Geisel-Deal

»Ein Schimmer der Hoffnung, aber wir bleiben vorsichtig«

Kundgebung für die Hamas-Geiseln in Tel Aviv Foto: copyright (c) Flash90 2024

Kurz vor der Amtseinführung des künftigen US-Präsidenten Donald Trump ist ein Deal über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln aus der Gewalt der islamistischen Hamas angeblich zum Greifen nahe. »Wir stehen kurz vor einer Einigung und sie kann noch diese Woche zustande kommen«, sagte der Sicherheitsberater des am kommenden Montag aus dem Amt scheidenden US-Präsidenten Joe Biden, Jake Sullivan.

Dem US-Sender CNN zufolge sollen heute in Katars Hauptstadt Doha letzte noch offene Fragen geklärt werden. US-Außenminister Antony Blinken wird laut der US-Nachrichtenseite »Axios« zugleich einen Plan für den Wiederaufbau und die Verwaltung des in weiten Teilen zerstörten Küstengebiets nach dem Kriegsende vorlegen.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu will örtlichen Medien zufolge ebenfalls heute Angehörige der Geiseln treffen. »Die Berichte, die auf eine mögliche Einigung über die Freilassung unserer Angehörigen hindeuten, sind ein Hoffnungsschimmer, aber wir bleiben vorsichtig«, erklärte das Forum der Geiselfamilien.

Waffenruhe soll 42 Tage dauern

Laut israelischen Medien wurde in Doha ein Drei-Stufen-Plan für eine Waffenruhe ausgearbeitet. Eine Einigung könne heute bekanntgegeben werden. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es allerdings nicht.

Laut dem israelischen TV-Sender Channel 13 sieht der Plan in einer ersten Phase eine Kampfpause von 42 Tagen vor. In der Zeit sollen 33 Geiseln freigelassen werden, von denen die meisten noch am Leben seien, während es bei den anderen um die Übergabe der Leichen gehe, hieß es.

Die israelische Seite werde bis zur Freilassung nicht wissen, welche der Geiseln lebend zurückkommen. Es handele sich um Frauen, darunter Soldatinnen, zwei Kinder, Menschen über 50 sowie Verletzte und Kranke.

Freilassung von 1000 Häftlingen

Im Gegenzug sollten 1000 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freigelassen werden, hieß es. Israels Armee werde sich außerdem nach und nach aus bewohnten Gebieten des Gazastreifens und schließlich auch aus dem Philadelphi-Korridor entlang der Grenze zu Ägypten zurückziehen.

Ferner sollen demnach die in den Süden des abgeriegelten Küstenstreifens geflohenen Einwohner unter internationaler Aufsicht in ihre Wohngebiete im Norden zurückkehren dürfen. Laut US-Medienberichten wird Israel zunächst Pufferzonen entlang seiner östlichen und nördlichen Grenze zum Gazastreifen aufrechterhalten.

Verhandlungen über die zweite Phase - die den Krieg beenden soll - würden am 16. Tag der Umsetzung des Abkommens beginnen, berichtete CNN. Die Hamas habe ein wichtiges Zugeständnis gemacht, indem sie mündliche Garantien der USA, Katars, Ägyptens und der Türkei akzeptiert, dass Israel die Verhandlungen darüber fortsetzt, erfuhr das »Wall Street Journal« aus Vermittlerkreisen.

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Alternative Regierung ohne Beteiligung der Hamas

Dabei soll es laut israelischen Medien auch um den Abzug der Armee aus ganz Gaza gehen. Die dritte Phase eines möglichen Abkommens soll schließlich einen Wiederaufbau des weitgehend zerstörten Gazastreifens und eine alternative Regierung ohne Beteiligung der Hamas vorsehen.

Wie die US-Nachrichtenseite »Axios« unter Berufung auf drei US-Beamte berichtete, sieht der Nachkriegsplan der USA einen Regierungsmechanismus unter Beteiligung der internationalen Gemeinschaft und arabischer Länder vor. Diese könnten auch Truppen nach Gaza entsenden, um die Sicherheitslage zu stabilisieren und humanitäre Hilfe zu leisten.

Außerdem müsse die im Westjordanland regierende und von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas geführte Palästinensische Autonomiebehörde (PA) an einer Regierung beteiligt werden. Die PA solle nach dem Willen der USA zuvor reformiert werden.

Trump-Effekt funktioniert

Hoffnungen auf eine abschließende Einigung über eine Waffenruhe haben sich bei den zähen Verhandlungen bisher immer wieder zerschlagen. Doch nun zeige der »Trump-Effekt« Wirkung, zitierte das »Wall Street Journal« einen israelischen Beamten.

Der designierte US-Präsident hatte in der vergangenen Woche gesagt, wenn die Geiseln nicht bis zu seiner Amtseinführung am 20. Januar frei seien, werde im Nahen Osten »die Hölle losbrechen, und das wird nicht gut für die Hamas sein, und es wird – offen gesagt – für niemanden gut sein«.

Bidens Sicherheitsberater Sullivan, sagte dazu jetzt in Washington, über die Hamas breche faktisch schon »seit 14 Monaten« die Hölle herein. Er warf die Frage auf, was es konkret bedeute, den militärischen Druck auf die Hamas noch weiter zu erhöhen. »Die Israelis haben ihre militärischen Strukturen zerschlagen, ihre oberste Führung ausgeschaltet und ihre militärischen Fähigkeiten in erheblichem Umfang zerstört«, sagte Sullivan.

Bericht: Hamas baut sich neu auf

Nach Informationen des »Wall Street Journal« soll jedoch Mohammed al-Sinwar dabei sein, die Hamas in Gaza wieder aufzubauen. Er ist der jüngere Bruder des am 16. Oktober von Israels Armee getöteten Hamas-Chefs in Gaza, Jihia al-Sinwar. Der Krieg habe eine neue Generation von willigen Kämpfern hervorgebracht und den Gazastreifen mit nicht explodierten Sprengkörpern übersät, die zu improvisierten Bomben umgebaut werden könnten, hieß es in dem Bericht.

Die Hamas stelle sich unter Führung Mohammed Sinwars schneller wieder auf, als Israels Armee sie Stück für Stück auslösche, sagte Amir Avivi, ein pensionierter israelischer Brigadegeneral, der US-Zeitung. »Wir arbeiten hart daran, ihn zu finden«, wurde ein ranghoher Vertreter des israelischen Einsatzkommandos in Gaza zitiert. ja/dpa

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