Rosch Haschana

Die Bienenhelden

Vorsichtig klopft Doreet Avni an das Häuschen. Geschäftiges Brummen tönt nach draußen. Doch Avni benutzt nicht ihre Finger, um sich anzukündigen, Rauch ist ihre Begrüßung. Avni ist Wissenschaftlerin und Bienenspezialistin, die kleine Hütte ein Bienenstock. Auf den Feldern im Moschaw Avigdor stehen viele der weißen Kästen. Doch die Imkerei Kanot ist keine gewöhnliche. Hier ist das Zuhause des Start-ups BeeHero. Das Unternehmen will die Bienen vor dem Aussterben retten – mit modernster Technologie.

Es ist drückend heiß an diesem Septembertag in Israels Süden. »Auch die Bienen leiden unter der Hitze«, sagt Avni und schmunzelt. Deshalb halten sich viele außerhalb der Stöcke auf. Tatsächlich wuseln Dutzende oder sogar Hunderte um den Eingang herum. Vorsichtig öffnet die Wissenschaftlerin in ihrem weißen Imker-Schutzanzug den Deckel und räuchert noch einmal. Das Brummen und Summen wird lauter. »Sie wissen, dass jemand gekommen ist, und sind damit beschäftigt, ihre Bäuche mit Honig zu füllen, um ihn in Sicherheit zu bringen.«

WABEN Vorsichtig zieht sie einen der Rahmen mit den honiggolden schimmernden Waben aus der Halterung, obendrauf ein Plastikknopf in den symbolischen Farben Gelb und Schwarz. Es ist der Sensor von BeeHero, den Bienenhelden. Dieser unscheinbare Sensor soll das Überleben der Insekten sicherstellen. »Denn mit dieser Technologie kann kein Imker oder Bienenexperte mithalten«, sagt Avni.

Die Leiterin der Bioforschung des israelischen Unternehmenszweigs erklärt: »In Kalifornien gibt es während der Zeit der Mandelbaumbestäubung um die 2,5 Millionen Bienenstöcke. Um sie zu überwachen, müssten die Imker jeden einzelnen Rahmen in einem Stock manuell herausnehmen und begutachten. Bei den Ausmaßen der heutigen Landwirtschaft geschieht das selbstverständlich nur bei einem Bruchteil, weniger als zehn Prozent.« Vor BeeHero habe es keine andere Möglichkeit gegeben, Bienenstöcke zu kontrollieren, »denn alles geschah manuell«.

Die Mission, die sich BeeHero dabei auf ihre Fahnen geschrieben hat, ist keine geringe: »Unser Ziel ist es, die Nahrungsmittelversorgung der Welt durch die Rettung von Bienen zukunftssicher zu machen. Wir kümmern uns um die nützlichen Insekten, sorgen dafür, dass sie nachhaltig in Bienenstöcken gehalten werden, und bieten präzise Bestäubungsdienste an«, fasst es der Vize-Präsident für globale Strategie, Eytan Schwartz, zusammen.

GEFÄHRDUNG Itai Kanot, Imker in zweiter Generation der größten privaten Imkerei des Landes, wuchs mit Bienen auf. Er kennt die kleinen Tierchen genau, ihre Bedeutung, Fähigkeiten, die Gefährdungen ihres Fortbestands, und hatte eine Idee, wie man das Bienensterben stoppen könnte. Gemeinsam mit Omer Davidi, dem heutigen Geschäftsführer und Veteranen der israelischen Start-up-Szene mit Verständnis für die Anwendung von Technologie zur Lösung komplexer Probleme, und Yuval Regev, Leiter für Technologie, gründete er 2017 BeeHero.

Die Mission ist keine geringe: die Bienen retten und die Nahrungsmittel der Welt sichern.

Bis heute haben Investoren 65 Millionen Dollar eingebracht. In den USA, Australien und Israel ist BeeHero bereits kommerziell erfolgreich. Europa soll der nächste Markt sein. Rund die Hälfte der 65 Angestellten arbeitet in Tel Aviv, wo geforscht und entwickelt wird, die andere Hälfte in Fresno, USA, wo Be- und Vertrieb abgewickelt werden.

Das Unternehmen verfügt mittlerweile über das größte Datenvorkommen zu Bienen weltweit und avancierte mit mehr als 200.000 verwalteten Bienenstöcken auf fünf Kontinenten zum größten Anbieter für Präzisionsbestäubung. Wegen der bahnbrechenden Technologie wurde es auf die »CNBC Disruptor 50 List« des Jahres 2023 aufgenommen und von der »New York Times« 2022 mit dem »Good Tech Award« ausgezeichnet. In Israel steht das Unternehmen auf Platz drei der Globes-Liste der am schnellsten wachsenden Firmen des Landes.

nutzpflanzen »Um nachvollziehen zu können, was BeeHero tut, muss man zunächst verstehen, wie wichtig die kleinen Brummer für unsere Welt und die Menschheit sind«, erklärt Schwartz: »Etwa 75 Prozent der Nutzpflanzen der Welt hängen von einem einzigen Bestäuber ab – der Honigbiene. Ohne sie gäbe es keine Nahrung.«

Und als ob das nicht genug sei, bemüht er Albert Einstein, der 1949 gesagt haben soll: »Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr.« Eine Alternative zur Bestäubung durch Bienen, so Schwartz, gebe es nicht. Aber sehr viele Herausforderungen.

Denn in der modernen, kommerziellen Landwirtschaft besteht immer größerer Bedarf an Bestäubungen durch immer mehr Felder voller Nutzpflanzen. Diesem steigenden Bedarf steht der Rückgang der Bienenvölker gegenüber. Eine Gleichung, die nicht aufgeht. »Colony collapse disorder« (CCD) bezeichnet das Phänomen des schlagartigen Verschwindens von Bienenvölkern, das in Nordamerika begann. Heute sterben jährlich weltweit zwischen 40 und 50 Prozent aller Bienen. Eine
schreckenerregende Zahl.

monokultur Die Gründe für CCD seien vielfältig, erklärt Schwartz. Zum einen verursache die zunehmende Monokultur einen Mangel an Nahrungsvielfalt, die für Bienen lebenswichtig ist. Der Einsatz von Pestiziden und Insektiziden, Umweltverschmutzung sowie Schädlinge, die durch den Transportverkehr entstehen, täten ihr Übriges.

Und genau da kommen die Bienenhelden zum Einsatz: Das datengesteuerte Tool misst das allgemeine Wohlbefinden der Bienen rund um die Uhr. Jeder Bienenstock erhält einen Sensor, der Daten sammelt, die in einer Cloud analysiert werden.

»Und die Erkenntnisse, die wir daraus erhalten, leiten wir an die Imker weiter«, so Technologiechef Regev. Was sich relativ simpel anhört, sei in der Tat allerdings kompliziert. »Denn wir müssen die Kommunikation der Bienen übersetzen und an den Imker geben, damit der etwas unternehmen kann, bevor das Volk kollabiert.«

KÖNIGIN Ein Beispiel: Die Bienen kommunizieren untereinander, dass eine Königin fehlt oder der Stock zu voll ist. »Unsere Technologie ist so etwas wie eine Biene innerhalb der Kolonie, die uns übermittelt, was sie gehört hat.« Neben der Kommunikation zwischen den Insekten sammelt BeeHero auch andere Daten, etwa Temperatur, Feuchtigkeit und Lichtverhältnisse im Bienenstock.

Darüber hinaus spielen Parameter der externen Umgebung eine Rolle, etwa die Vielfalt der Pflanzen oder die Wetterverhältnisse. Alle Daten würden in einen komplexen Algorithmus gespeist, der schließlich die Maßnahmen zur Lösung des Problems vorschlägt. Regev: »Die können dann so simpel sein, wie ›Königin einsetzen‹ oder bei Überfüllung ›Bienenstock um ein weiteres Stockwerk vergrößern‹.«

Dank BeeHero muss der Imker also nicht mehr persönlich auf den Feldern in jeden einzelnen Bienenstock schauen, um zu verstehen, wie es seinen Honigsammlern geht. Er bemüht dafür einfach seine Applikation von BeeHero, denn jeder Sensor ist mit dem Internet verbunden und schaut in Echtzeit, wie es ihnen geht. Ohne notwendige Eingriffe der Imker sei es wahrscheinlich, dass die Kolonien zusammenbrechen, resümiert Regev. »Entweder verlassen die Insekten den Stock, oder sie sterben. Der Imker verliert eine Menge Geld, die Menschheit eine Menge Bienen.«

verbesserung Jeder Bienenstock ist mit mehreren Einzelrahmen gefüllt, in denen die Bienen ihre Brut haben und Honig produzieren. Je mehr Rahmen, desto stärker die Kolonie. Die durchschnittliche Größe der von BeeHero verwalteten Kolonien im Jahr 2023 betrug knapp elf Rahmen, 40 Prozent über dem Branchendurchschnitt. Außerdem schaffte es die Technologie des israelischen Start-ups, das Bienensterben von bis zu 50 auf 27 Prozent jährlich zu reduzieren. Eine dramatische Verbesserung. Aber noch nicht genug – das wissen die Erfinder, und sie arbeiten fieberhaft daran, das Bienensterben weiter einzudämmen.

Der Sensor ist so etwas wie eine Biene, die übermittelt, was sie in der Kolonie gehört hat.

Die Imker erhalten die Technologie von BeeHero übrigens kostenlos. Das Geld nimmt das Unternehmen von den Anbauern ein, die Bienen zur Bestäubung brauchen und diese über das Unternehmen bestellen. Es liefert dann nicht nur die Insekten selbst, sondern auch einen ausgeklügelten Plan, wie viele Bienenstöcke benötigt werden und wo genau sie in den Feldern oder Obstgärten aufgestellt werden müssen.

überwachung Dafür gebe es exakte Schlüssel entsprechend der Pflanzenart, der Enge der Pflanzung und Ähnlichem. Eine neue Technologie der Firma ist die Überwachung innerhalb der Felder. Denn auch da gilt es viele Daten zu sammeln, die für die Bienen wichtig sind.

Den israelischen Bienenhelden liegt das Wohlbefinden der schwarz-gelben Insekten offenkundig am Herzen. Vorsichtig schiebt Avni die einzelnen Rahmen auseinander, um den herausgezogenen wieder einzufügen, und schließt den Deckel. Sanft klingt das Gebrumme durch die Lüfte. Wer die Bienensprache versteht, kann ein leises »Auf Wiedersehen« hören.

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