Redezeit

»Der Trick ist, nicht stehen zu bleiben«

Herr Rosenfeld, wie kommt man auf die Idee, 246 Kilometer am Stück zu laufen?
Ich fühle mich gut, wenn ich lange Strecken laufe. Und ich fühle mich schlecht, wenn ich nicht laufe. So einfach ist das. Von A nach B zu laufen, ohne irgendwelche Hilfsmittel – grundlegender könnte es nicht sein.

Vergangene Woche haben Sie am »Spartathlon« in Griechenland teilgenommen. Wie lange haben Sie für den Sechsfachmarathon gebraucht?
30 Stunden und elf Minuten. Bei insgesamt 246 Kilometern sind das sieben Minuten und 22 Sekunden pro Kilometer. Im nächsten Jahr will ich die 30-Stunden-Marke knacken.

Sind Sie die gesamte Strecke ohne Unterbrechungen gelaufen?
Ich habe weder geschlafen noch Pausen gemacht. Allenfalls ein paar Sekunden, um etwas zu trinken oder zu essen.

Wie geht es Ihnen jetzt?
Sehr gut.

Muskelkater?
Nein. Muskelkater hat man nur, wenn man nicht trainiert ist. Ich habe mich ja mit vielen langen Läufen auf den Wettkampf vorbereitet. Nach dem Spartathlon habe ich auch schonw ieder ein bisschen trainiert. Die Beine fühlen sich gut an. Vielleicht ein bisschen schwer, aber gut.

Sie ernähren sich rein vegan. Spitzensport und Verzicht auf jegliche Tierprodukte – wie passt das zusammen?
Ich bin seit sechs Jahren Veganer, aus humanistischen Gründen. Ich möchte nicht verantwortlich dafür sein, dass ein Tier wegen mir getötet wird. Und ich bin davon überzeugt, dass meine vegane Ernährung dazu beiträgt, dass ich so belastbar bin.

Wie stellen Sie sicher, dass Sie genügend Spurenelemente und Vitamine durch die Nahrung aufnehmen und ausreichend Eiweiß zu sich nehmen?
Wasser, Gemüse, Früchte und Getreide – mehr brauche ich nicht. Das ist nicht nur ein Gefühl, sondern ein Fakt: Meine Blutwerte sind top, auch ohne Nahrungsergänzungsmittel.

Wie motivieren Sie sich, wenn Sie im Wettkampf oder Training einen Durchhänger haben?
Ich versuche, immer positiv zu denken. Negative Gedanken dürfen gar nicht erst entstehen. Sie sind wie Gift. Im Talmud heißt es: »Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Taten.« Ein bisschen so ist es auch beim Ultramarathon: Die Gedanken haben die Kraft, die Laufleistung zu steuern. Wenn es nicht mehr geht, geht es halt doch noch einmal.

In den Sommermonaten wird es in Ihrer Heimat Israel extrem heiß. Trainieren Sie zu Hause auch bei über 40 Grad?
Ja. Zwischen April und September hatten wir dieses Jahr in Tel Aviv auch schon 45 Grad; die Luftfeuchtigkeit ist mörderisch. Das eigentliche Training besteht dann darin, bei diesem Wetter durchzuhalten. Zwei Stunden tun es dann auch.

Haben Sie einen Tipp für die Couch-Potatoes unter uns, wie man seinen inneren Schweinehund überwinden kann?
Man muss sich nur in Erinnerung rufen, wie gut Sport dem Körper und der Seele tut. Dann läuft es von alleine. Und wenn man mitten im Training oder dem Wettkampf eine Krise hat? Kopf ausschalten und weiterlaufen! Der Trick ist, nicht stehen zu bleiben.

Der Ex-Junkie und Weltklasse-Triathlet Andreas Niedrig hat einmal gesagt, dass viele Ultraläufer in Wahrheit vor etwas wegrennen. Wie ist das bei Ihnen?
Ich denke nicht, dass das auf mich zutrifft. Hoffe ich jedenfalls.

Der japanische Schriftsteller Haruki Murakami läuft wie Sie ebenfalls Ultramarathon. In seinem Buch »Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede« sagt er: »Das meiste über mich habe ich durch mein tägliches Lauftraining gelernt, auf natürliche, physische, praktische Weise.« Können Sie etwas damit anfangen?
Jein. Laufen ist schon ein sehr philosophischer Sport. Die Einsamkeit beim Laufen kann auch sehr romantisch sein. Aber viele projizieren auch eine Menge in den Sport hinein. Es hängt vielleicht auch davon ab, welcher Typ Mensch man ist. Ich jedenfalls bin definitiv kein Philosoph. Ich laufe nicht, um Leere zu erlangen oder so. Ich renne an Punkt A los und komme irgendwann am selben Punkt zurück. So einfach ist das bei mir. Mehr ist da nicht.

Das Interview führte Philipp Peyman Engel.

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