Alex Kessel bekam den »totalen Kulturschock«, als sie mit elf Jahren nach Israel zog. Neun Jahre lang lebte die Tochter von zwei Israelis in Tansania. »Und da ist wirklich alles anders.« In dem ostafrikanischen Land besuchte sie eine britische Schule, heute geht die 15-Jährige auf eine israelische Oberschule und wohnt in der Kleinstadt Hod Hascharon. Zwar sprach Alex dank ihrer Eltern schon bei ihrer Ankunft fließend Hebräisch, »aber Lesen und Schreiben konnte ich kaum«. Das, gibt sie zu, fällt ihr heute noch schwer und bringt sie in der Schule manchmal zum Verzweifeln.
Aber sonst gefällt ihr das Leben in Israel sehr. »Ich liebe diese Unabhängigkeit. Ich nehme einfach den Bus und treffe mich mit meinen Freunden wann ich will, wir gehen an den Strand zum Surfen oder laufen durch die Stadt. In Tansania war alles so weit voneinander entfernt, dass wir immer gefahren werden mussten. Außerdem ist es ein Dritte-Welt-Land und viel gefährlicher als Israel.« Ob sie für immer hier leben will, weiß Alex noch nicht, »vielleicht ziehe ich auch nach New York, das ist die coolste Stadt der Welt«. Aber mit den Israelis fühlt sie sich besonders verbunden. »Man kann auf der Straße mit jedem reden, das gibt es sonst nirgendwo, glaube ich. Die Leute sind so offen, und der Vibe in Israel ist wirklich richtig gut.«
chaotisch Der Soldat D. ist zwar in Israel geboren, verbrachte dann aber den Großteil seines Lebens in Berlin. Vor zwei Jahren kehrte er zurück, lebt jetzt im Kibbuz Maagan Michael und dient in einer Spezialeinheit der Armee. Die Menschen hierzulande sind wärmer und gehen netter und offener miteinander um als in Deutschland, findet er. Außerdem sei die Gesellschaft so bunt, dass man ständig interessante Menschen mit ganz besonderen Geschichten treffe. Trotzdem vermisst er seine Familie und Freunde in der alten Heimat.
An den »manchmal etwas chaotischen israelischen Alltag« musste sich D. erst gewöhnen. »Wenn da steht, der Bus kommt um 12.10 Uhr, dann kommt er in Deutschland um 12.10 Uhr. Hier wird das etwas flexibler ausgelegt«, erzählt er und schmunzelt. Was ihm nicht gar nicht gefällt, ist der Hass zwischen Israelis und Arabern, den man seiner Meinung nach oft spürt. »Das ist schade, ich wünsche mir wirklich Frieden für uns alle.«
hebräisch In wenigen Tagen feiern die Banouns ihr drittes Alija-Jubiläum. »Und das ist ein absoluter Grund zur Freude«, sagt Deborah, die Mutter der Familie. Die Banouns haben ihre schicke Wohnung in Paris, die High Heels und vielen Urlaubstage hinter sich gelassen, um sich in Israel ihr neues Zuhause aufzubauen. Deborah und Jean-Charles sind Fernsehjournalisten, die mit ihren beiden Söhnen Aron (fast 7) und Nathan (fast 5) in Tel Aviv leben und es »jeden Tag lieben«.
»Mein Mann und ich hatten schon lange von der Alija geträumt. Aber mit zwei Kindern ist man nicht kopflos und geht ohne Arbeit in ein anderes Land.« Als dann die Jobangebote des französisch-israelischen Fernsehkanals »i24news« für beide kamen, packten sie binnen sechs Wochen ihr gesamtes Leben ein und setzten sich in den Flieger. »Es war verrückt, ja, aber eine einmalige Chance«, resümiert Deborah. Heute sehen sie ihren Job nicht als Mittel zum Geldverdienen, sondern als Mission. »So
viel Falsches wird über Israel berichtet, so viel Hass verbreitet. Wir wollen dazu beitragen, ein anderes Bild zu vermitteln.«
Dass die Auswanderung die absolut richtige Entscheidung war, ist dem Ehepaar spätestens nach den blutigen Attacken in Paris klar geworden. Der Vater von Deborahs bester Freundin wurde bei dem Terrorangriff auf den Supermarkt Hyper Cacher getötet. »Der ultimative Schock.« Die Banouns haben es sich zum Ziel gesetzt, als Teil der israelischen Gesellschaft zu leben. »Wir sprechen, schreiben und lesen Iwrit, unsere Söhne gehen in israelische Schulen und Kindergärten, das ist uns wichtig.« Doch das Beste: »Wir sehen unsere Jungs lachend mit sonnengebräunten Gesichtern überall frei herumrennen, das ist wunderschön. In Frankreich ist das ganz anders, aber hier sind die Kleinen die Könige.«
alltäglich Ivgeny Jechorenko lebt in der Wüstenstadt Beer Sheva. »Es ist heiß hier«, merkt er an und lacht. Vor sechs Jahren lebte und arbeitete er noch im ukrainischen Kiew. »Und da war es kalt.« Der 54-Jährige machte allein Alija, nachdem seine Mutter gestorben war. Das Leben sei nicht immer leicht, aber definitiv besser als in der Ukraine. Es sei vor allem sein Humor, der ihm durch dunkle Zeiten helfe: »Je schwerer es wird, desto lauter lache ich.« Damit kommt er gut in seinem Freundeskreis an, den er sich in Beer Sheva aufgebaut hat.
Der politische Konflikt in Israel belastet ihn nur wenig, es sind eher die Sorgen des Alltags, die Jechorenko umtreiben. »Mal ist das Geld knapp, mal sind die Preise zu hoch und so weiter.« Dennoch ist er mit seiner Entscheidung zufrieden. »Es ist das Heimatland für Juden – also auch für mich, und das war die Ukraine sicher nicht.« Für die Zukunft wünscht er sich eine nette Frau an seiner Seite. Und auch die muss, wie er klarmacht, »in erster Linie lachen können«.
freiwillig Allein hat sich Amit Rose in Israel nie gefühlt. Denn die 20-jährige Studentin aus Herzlija brachte gleich ihre halbe Familie mit. Auch ihre Schwestern Miley und Roni studieren am Interdisciplinary Center (IDC). Amit ist in den USA aufgewachsen, ihre Eltern leben noch dort. Nach Israel wollte sie »wegen der Kultur, die einfach meine ist«.
Im Sommer beendet sie ihr Studium der Kommunikationswissenschaften und beginnt dann ihren Armeedienst – freiwillig. »Ich will hier leben, und das gehört eben dazu. Die Armee ist Teil des Deals.« Es gibt anderes, was sie nicht einfach akzeptieren will. »Dass es keine zivile Heirat gibt, zum Beispiel, ist einfach falsch.«
Dennoch fühlt sich die 20-Jährige durch und durch wohl hier. »In Amerika ist vieles so formell und ziemlich unecht, vor allem im Umgang mit Menschen. Hier ist das anders. Die Leute sind ehrlich und offen – das hat natürlich auch seine schlechten Seiten. Aber ich kann damit umgehen.« Auch sei das Leben in den USA viel vorbestimmter: Schule, College, guter Job. »Das muss alles glatt laufen, wenn man es zu etwas bringen will. In Israel zählen auch viele andere Dinge im Leben, der Druck ist lange nicht so hoch.« Eine Familie zu haben, kann sich Amit für ihre Zukunft vorstellen. »Aber wenn, dann ganz sicher hier.«