war für ihn wie eine erste Liebe, schwärmt Abed Turman. Mit einem charmanten »sch« anstelle des weichen »ch« erzählt er: »Ich war mit 25 Jahren zum ersten Mal im Ausland, in Deutschland. Alles war dort wundervoll, die Menschen, die Sprache. Ich habe mich regelrecht in das Deutsche verliebt.«
Turman war Teilnehmer des Master-Programms European Studies an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Auch nach seiner Rückkehr ließ die Begeisterung nicht nach. Heute ist er dem Deutschen durch seine Arbeit im Sprachbüro des Goethe-Instituts in Jerusalem noch immer verbunden. Das ist eine von 16 Organisationen, die am Donnerstag vergangener Woche im Liebling-Haus in Tel Aviv ihre Arbeit vorstellten.
leidenschaft Richtig erklären kann sich der 34-jährige Mann aus Ost-Jerusalem seine Leidenschaft selbst nicht. »Ich liebe es einfach und suche jede Begegnung mit der Sprache.« Daran zweifelt wohl niemand, der ihn hört. Nach nur einem Jahr in Deutschland spricht er nahezu perfektes Deutsch.
Manch anderer tut sich etwas schwerer. Isabell Mizrachi ist Deutschlehrerin an einer israelischen Oberschule. Sie hat insgesamt 35 Schüler, die das Abitur in Deutsch ablegen könnten. »Doch das schaffen nicht alle. Es ist immer spannend, wer die Sprache meistert oder wer vielleicht vorher aussteigt.«
Im Juli 2015 wurde auf Grundlage einer gemeinsamen Absichtserklärung zwischen dem Erziehungsministerium in Jerusalem, der Kultusministerkonferenz und der Deutschen Botschaft erstmals Deutsch als Fremdsprache offiziell als Wahlpflichtfach in den israelischen Lehrplan aufgenommen. Derzeit wird es an vier Schulen unterrichtet. 2020 gab es etwa 1625 Deutschlernende in Israel.
bezahlung Die sind allerdings zumindest in Sachen Bezahlung anderen Lehrkräften nicht gleichgestellt. Deutschland zahle für jeden Lehrer einen bestimmten Betrag an das israelische Bildungsministerium, der eigentlich als Bonus für im Ausland Unterrichtende gedacht ist, erklärt die diplomierte Lehrerin Mizrachi. »Doch statt als Zulage ist es das einzige Geld, das wir bekommen.«
Gesprächsfetzen auf Germanit, Iwrit und Anglit wabern durch
die Luft.
Für sie ist das Unterrichten daher auch ein wenig Mission. »Es ist schon etwas Besonderes, Deutsch in Israel zu lehren.« Als Tabu gelte es bei der jüngeren Generation nicht mehr. »Im Gegenteil, der Umgang mit der Sprache ist voller Offenheit und Unverfänglichkeit. Viele meiner Schüler sehen Deutschland als Land der Zukunft und fahren gern hin. Einige wollen dort zumindest für eine Weile leben.« Sie meint, dass vor allem Deutschlands offener Umgang mit der Schuld am Holocaust dazu beitrage, dass Deutsch heute im jüdischen Staat so angesehen sei.
Neben den Oberschulen wird Deutsch an den Goethe-Instituten in Tel Aviv und Jerusalem und den Zentren für Deutschlandstudien des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in Haifa und Jerusalem angeboten.
informationstag Das Interesse an der deutschen Sprache, dem »Germanit«, wie es im Hebräischen genannt wird, ist groß. Das zeigt der Informationstag in Tel Aviv deutlich. Mehr als 700 Gäste drängen sich in dem alten Bauhausgebäude, das heute ein Kulturzentrum ist.
Botschafterin Susanne Wasum-Rainer begrüßt die Besucher auf dem Dach und ist begeistert über den Strom der Interessierten. Als Diplomatin liebe sie Sprachen, »denn die bauen Partnerschaften, schaffen Freunde und erweitern den Horizont«. Sie sei sich hier in Israel allerdings der Geschichte der deutschen Sprache bewusst. »Und doch beeinflussen sich Hebräisch und Deutsch. Wie beim Wort Balagan etwa, das mittlerweile in beiden Sprachen genutzt wird. Das finde ich wunderbar.«
Im Erdgeschoss stehen Sprachbegeisterte neben Plakaten mit deutschen Sehenswürdigkeiten Schlange, um sich davor fotografieren zu lassen. Schloss Neuschwanstein ist dabei. Und das Brandenburger Tor natürlich. Die Fotos werden auf Tassen gedruckt und dürfen kostenlos mitgenommen werden. Im Café Lev des Liebling-Hauses plaudern die Menschen in kleinen Grüppchen. Gesprächsfetzen auf Germanit, Iwrit und Anglit wabern durch die Luft.
Einer der Gäste ist Zeev Shemesh. Er hat schon dreimal an Deutschkursen teilgenommen, doch dabei soll es nicht bleiben. Obwohl er findet, »dass die deutsche Bevölkerung nicht unbedingt die wärmste ist«, reist er regelmäßig hin und fühlt sich wohl. »Und wenn ich in Deutschland bin, will ich mich auf Deutsch verständigen können.«
Bundesliga »Die Natur ist einfach wunderschön, es gibt an so vielen Orten eine fantastische Aussicht.« Außerdem gefällt es ihm, mit der S- oder U-Bahn durch die Städte der Bundesrepublik zu fahren. Eines aber hat es ihm besonders angetan: die Fußball-Bundesliga.
Das Goethe-Institut veranstaltet an diesem Tag kostenlose »Tasting-Sprachkurse«, bei denen nicht nur die deutsche Sprache, sondern sehr viel mehr gekostet werden kann. So bietet Lehrerin Kristin jedem beim Hereinkommen ein Bier an. Und dann geht es los. »An der Bar« soll man sich auf Deutsch kennenlernen. »Ich heiße Kristin?«, spricht sie vor. Ein junger Mann nimmt einen Schluck von seinem Beck’s und versucht es auch: »Isch heiße Noam. Und du?«