Porträt

Erster Regierungschef mit Kippa?

Der Jamina-Vorsitzende Naftali Bennett wurde 1972 in Haifa geboren und lebt mit seiner Familie in Raanana. Foto: Flash 90

Er könnte der erste Ministerpräsident Israels werden, der im Alltag eine Kippa trägt. Die aber ist winzig klein und Naftali Bennett alles andere als ein religiöser Fanatiker. Obwohl seine nationalreligiöse Partei Jamina bei den vergangenen Wahlen lediglich sieben Mandate erhielt, könnte ihr Chef schon in wenigen Tagen der 13. Regierungschef des Landes sein.

Die denkbar knappe Koalition aus 61 von insgesamt 120 Abgeordneten des israelischen Parlaments, darunter Vertreter von linken, rechten, Zentrumsparteien und der arabischen Partei Raam wäre die erste ihrer Art. Am Sonntag, den 13. Juni, soll sie in der Knesset eingeschworen werden.

BIOGRAFIE Wer ist der Mann, der mit diesem Bündnis an die Spitze will? Naftali Bennett wurde 1972 als Sohn der Einwanderer Jim und Myrna Bennett aus San Francisco in der Hafenstadt Haifa geboren. Als Kind und später junger Unternehmer lebte er auch in New York und im kanadischen Montreal. Nicht nur sein Englisch ist amerikanisch gefärbt, er ist auch überzeugter Anhänger einer freien Marktwirtschaft nach dem Vorbild der USA.

Schon früh bildete sich seine politische Richtung heraus: Als Teenager war er in der Jugendgruppe der rechts vom Likud angesiedelten Tehiya-Partei aktiv. Nach dem Jura- und Betriebswirtschaftsstudium an der Hebräischen Universität in Jerusalem gründete er mit drei israelischen Freunden seine eigene Firma.

Doch beim Hightech-Unternehmen Cyota, das Cybersicherheit für Finanzinstitute anbot, lief es anfangs nicht sonderlich gut. Angeblich liehen sich die Gründer sogar Geld bei Verwandten. Es waren Bennetts Selbstbewusstsein und seine Hartnäckigkeit, die schließlich den Erfolg brachten. 2005 wurde Cyota für 145 Millionen Dollar verkauft – und Bennett mit 33 Jahren zum Multimillionär.

KRISE Bei den jüngsten Diskussionen zur Regierungsbildung zeigte er ebensolches Verhandlungsgeschick. Nichts weniger als der Chefsessel war der Preis, den der 49-Jährige forderte, um sich auf eine Einheitsregierung einzulassen, durch die die tiefe politische Krise überwunden werden soll, in der Israel seit mehr als zwei Jahren steckt. Er darf sogar als Erster darauf Platz nehmen, obwohl Oppositionsführer Yair Lapid mit seiner Zukunftspartei Jesch Atid mit 17 Mandaten mehr als doppelt so viele holte wie Jamina.

Eine Zweistaatenlösung bezeichnete Bennett als »Israels Selbstmord«.

So sehr Bennett auf seine Forderungen pochte, so erkannte er gleichsam die Belange der anderen Beteiligten an und machte deutlich, dass es für alle schwierig sei, sich auf eine derartige Koalition einzulassen. »Die Linken machen keinen leichten Kompromiss, wenn sie mir die Rolle des Premierministers überlassen.« In der Tat: Ihre Ideologien könnten kaum verschiedener sein. Während Parteien wie Meretz noch immer an eine Zweistaatenlösung glauben, bezeichnet der Vorsitzende von Jamina diese als »Israels Selbstmord«.

Bennett betrat das politische Parkett vor 15 Jahren zunächst als Berater für den rechtskonservativen Likud. Insgesamt war er in fünf Parteien aktiv. Mit seiner Pro-Siedlungs-Partei Habait Hajehudi (Jüdisches Haus) wurde er zum »natürlichen Koalitionspartner« des Likud. Wäre da nicht das persönliche Zerwürfnis mit Premierminister Benjamin Netanjahu gewesen – und vor allem, munkelt man, das mit dessen Ehefrau Sara.

Mehrfach war er dennoch an Netanjahus Regierungskoalitionen beteiligt, hatte verschiedene Regierungsposten inne, vom Bildungs- über den Wirtschafts- bis zum Verteidigungsminister. Besonders im Bereich jüdische Siedlungen gibt er sich als Hardliner. Als Netanjahu wiederholt eine Annexion von Teilen des Westjor­danlandes vorschlug, war Bennett begeistert. »Dieses Momentum darf nicht ausgebremst werden«, tönte er laut.

FAMILIE Gleichsam zeigte er nie großes Interesse daran, selbst in einer Siedlung zu leben. Zwar wohnte er einige Monate jenseits der grünen Linie, zog dann jedoch nach Raanana, den schicken Vorort von Tel Aviv, baute ein Haus und gründete eine Familie. Dort lebt er mit seiner Ehefrau Gilat, einer Konditorin, und den vier Kindern. Gilat war zu dem Zeitpunkt, als sie sich kennenlernten, gänzlich säkular, heute lebt die Familie »religiös light«, hält unter anderem den Schabbat und die Kaschrut ein.

Bennetts Zeit als Leiter des Siedlerrates »Moezet Jescha« war vor allem von kurzer Dauer geprägt. Als er sich 2011 der Tel Aviver Bewegung zuwandte, die für soziale Gerechtigkeit und eine Senkung der Lebenshaltungskosten kämpfte, war es mit diesem Amt vorbei. In vielerlei Hinsicht scheint Bennett verdeutlichen zu wollen, er sei ultrarechts, während er häufig nach anderen Prinzipien zu handeln scheint. Verschiedene Personen, die ihm nahestehen, meinen, er sei im Grunde seines Herzens wesentlich gemäßigter – eine rechte Schale mit Zentrumskern.

Tatsächlich schlägt er derzeit diplomatisch gemäßigtere Töne an. Vor allem gehe es jetzt darum, die Pandemie zu überwinden, die Wirtschaft zu stärken und zu nationaler Einheit zu gelangen. Tiefgreifende politische Entscheidungen müssten hintanstehen, sagt er.

EINHEIT Ein ideologischer Dogmatiker ist er sicherlich nicht. Vor Kurzem erst gestand er ein, niemals die Möglichkeit in Betracht gezogen zu haben, mit einer arabischen Partei eine Regierung zu bilden. Doch genau das will er jetzt: Teil der geplanten »Einheitsregierung« ist die islamistische Raam unter der Leitung von Mansour Abbas. Damit wäre zum ersten Mal seit Jahrzehnten eine arabische Partei an einer israelischen Regierung beteiligt. »Ich tue es für mein Land«, rechtfertigte Bennett den Schritt gegenüber der harschen Kritik aus rechten Kreisen.

Vor nicht allzu langer Zeit hatte er Abbas noch als »Terrorunterstützer« tituliert. Allerdings habe es in seiner Wahrnehmung einen Wendepunkt gegeben. Während der arabischen Ausschreitungen in der Stadt Lod sei Mansour Abbas zu einer ausgebrannten Synagoge gegangen und habe gefragt, wie er helfen könne. »Ich sah einen guten Mann, einen mutigen Anführer«, so Bennett. »Das muss gesagt werden.«

Seine Regierung wäre die erste unter Beteiligung einer arabischen Partei.

Was geschieht, werde die Zeit zeigen, er könne bei der Regierung nichts garantieren. Doch Abbas wolle sich um die zivilen Bedürfnisse der arabischen Israelis kümmern, und das sei legitim. »Wenn man in die Koalitionsvereinbarung schaut, wird man nicht ein Wort von Nationalismus finden.« Auf die Frage, ob er nach wie vor meint, Abbas sei ein Unterstützer von Terror, antwortete Bennett knapp: »Nein.«

PROTESTE Aussagen wie diese machen seine Kritiker nur noch wütender. Seit Wochen wird Bennetts Haus von rechten Demonstranten belagert, werden sein und das Leben seiner Familie von Extremisten bedroht. Der Geheimdienst wies ihm und anderen Mitgliedern von Jamina besondere Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz zu.

»Meinen Kindern habe ich gesagt, dass ich etwas machen werde, das mich zum meistgehassten Mann Israels werden lässt«, gab er vor wenigen Tagen in einem Interview preis. Warum, habe er ihnen auch erklärt: »Ich tue es für mein Land.«

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