Nahost

Der Schmerz der Geisel-Mütter

Einen Tag vor dem Muttertag war sie noch völlig verzweifelt. Yael Alexander war in ihrem Haus in New Jersey in den USA und weinte sich jeden Abend in den Schlaf. Ihr ältester Sohn Edan war unerreichbar – eine Geisel in den Terrortunneln der Hamas in Gaza. Doch völlig unerwartet erhielt sie ein Geschenk – das beste ihres Lebens. Am Abend des 11. Mai erhielt sie die Nachricht, dass ihr Kind schon am kommenden Tag in Freiheit kommen wird.

Nur wenige Stunden später stieg Yael Alexander in ein Flugzeug und machte sich auf den Weg nach Israel, um Edan nach mehr als 19 Monaten Geiselhaft endlich wiederzusehen.

Es war Anfang Oktober 2023, als sie schon einmal nach Israel gereist war, um ihren Sohn, einen »lone soldier« (deutsch: einsamer Soldat) in der israelischen Armee, zu sehen. Lone soldiers sind Soldaten ohne Eltern im Land. Yael und ihr Mann Adi, beide Israelis, waren Jahre zuvor in die USA ausgewandert und lebten in New Jersey. Mit 18 teilte Edan ihnen mit, dass er in der Armee dienen wolle, »um Israel zu beschützen«.

Die Mutter war die letzte, die mit Edan sprach

Damals genossen sie die Zeit zusammen. »Das Foto, das auf dem Geiselplakat zu sehen ist, machten wir am 2. Oktober in Tel Aviv, als wir gemeinsam Essen waren«, erzählte sie.

Die Mutter war auch die letzte, die am Morgen des 7. Oktobers mit Edan telefonierte. Als die Sirenen wegen der pausenlosen Raketenangriffe aus Gaza schrillten, habe sie ihn sofort angerufen. »Er sagte mir: ›Mama, Du kannst Dir nicht vorstellen, was hier gerade passiert, ich sehe grauenvolle Dinge. Es ist wie im Krieg‹. Ich versicherte ihm, dass ich bei ihm bin und ich ihn liebe. Danach hörte ich nichts mehr von ihm.« Einige Tage darauf habe die Familie von israelischen Beamten erfahren, dass der junge Soldat von der Hamas gekidnappt worden sei.

Es begannen 580 Tage der Ungewissheit, der Sorge, des Grauens. Die Mutter beschäftige sich nur noch mit einem: dem Kampf für die Freilassung ihres Sohnes. »Die Leere in meinem Herzen ist unbeschreiblich«, beschrieb sie ihren Zustand. Seit Edan in Geiselhaft ist, lebe sie und die gesamte Familie in einem dauerhaften Alptraum, aus dem es kein Erwachen gebe. »Wir feiern nichts, keine Chagim, keine Geburtstage, wir warten nur darauf, dass Edan nach Hause kommt.«

Herut Nimrodi: »Es gibt kein einziges Lebenszeichen, weder eine Bestätigung, dass Tamir noch am Leben ist, noch das Gegenteil. Rein gar nichts.«

Sie wolle ihren Sohn einfach nur umarmen, sagte sie immer wieder. »Ich vermisse ihn so sehr«.  Yael Alexander kann ihn schon an diesem Abend wieder in die Arme nehmen, für sie schließt sich ein Kreis.

Herut Nimrodi über ihren Tamir: »Es gibt kein einziges Lebenszeichen«

Andere müssen weiter in der unerträglich grausamen Ungewissheit verharren. Wie die Mutter von Tamir Nimrodi, auch er ein Soldat in der IDF. Herut Nimrodi weiß nichts über sein Schicksal, außer dass er von der Grenze zu Gaza von Terroristen verschleppt wurde, als er in der Cogat-Einheit diente. Er war gerade 18 Jahre alt.

»Es gibt kein einziges Lebenszeichen, weder eine Bestätigung, dass er noch am Leben ist, noch das Gegenteil. Rein gar nichts.« Daher sei ihr Sohn von Sicherheitsbehörden als »in Lebensgefahr« eingestuft worden.

Dafür, wie sehr sie ihn vermisse, hat sie kaum Worte. »Tamir und ich hatten eine außergewöhnlich enge Verbindung, wir haben über alles gesprochen.« Ihr Sohn sei sehr schlau, interessiert und kreativ. »Er liebt Geschichte, Malen und das Reiten auf seinem Pferd Michael.« Ihr fehlen besonders die tiefgründigen Gespräche bis tief in die Nacht. »Ich hoffe so sehr, dass wir uns wiedersehen.«

Tamir Nimrodi hat die deutsche Staatsangehörigkeit

Auch Tamir hat eine andere Staatsangehörigkeit: die deutsche. Ob ihm dies helfen könne, weiß sie nicht. »Ich glaube schon, dass sich Präsident Trump für alle Geiseln einsetzt«, so Nimrodi. Sie hofft inständig, dass bei einem weiteren Deal alle entführten Menschen nach Hause kommen. Denn: »Diese teilweisen Freilassungen der Geiseln zerreißen uns.«

Eine andere wartet ebenso verzweifelt auf die Freilassung ihres Kindes: Einav Zangauker. Die alleinerziehende Mutter aus Ofakim ist eine der lautstärksten Aktivistinnen für einen Deal zur Geiselbefreiung und schärfste Kritikerin von Premierminister Benjamin Netanjahu. Ihr Sohn Matan wurde am 7. Oktober aus seiner Wohnung im Kibbutz Nir Oz von Terroristen entführt.

Am Montagmittag sprach sie auf dem Platz der Geiseln in Tel Aviv: »Matan ist zusammen mit Edan Alexander in den Tunneln, das wissen wir.« Obwohl sie sich über die Freilassung von Edan freue, sei sie an diesem Tag auch unendlich traurig: »Denn Matan wird jetzt ganz allein gelassen.«

Mit emotionalen Worten wandte sie sich auch direkt an ihren Sohn. »Mein Matan, sei stark. Ich will dich so sehr umarmen. Ich will so sehr, dass du endlich zu Hause bist. Bitte zerbrich nicht daran.«

Vicky Cohen, die Mutter des dritten verschleppten IDF-Soldaten, Nimrod Cohen, äußerte sich ebenfalls:  Ich habe kein anderes Land, ich habe keinen anderen Pass. Israel ist mein Land. Und ich hoffe, dass uns unsere Regierung nicht im Stich lässt und endlich alle Geiseln nach Hause bringt.«

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