Kriegskabinettsminister Gadi Eizenkot hat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu offen attackiert. Die Verantwortung für das Versagen Israels, seine Bürger am 7. Oktober zu schützen, liege »klar und deutlich« beim Ministerpräsidenten, sagte der General in einem Interview mit der Investigativ-Sendung »Uvda« des israelischen Channel 12, aus dem mehrere israelische Medien zitieren.
Wenn es um Informationen gehe, stehe »der Ministerpräsident an erster Stelle. Er wird sowohl von den IDF als auch vom Shin Bet in Kenntnis gesetzt. Ich weiß, dass er am Bau des Zauns und an anderen Dingen beteiligt war. Er trägt eine klare und deutliche Verantwortung. Die Verantwortung muss nicht übernommen werden, sie liegt vor«.
Netanjahu und andere Spitzenbeamte haben es bisher vermieden, Verantwortung zu übernehmen und dafür andere beschuldigt, immer mit dem Hinweis, dass die Ursachen für das Versagen nach dem Krieg untersucht werden sollten.
Eizenkots Sohn ist in Gaza gefallen
Eizenkot ist pensionierter Generalstabschef und ein nicht stimmberechtigtes Mitglied des fünfköpfigen israelischen Kriegskabinetts. Nach dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober wurde er von einer Oppositionsfraktion in die israelische Notstandsregierung unter Premier Netanjahu berufen.
Eizenkots Worte haben für die israelische Bevölkerung zusätzliches Gewicht, da sein 25-jähriger Sohn, Gal Meir Eizenkot, und ein Neffe im Dezember beim Einsatz im Gazastreifen getötet wurden. Dass Netanjahus Sohn Yair nach Ausbruch des Krieges vorerst in Florida geblieben ist, hat bei Reservisten für Unmut gesorgt. Eingezogen wurde er nicht.
»Die Mission besteht darin, Zivilisten zu retten, und nicht darin, einen Feind zu töten«
Gadi Eizenkot
Eizenkot sagte in dem Interview auch, dass das Kriegskabinett ein Präventivschlag auf Libanon habe verhindern können, den er für einen »strategischen Fehler« gehalten habe, denn genau das sei Hamas-Anführer Sinwars Plan gewesen.
Gleichzeitig sagte er für israelische Verhältnisse ungewöhnlich offen, dass Israel seine militärischen Ziele im Gazastreifen noch nicht vollständig erreicht habe. Es fehle der israelischen Führung eine Vision für die Beendigung des Krieges in Gaza und das Danach.
»Die Mission besteht darin, Zivilisten zu retten, und nicht darin, einen Feind zu töten«, griff er Netanjahu und dessen Regierung weiter an. Der Ministerpräsident hat gerade verkündet, dass der Krieg noch vier Monate dauern werde. Nur ein Abkommen mit der Hamas könne die Freilassung weiterer Geiseln sicherstellen, so Eizenkot.
Nicht wie Entebbe
Schließlich zog er auch noch einen Vergleich zur Rettungsaktion 1976 in Entebbe, als ein israelisches Sonderkommando Menschen an Bord einer von deutschen und palästinensischen Terroristen entführten Air-France-Maschine mit mehr als hundert überwiegend israelischen Passagieren in Uganda befreite. Etwas Vergleichbares werde »nicht stattfinden«, da die Geiseln in Gaza verstreut und größtenteils im Untergrund festgehalten würden, so Eizenkot.
Auch die Erwähnung Entebbes richtet sich gegen Netanjahu, dessen Bruder damals die Befreiungsaktion leitete und dabei ums Leben kam. Auf diese existenzielle Erfahrung hat Benjamin Netanjahu immer wieder verwiesen, während er sich der israelischen Bevölkerung als Garant für Sicherheit darstellt.
Eizenkot drängte in dem einstündigen Interview auf Neuwahlen »innerhalb weniger Monate«, da das Vertrauen der Öffentlichkeit in die israelische Regierung zutiefst erschüttert sei. So sehr, dass er sogar Wahlen mitten im Krieg für richtig hält. sal