Die umfassende Impfkampagne gegen das Coronavirus in Israel verliert an Geschwindigkeit. Doch nicht etwa, weil die Impfstoffe fehlen würden. Es mangelt an Menschen, die willens sind, sie sich verabreichen zu lassen. Der Gesundheitsversorger Clalit gab an, dass er in den vergangenen Tagen mehr als 1000 Dosen entsorgen musste, weil nicht genug Leute in die Zentren kamen.
Das Mittel von Biontech-Pfizer verfällt schnell, nachdem es aus den speziellen Gefrierschränken genommen wird, in denen es bei extremen Temperaturen gelagert wird.
WILLEN Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden am Montag landesweit 87.000 Israelis geimpft, während es in der vergangenen Woche im Durchschnitt 150.000 täglich waren. Mittlerweile sind in Israel mit der ersten Dosis nahezu 35 Prozent geimpft, vollständig immunisiert sind fast 20 Prozent der Bevölkerung. Der Wille zur Impfung sei in den arabischen und ultraorthodoxen Gemeinden allerdings wesentlich geringer als beim Rest der Bevölkerung, gibt das Ministerium an.
Derzeit werden nach dem Plan des Gesundheitsministeriums die 35-Jährigen sowie die 16- bis 18-Jährigen zur Immunisierung eingeladen. Doch nach Angaben aus Regierungsquellen könnte die Impfung noch in dieser Woche für alle Altersgruppen geöffnet werden.
»Wir schicken Nachrichten auf Facebook und SMS, in denen wir alle aufrufen, zum Impfen zu kommen.«
Calanit Kay (Gesundheitsversorger Clalit)
Einem Bericht im Fernsehkanal zwölf zufolge falle es den Gesundheitsversorgern immer schwerer, Leute zu finden, die sich gegen das Coronavirus immunisieren lassen wollen. Obwohl sowohl die Versicherer Clalit als auch Meuchedet nach eigenen Angaben Textnachrichten an all ihre Mitglieder geschickt hätten, dass sie in die Zentren kommen sollen, um sich die Spritze setzen zu lassen. Sogar dann, wenn sie nicht in die Altersgruppen fallen, die derzeit eigentlich geimpft werden.
»Wir sehen in den letzten Tagen, wie die Impfkampagne langsamer wird, weil die Zahl der Leute, die eine erste Impfung bekommen wollen, zurückgeht. Wir schicken Nachrichten auf Facebook und SMS, in denen wir alle aufrufen, zum Impfen zu kommen«, berichtete Calanit Kay, die für die Impfaktion bei Clalit zuständig ist, im Fernsehinterview.
MOTIVATION »Einst fehlte uns der Impfstoff«, führte ein offizieller Vertreter von Clalit aus, »jetzt fehlen uns die Leute, die sich impfen lassen wollen. Es gibt einen dramatischen Rückgang beim Interesse«. Der Mangel an Motivation seitens der Bevölkerung in Israel steht den Millionen gegenüber, die in anderen Ländern, auch in Deutschland, dringend auf eine Impfung warten.
Einige wollen jetzt zu extremen Mitteln greifen. So erklärte der Bürgermeister der Stadt Lod, Yair Revivo, dass er allen, die sich nicht impfen lassen, städtische Dienste verweigern wolle. »Es wird Sanktionen geben«, sagte er in einem Facebook-Livestream. Unter anderem dürften die Unwilligen nach seinen Vorstellungen weder einkaufen gehen noch ihre Kinder in Schulen oder Kindergärten schicken. Dass Revivos Plan in die Tat umgesetzt wird, ist allerdings unwahrscheinlich, denn er ist weder legal noch mit der Regierung abgestimmt.
FLUGHAFEN Derweil befindet sich Israel in der vierten Woche des nationalen Lockdowns. Am Freitagmorgen soll die Maßnahme eigentlich enden, doch Vertreter des Gesundheitsministeriums erwarten, dass dies voraussichtlich nicht geschehen wird. Auch die komplette Schließung des internationalen Flughafens wurde am Montag um eine weitere Woche verlängert.
Der stellvertretende Gesundheitsminister Yoav Kisch (Likud) ließ wissen, dass die Regierung bereits jetzt mit dem Gedanken spielt, die Abriegelung des Landes auszudehnen. »Wenn wir keinen Rückgang der ernsthaft kranken Patienten in den Hospitälern sehen, ist es durchaus möglich, dass der Lockdown weitergeht.«