UNRWA

Ende einer Illusion

Wird von der UNRWA versorgt und gilt als Flüchtling: Junge im Gazastreifen Foto: Flash 90

Disruption in Serie. Auf diese Formel ließe sich die derzeitige Außenpolitik des US-Präsidenten Donald Trump bringen. Angefangen beim Austritt aus dem UN-Menschenrechtsrat und der UNESCO bis hin zur Verlegung der amerikanischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem sowie dem Ausstieg aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran – die Liste ist schon ziemlich lang geworden.

Und nun scheint ein weiteres Kapitel hinzuzukommen. Denn wie die Zeitschrift »Foreign Policy« jüngst meldete, plane Washington jetzt, den Palästinensern ihren Status als Flüchtlinge abzuerkennen. So habe Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn und Sonderbeauftragter für den Nahen Osten, dieses Thema bei seinen Gesprächen mit Vertretern der jordanischen Regierung im Juni angesprochen.

Das gehe aus E-Mails hervor, die der Redaktion vorliegen würden. Auf diese Weise wolle die Trump-Administration einen der zentralen Streitpunkte, an denen bisher alle Verhandlungen über einen Ausgleich zwischen Israelis und Palästinensern gescheitert waren, endgültig aus der Welt schaffen: die Flüchtlingsfrage.

Riesensummen Völlig überraschend kommt die Initiative nicht. Denn bereits im Januar hatte Trump dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten, kurz UNRWA, den Geldhahn teilweise zugedreht. »Wir geben den Palästinensern jedes Jahr Hunderte Millionen Dollar, ohne dafür einen Dank zu erhalten«, twitterte er damals. »Wenn sie keine Bereitschaft mehr zeigen, über Frieden zu reden, warum sollen wir ihnen überhaupt diese Riesensummen weiter zahlen?«

In der Tat waren die Vereinigten Staaten mit zuletzt 364 Millionen Dollar im Jahr 2017 der größte Geldgeber von UNRWA, gefolgt von der Europäischen Union mit 143 Millionen Dollar. Zwar hatten schon Trumps Vorgänger die 1949 ins Leben gerufene Organisation der Vereinten Nationen stets heftig kritisiert. Zu teuer, zu ineffizient, hieß es immer wieder. Auch konnte niemand richtig erklären, warum das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, das sich um Millionen von Flüchtlingen in aller Welt kümmert, mit 7000 Mitarbeitern auskommt, während UNRWA über 30.000 zählt und einen riesigen Etat von rund 587 Millionen Dollar hat, zu denen sich noch weitere 600 Millionen Dollar für Projekte addieren. Doch bis dato geschah nichts.

Hass Dafür aber häuften sich die kritischen Stimmen. Mitarbeiter des UN-Hilfswerks würden Hass auf Israel predigen, hieß es oft. »Trefft Tel Aviv, tötet die Juden, hahaha«, forderte beispielsweise ein Lehrer, der auf der UNRWA-Gehaltsliste steht, auf Facebook. Kein Wunder, dass Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bereits im Juni vergangenen Jahres explizit die Auflösung des UN-Flüchtlingshilfswerks gefordert hatte. Damit stand er nie allein. Auch Parteifreundin Tzipi Hotovely, stellvertretende Außenministerin, und die Knesset-Abgeordnete Einat Wilf, früher Arbeitspartei, heute Atzmaut-Partei, hatten das Thema immer wieder auf der Agenda und dürften sich jetzt wohl freuen.

Anfang der 50er-Jahre betreute UNRWA etwa 860.000 palästinensische Flüchtlinge. Heute aber alimentiert man mehr als fünf Millionen. Der Grund: Der Flüchtlingsstatus wird von Generation zu Generation weitervererbt. Hält dieser Trend an, wären in zwei Jahrzehnten womöglich schon zehn Millionen Palästinenser »Flüchtlinge«. Bis auf Jordanien verweigern alle arabischen Länder ihnen die Staatsbürgerschaft. UNRWA wird ja schon für sie sorgen – darauf spekulierten seit Jahrzehnten die Verantwortlichen in Beirut, Bagdad oder Damaskus.

Auch ist das Hilfswerk zu keiner Zeit mit Initiativen aufgefallen, an diesem Zustand irgendetwas zu ändern. »Deshalb ist UNRWA nichts anderes als eine Flüchtlingsfabrik«, erklärte denn auch Yair Lapid, Vorsitzender der zentristischen Partei Jesch Atid. Elad Strohmayer, Sprecher der israelischen Botschaft in Washington, sagte gegenüber Foreign Policy: »Wir glauben, dass UNRWA von der internationalen Bühne verschwinden sollte, weil diese Organisation stets gegen Israel agitiert und das Flüchtlingsproblem nur verewigt hat.«

Und erst im Oktober hatte Danny Danon, Israels Vertreter bei den Vereinten Nationen, die Tatsache kritisiert, dass die Hamas oder der Islamische Dschihad immer wieder Einrichtungen des UN-Flüchtlingshilfswerks zur Tarnung benutzen. »Beispielsweise gingen Terrortunnel von Schulen aus, die zur UNRWA gehören.«

Friedensplan »Es ist wichtig, einen ernsthaften und wirklichen Vorstoß zu unternehmen, der UNRWA ein Ende zu bereiten«, sagte Kushner. »Unser Ziel kann es nicht sein, alles wie bisher einfach weiterlaufen zu lassen ... Manchmal muss man strategisch etwas riskieren und Dinge zerstören, um an sein Ziel zu gelangen.«

Der amerikanische Vorstoß scheint Teil des Friedensplans für den Nahen Osten zu sein, über den seit Monaten viel geredet wird, über den aber nichts Konkretes bekannt ist. Und mit der Aberkennung des Flüchtlingsstatus der Palästinenser geht man quasi vorab ans Eingemachte.
Palästinenser benutzen den Flüchtlingsstatus als Joker, um Verhandlungen platzen zu lassen.

Wenig überraschend, zeigten sich Vertreter der Palästinenser entsetzt. »All das dient letztendlich der Liquidierung des Themas palästinensische Flüchtlinge«, brachte es Saeb Erekat, Chefunterhändler der Autonomiebehörde in Ramallah, auf den Punkt. Und das kann weder sie noch die in Gaza regierende Hamas wollen.

Denn ihr Status war schon immer der Joker, der in der Vergangenheit bei jeder Verhandlungsrunde aus der Tasche gezogen wurde, um Kompromisse zu blockieren und auf Maximalforderungen zu bestehen. »Aber die Flüchtlinge müssen zurückkehren«, lautete das Mantra – wohl wissend, dass Israel dieser Forderung niemals nachkommen kann, weil damit der jüdische Staat aufhören würde zu existieren.

Zugleich wurde damit die Illusion gepflegt, der Status von vor 1948, dem Jahr der Staatsgründung Israels, ließe sich irgendwie wiederherstellen. Und das UN-Hilfswerk hat nicht ohne Hintergedanken fleißig dazu beigetragen, diese aufrechtzuerhalten. Schließlich müsste man sich ja selbst auflösen, wenn die Flüchtlinge einfach nur Bürger der Länder wären, in denen sie seit nunmehr über vier Generationen leben.

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