Umfrage

Fast ein Paradies

Nach dem morgendlichen Abschiedskuss von Mama macht sich der siebenjährige Noah auf den Weg zur Schule. Ganz allein. »Das ist nur in einem Kinderland möglich«, ist seine Mutter Céline Levy überzeugt. »Und genau das ist Israel für uns.« Vor drei Jahren ist sie mit ihrer Familie von Paris nach Tel Aviv gezogen und hat es bislang nicht bereut. Eine aktuelle Untersuchung bestätigt das. In der Umfrage »Familienleben« des Portals InterNations landete das kleine Land im Nahen Osten auf dem dritten Platz.

Nur Finnland und die Tschechische Republik schnitten noch besser ab. Viele ehemalige Ausländer, die heute im jüdischen Staat leben, sehen es wie Levy. Trotz der Bedrohung durch Terror und Kriege und der wachsenden sozialen Ungleichheit ist Israel paradiesisch? »Ja, absolut«, sagt Levy kategorisch. »Es ist ein Garten Eden. Mit einigen Schönheitsfehlern, zugegeben, aber doch ein Paradies.« Natürlich seien Terroranschläge und die Bedrohung durch die Nachbarländer manchmal ein Grund zur Sorge. »Doch in Frankreich ist der Terror ja mittlerweile viel schlimmer geworden als hier.«

Kriminalität Das Gefühl, in einer Großstadt leben und sich doch ohne Furcht auf den Straßen bewegen zu können, ist für die 41-Jährige entscheidend für das Wohlbefinden. Dabei gehe es weniger um Angst vor Antisemitismus als vor Kriminalität. In der französischen Hauptstadt hätte sie ihre Söhne im Grundschulalter niemals allein auf der Wiese neben dem Haus Fußball spielen oder zur Schule gehen lassen. Heute tun das die beiden Sieben- und Neunjährigen jeden Tag. »Dieses Gefühl der Sicherheit gibt uns Freiheit, so paradox das für Israel auch klingen mag.«

InterNations ist das weltweit größte Portal, auf dem sich Familien in fremden Ländern, sogenannte Expats, austauschen. In der jährlichen Studie »Expat Insider« folgten im Jahr 2016 nach Israel Österreich und Schweden in der allgemeinen Bewertung des Familienlebens. Deutschland landete auf Platz zehn von 45 Nationen, in denen mindestens 31 Familien mit minderjährigen Kindern befragt wurden. Bewertet wurden 43 verschiedene Aspekte von Bildung über Sicherheit, Gesundheitssystem bis zur allgemeinen Kinder- und Familienfreundlichkeit auf einer Skala von eins bis sieben. Die USA und Großbritannien rangierten beide jenseits des 20. Ranges.

Betreuung Besonders gelobt in Israel wurde die Betreuung für den Nachwuchs. 81 Prozent gaben an, »froh über die Möglichkeiten« zu sein; bei der Bildung für Kinder waren es sogar 84 Prozent, die sich »allgemein zufrieden« zeigten. Moshe Van Dyke würde dieselbe Note geben: »In den USA ist die Bedeutung der Zensuren viel größer als hier. Von der ersten Klasse an wird unheimlich Druck gemacht. Wenn man einmal scheitert, ist man praktisch für alle Zeiten erledigt.« In Israel indes gebe es Alternativen, den Schulabschluss zu machen. Das Abitur etwa kann wiederholt, sogar die einzelnen Noten können in externen Prüfungen verbessert werden. »Das ist unschätzbar für die emotionale Sicherheit, besonders von Teenagern«, ist Van Dyke überzeugt.

Der Ex-Amerikaner, der seit mehr als zwei Jahrzehnten in Israel lebt, hat fünf Kinder im Alter von sechs bis 22 Jahren und lebt mit seiner Familie in der Kleinstadt Beit Schemesch zwischen Tel Aviv und Jerusalem. Die Van Dykes sind religiös, doch das, meint der 46-Jährige, sei nicht der einzige Grund hierzulande, viele Kinder zu haben. »Ich finde es so schön, dass Israel ein westliches Land ist, in dem gilt: Je wohlhabender man ist, desto mehr Kinder hat man. Es ist ein Statussymbol, Nachwuchs zu haben. In den USA ist das umgekehrt.« Mit mehreren Geschwistern aufzuwachsen, nehme zudem den Druck vom Einzelnen. »In Amerika muss man als Einzelkind alle Erwartungen seiner Eltern erfüllen. Das kann wahnsinnig stressig sein. In den großen israelischen Familien verteilt sich dieser Druck auf viele«, weiß er aus eigener Erfahrung.

Das Zentrale Statistikbüro gibt an, dass im vergangenen Jahr 1,96 Millionen Familien in Israel lebten. Zehn Jahre zuvor waren es 1,65 Millionen. Der Durchschnitt der Haushaltsmitglieder betrug 3,7, während er im Jahr 2015 in Deutschland bei 2,0 lag.

Wohlstand Auch die entspannte Art der Israelis, wenn es um materiellen Wohlstand geht, findet Van Dyke angenehm. »Es spielt hier eine wesentlich geringere Rolle, ob jemand aus einem mehr oder einem weniger wohlhabenden Haus kommt. Das ist für die Charakterbildung von Kindern unschätzbar wichtig.« Sorgen bereitet es ihm nur, wenn sein ältester Sohn in der Armee ist. »Er hat seinen Dienst in einer Kampfeinheit absolviert und geht regelmäßig zum Reservedienst. Einerseits bin ich mächtig stolz und würde es mir nicht anders wünschen, andererseits schlafe ich dann immer ziemlich schlecht.«

Trotz der Militärpflicht wählten die Expats in der Unterkategorie »Familienfreundlichkeit« Israel auf Platz fünf. Nur in Australien, Kanada, Japan und Finnland (in dieser Reihenfolge) soll es noch angenehmer sein. Für Levy trifft auch dieser Aspekt zu. »In Frankreich ist es oft schwer, eine Wohnung zu finden, wenn man mehr als ein Kind hat«, meint die dreifache Mutter. »Viele sorgen sich um den Lärm, den Schmutz und was weiß ich noch alles, wenn die Kleinen herumtoben.« Levy lacht: »In Israel dagegen wird einem die Wohnung nicht vermietet, wenn man keine Kinder hat.«

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