Die erste Auslandsreise außerhalb von Europa führte den neuen Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) nach Israel im Rahmen des Jubiläums 60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Sein Amtskollege, der israelische Außenminister Gideon Sa’ar, nannte dies auf der Pressekonferenz am Sonntag »einen Beweis für die strategischen Beziehungen zwischen unseren Ländern«. Wadephul traf sich auch mit Premierminister Benjamin Netanjahu.
»Israel und Deutschland verbindet eine einzigartige Freundschaft«, begann er seine Rede. Er sei »zutiefst dankbar, dass er 80 Jahre nach dem Menschheitsverbrechen des Holocaust den Weg der Versöhnung zwischen unseren Ländern und den Menschen gehen durfte«. Der Bundesaußenminister hatte auch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besucht.
»Mit Entsetzen und Scham stehe ich hier als Außenminister Deutschlands«, schrieb er in das Gästebuch. Die Monstrosität der Schoa sei »in deutscher Sprache befohlen, von Deutschen geplant, von Deutschen ausgeführt worden«. Daher sei es »unsere und meine bleibende Verantwortung, für dieses von Deutschland begangene, unermessliche Unrecht das Bewusstsein aufrechtzuerhalten und gegen Antisemitismus aufzustehen«.
Wadephul betonte, dass unter den Geiseln auch deutsche Staatsangehörige sind.
Der Außenminister bekräftigte dabei die Doktrin, die die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel 2008 mit den Worten definierte: »Die Existenz Israels und seine Sicherheit ist Teil der deutschen Staatsräson.« Wadephul erklärte, »heute stelle ich mich voll in diese Tradition und gebe dasselbe Bekenntnis für mich und die Bundesrepublik ab«. Er führte weiter aus: »Das heißt, dass Deutschland bei jeder Gefahr und der Infragestellung der Existenz Israels klar an der Seite Israels steht. Dass Deutschland jeden notwendigen Beitrag leistet, damit Israel sich und seinen Staatsbürgern Sicherheit gewähren und sich gegen den Terror der Hamas oder der Hisbollah oder der Huthi verteidigen kann.«
»Klarheit, Härte und Konsequenz«
Dies heiße aber nicht, »dass Kritik am Verhalten oder Äußerungen von Personen, Parteien oder auch der Regierung verboten wären«. Das gelte selbstverständlich für beide Richtungen und werde auch von niemandem in »unseren freiheitlichen und demokratischen Systemen« angezweifelt. Gleichsam dürfe jede noch so berechtigte Kritik niemals zu Antisemitismus oder Judenfeindlichkeit führen. Die Bundesregierung werde sich dem mit »Klarheit, Härte und Konsequenz« entgegenstellen.
Der Bundesaußenminister verurteilte den »brutalen Angriff der Hamas am 7. Oktober auf das Schärfste« und unterstütze Israel dabei, seine Sicherheit zu gewährleisten. Er forderte auch die sofortige Freilassung aller Geiseln. Unter ihnen sind deutsche Staatsangehörige, »denen Deutschland verpflichtet« sei. Am Tag zuvor hatte Wadephul Angehörige von Verschleppten getroffen.
Er betonte, dass Deutschland für einen Waffenstillstand eintrete. Er sei nicht sicher, ob ohne diesen »alle strategischen Ziele Israels erreicht werden können und ob dies langfristig der Sicherheit Israels dient«. Wadephul betonte nochmals, dass die Bundesregierung an Israel appelliere, »wieder in ernsthafte Verhandlungen über einen Waffenstillstand einzutreten«.
»Beim Kampf gegen Terror tatkräftig unterstützen«
Er gehe nicht davon aus, dass sich dieser Konflikt dauerhaft militärisch lösen lassen werde. Allerdings sehe er es gleichwohl als notwendig an, dass die »Hamas entwaffnet wird«. Israel habe ein absolut berechtigtes Sicherheitsinteresse. »Deutschland wird ganz klar an der Seite Israels stehen und beim Kampf gegen Terror tatkräftig unterstützen – das geht auch nur mit militärischer Hilfe.«
Anschließend kam Wadephul auf die humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung in Gaza zu sprechen. Ein Waffenstillstand müsse den Weg für die dauerhafte Versorgung der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen ebnen, mahnte er. Seit mehr als 70 Tagen komme keine humanitäre Hilfe mehr nach Gaza hinein, »die große menschliche Not verschärft sich jeden Tag, und wir wissen, dass die Hamas die Hilfen missbraucht und sie den Menschen vorenthält«.
Daher sei es verständlich, dass Israel nach Wegen suche, »dieses der Hamas aus der Hand zu schlagen«. Er begrüßte die Ankündigung, dass es US-Anstrengungen für einen neuen Versorgungsplan gebe. Dies hatte der israelische Außenminister zuvor bestätigt. »Indem die israelische Seite diesen Schritt jetzt geht, ist klar, dass man Israel nicht vorwerfen kann, völkerrechtswidrig zu handeln«, betonte Wadephul.
Politische Lösung für Gaza ohne Hamas
Es brauche eine politische Lösung für Gaza ohne Hamas, so der Bundesaußenminister weiter, von der keine Bedrohung für Israel mehr ausgehen darf. Überraschend deutlich nannte er den arabischen Wiederaufbauplan mit einer starken Rolle der Palästinensischen Autonomiebehörde »einen guten Ausgangspunkt« dafür. Es müsse klar sein, dass »Gaza Teil der palästinensischen Gebiete« sei. Man sei sich mit den Israelis darüber einig, dass die Palästinenser dort eine Zukunft haben müssen und von niemandem gezwungen werden, das Gebiet zu verlassen.
Kritiker befürchten, Israel strebe eine dauerhafte Besetzung des Gazastreifens an.
Auch sei die Präsenz der israelischen Armee in der Enklave lediglich vorübergehend. Diesbezüglich gebe es ebenfalls Verständigung mit dem israelischen Außenministerium, so Wadephul. Kritiker befürchten, Israel strebe eine dauerhafte Besetzung des Gazastreifens an, wie wiederholt von rechtsextremen Koalitionsmitgliedern geäußert. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat dies jedoch bestritten. Sa’ar machte in diesem Zusammenhang die beiden Kriegsziele deutlich: »Die Befreiung unserer Geiseln und die Zerstörung der Hamas, damit von ihr keine Bedrohung mehr für Israel ausgeht.« Die Besetzung des Gazastreifens sei dagegen kein Kriegsziel.
Wadephul führte aus, dass die Palästinenser auch im Westjordanland »eine Perspektive auf eine politische und wirtschaftliche Zukunft brauchen, auch damit Hass und Extremismus nicht weiter fruchtbaren Boden finden«. Er resümierte, dass die »Perspektive einer Zweistaatenlösung die beste Chance für ein Leben in Frieden, Sicherheit und Würde für Israelis und Palästinenser« sei.
Dies dürfe nicht verbaut werden – weder durch »ein Vorantreiben eines völkerrechtswidrigen Siedlungsbaus noch durch eine vorzeitige Anerkennung eines Palästinenserstaates«. Dies könne erst am Ende erfolgreicher Verhandlungen stehen.