Show

Eine Geschichte der Hoffnung

Ihr Spiel ist ein durchschlagender Erfolg in der ganzen Welt. »Eine wundervolle Performance«, bescheinigte ihr Dirigent Zubin Mehta. Der israelische Staatspräsident Schimon Peres bezeichnete sie als »gigantische Errungenschaft«. Nun kommt die berühmte israelische Konzertpianistin Astrith Baltsan mit ihrem Programm »Hatikvah« zum ersten Mal nach Deutschland. Keren Hayesod lud sie ein, in fünf Städten aufzutreten.

Noch sind die Koffer in ihrer Wohnung im Norden Tel Avivs nicht gepackt, doch Baltsan ist schon jetzt aufgeregt wegen der bevorstehenden Reise. Das letzte Mal sei sie in den frühen 90er-Jahren in Deutschland gewesen und habe Bach, Beethoven und Co. im Repertoire gehabt. Doch nun sei es etwas völlig anderes: »Denn ich komme mit einer ungewöhnlichen Vorführung – der zionistischsten, die es nur geben kann. Ich bin mir sicher, dass es sehr emotional werden wird.«

Seit mehr als 23 Jahren ist die Musikerin mit ihrem Programm »Klassik mit einem persönlichen Ausblick« in Israel und der ganzen Welt beliebt. Doch »Hatikvah« (Hebräisch für »Hoffnung«) liegt ihr ganz besonders am Herzen.

Halb-Halb Die Multimedia-Show handelt von der »fast unglaublichen Geschichte der Nationalhymne des jüdischen Volkes«, wie Baltsan erklärt. »Es ist die Essenz des Judentums, des Zionismus, und mehr als alles andere ist es die Geschichte über das Heimkehren nach Israel.« Doch nicht alles ist so einfach mit dem Lied, das heute die Nationalhymne des Staates ist. Nahezu ein Jahrzehnt widmete Baltsan der intensiven Recherche, um der Historie dieses bedeutenden Stückes auf die Spur zu kommen.

An Theorien zur Entstehung mangelt es nicht. Die Künstlerin entwickelte ihre eigene: »Die Halb-Halb-Theorie ist von mir«, erklärt sie, und ihre Augen funkeln verschwörerisch. »Die eine Hälfte der Hatikwa stammt von einem 600 Jahre alten sefardischen Gebet aus Toledo, die andere ist Volksmusik der Sinti und Roma.«

»Im Allgemeinen ist ›Halb-Halb‹ in gewisser Weise das Schicksal des Judentums, beispielsweise durch die Teilung des Landes in Israel und Juda zu biblischer Zeit, die Sefarden und die Aschkenasen und vieles andere mehr«, ist sie überzeugt. Auch für sie persönlich habe die Arbeit an »Hatikvah« eine Art Teilung mit sich gebracht. »Ich bin immer noch klassische Pianistin und spiele Brahms, Haydn und Beethoven, doch die andere Hälfte ist eine sehr patriotische Israelin, die voll Stolz die zionistischen Lieder singt.«

Emotionen 2009 veröffentlichte die Musikerin gemeinsam mit dem Bildungsministerium das Buch Hatikvah, das heute zur Standardlektüre an Schulen gehört. Nach einer Vorführung vor dem Premierminister und dem Bildungsminister seien »alle in Tränen aufgelöst« gewesen. »Da habe ich gemerkt, dass man die Emotionen, die die Hatikwa auslöst, nicht nur in einem Buch ausdrücken kann. Das war der Anfang meiner Aufführungen zu diesem Thema.«

Fortan durchsuchte die Künstlerin das gesamte Internet und Archive weltweit nach weiteren Medien. Und sie wurde fündig: Filmaufzeichnungen von jüdischen Kindern in Ungarn, die die Hatikwa sangen, Überlebende des Holocaust, die auf dem Weg in ein Internierungslager auf Zypern damit ihren Protest ausdrückten und – wohl der bewegendste Beleg – die Überlebenden des Konzentrationslagers Bergen-Belsen, die nach der Befreiung gemeinsam die emotionalen Zeilen sangen.

»Nach dieser ganzen Tragik konnten wir als jüdisches Volk einfach nichts anderes singen«, meint Baltsan. »Es ist das eine Lied der großen Hoffnung, in die Heimat der Juden zu gelangen.«

Umstritten Dennoch war die Hatikwa nicht unumstritten. Bis zum Jahr 2004 war das Stück nicht offiziell als Nationalhymne bestätigt. Der Grund war hauptsächlich der eine Vers, dass »die jüdische Seele diese Worte voll Leidenschaft singt«. Ein Affront gegen die Minderheiten im Land, Araber, Drusen, Christen, wie Baltsan bestätigt, die immerhin in Israels Parlament, der Knesset, vertreten sind. Erst ein drusischer Abgeordneter im Komitee gab schließlich sein Okay, »weil die Hatikwa auch Hymne seines Heimatdorfes Daliat al-Karmel ist«, erläutert Baltsan. »So unwahrscheinlich das auch klingen mag.«

Es gibt viele Geheimnisse und Überraschungen mehr in der faszinierenden Show der außergewöhnlichen Künstlerin, die »Hatikvah« ihrem Vater, dem Journalisten Hayim Baltsan, gewidmet hat. »Er hat mich inspiriert, jüdische Musik zu erforschen und zu spielen, von meinem Elfenbeinturm der Klassik herunterzuklettern. Das alles hat mich noch mehr mit der Geschichte meiner Vorväter verbunden. Deshalb ist ›Hatikvah‹ in seinem Gedenken entstanden.«

Bei der Aufführung von Astrith Baltsan bleibt es nicht beim bloßen Vorspielen der Musik und dem Zeigen von Filmen. Das Publikum singt mit. »Darauf bestehe ich«, sagt sie und schmunzelt. »Und ich bin mir sicher, dass das in Deutschland ein ganz besonderer Moment werden wird.«

Deutschland-Termine der Show:
13. Oktober, Berlin, Crowne Plaza, Nürnberger Straße 65, 19.00 Uhr
14. Oktober, Frankfurt/Main, Ignatz Bubis Gemeindezentrum, Savignystraße 66, 19.00 Uhr
15. Oktober, Düsseldorf, Jüdische Gemeinde, Zietenstraße 50, 19.00 Uhr
16. Oktober, Hamburg, Synagoge, Hohe Weide 34, 19.30 Uhr
17. Oktober, München, Jüdisches Gemeindezentrum, St.-Jakobs-Platz 18, 19.30 Uhr

Anmeldung bei Sergei Tcherniak von Keren Hayesod: Tel. 0157 / 862 56 320
E-Mail serget@keren-hayesod.de

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