Kunst

Das Rätsel der Mosaike

Wer war E.R.? Emilio, der italienische Mönch? Emil, der Österreicher? Lange war die Herkunft des Künstlers hinter den Wandmalereien im Kloster Beit Jamal ein Geheimnis. Die Kunsthistorikerin Nirit Shalev-Khalifa rätselte Jahrzehnte, wer die außergewöhnlichen Werke, die sie zutiefst berührten, geschaffen haben könnte. Die künstlerische Detektivgeschichte beschäftigte sie so sehr, dass sie ihre Doktorarbeit darüber schrieb. Sie kam zu dem Ergebnis: »Es war Emil Ritz.« Und dann, Jahre später, erfuhr sie, dass jener Ritz eine Kirche in Köln-Junckersdorf mit Mosaiken verziert hatte. Sie kontaktierte das Büro der Kirche St. Pankratius und fand heraus, dass der Künstler ein Kölner war.

Hier, hinter den Hügeln oberhalb der Stadt Beit Schemesch, verbirgt sich ein besonderer Ort: Sacht schwingt das türkisfarbene Eingangstor auf und gibt den Blick frei auf das Elah-Tal, gesprenkelt mit jahrhundertealten Olivenbäumen. Das katholische Kloster Beit Jamal des Ordens St. Francis de Sales ist ein Komplex aus Gebäuden aus gelblichem Sandstein. Dahinter steht unscheinbar die Kirche des Heiligen Stephanus. Im Innern ist das Gotteshaus alles andere als maßvoll, von oben bis unten mit Mosaiken verziert – so scheint es zumindest auf den ersten Blick. Tritt man näher heran oder berührt die Wände, offenbart sich, dass es sich hier nicht um Steine handelt, sondern um Malereien.

FRESKEN Der deutsche Maler Emil Ritz, geboren 1900 in Düren-Birkesdorf, kam erstmals 1932 nach Beit Jamal. Hier schmückte er die Kirche mit Malereien, schuf Fresken, Sgraffiti und Stiche in der Krypta. Die meisten seiner Arbeiten entstanden in einer von ihm entwickelten besonderen Mosaik-Maltechnik, die an byzantinische Traditionen anlehnt.
Höchstwahrscheinlich kam Ritz in den späten 20er-Jahren nach Palästina, um Mönch zu werden. Er entschied sich um. Trotzdem blieb er und schuf im Auftrag der Kirchen Werke in Tiberias, Haifa, Jerusalem und Beit Jamal. Während die christliche Kunst hier lange verboten war, reifte sie während des britischen Mandats zu neuer Blüte. Ritz’ Sgraffito-Bilder und gemalte Mosaike sind nach Meinung von Shalev-Khalifa vielleicht gar Unikate von globaler kunstgeschichtlicher Bedeutung. »Der Stil seiner Kreuzigungsszene ist außergewöhlich – wahrscheinlich in der ganzen Welt.«

Auch für die Kunstgeschichte Nordrhein-Westfalens spielen die Werke eine besondere Rolle. Denn Ritz malte seine Figuren im Stil des Expressionismus, zu einer Zeit, in der die Nationalsozialisten diese Kunstform als »entartet« bezeichneten und verboten. Ritz entwickelte seinen Stil in Palästina mit einzigartigen Techniken fort.

»Es ist schön, zu sehen, dass diese Kunst hier bewahrt ist«, meint Gil Yaron, der Leiter des Büros des Landes Nordrhein-Westfalen für Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Jugend und Kultur in Israel. Damit sie auch weiterhin vor dem Verfall bewahrt wird, startete das NRW-Büro eine Rettungsaktion. Die etwa 20 Bildkompositionen befinden sich in teilweise bedrohlich schlechtem Zustand. An manchen Stellen sind nasse Flecken zu sehen, an anderen bröckelt der Putz und liegt samt Farbresten auf dem Boden.

Das NRW-Büro in Israel startet eine Rettungsaktion.

Die Rettung ist eine deutsch-israelische Kooperation, bei der das NRW-Büro in Israel mit Shay Farkasch zusammenarbeitet. Der gilt als Israels bekanntester Experte für die Erhaltung und Restaurierung von Wandgemälden. Er wird bei seiner Arbeit von Adrian Heritage, Professor an der Technischen Hochschule Köln, unterstützt. Restaurierungsarbeiten, die im Laufe der Jahre vorgenommen wurden, seien leider falsch ausgeführt worden, weiß Farkash. »Wir arbeiten jetzt mit einem Gips aus Kalkstein, der aus Deutschland kommt, um alles fachgerecht wiederherzustellen.«

Besonders setzt er auf die Zusammenarbeit mit der Kölner Universität. Dorthin sandte er kürzlich 16 Proben und wartet auf die Auswertung. Farkash hofft darauf, dass es nach dem Ende der Pandemie einen regen Austausch mit gegenseitigen Besuchen geben wird. »Wir wollen voneinander lernen.« Gil Yaron bestätigt das: »Wir haben vor, dass dies ein langfristiges Projekt wird, bei dem wir Menschen aus unseren Ländern zusammenbringen.«

Shalev-Khalifa ist bereits seit ihrer Teenagerzeit von Beit Jamal fasziniert. »Es war immer ein Ort der Magie für mich. All diese Farben und Texturen, die es hier gibt.« Dazu sei das Kloster ein Ort der Toleranz – und gleichzeitig einer der offenen Fragen und Rätsel. »Es gab so viel, was ich nicht verstand. Dieser Künstler, zweifellos zutiefst religiös, schuf diese völlig moderne anti-religiöse Kunst. Ich kann in seinen Werken regelrecht seinen Schmerz spüren.« Emil Ritz wurde ihre Obsession. »Ich musste dem Geist dieses Menschen anhand dessen folgen, was seine Hände schufen.«

MÖNCH Das Wissen, dass Ritz aus Deutschland stammte und erst 1957 dorthin zurückkehrte, klärte vieles für die Kunsthistorikerin. Heute nehmen die Experten an, dass er sich als italienischer Mönch ausgegeben haben könnte, um nicht während des Zweiten Weltkriegs oder kurz danach nach Deutschland zurückgeschickt zu werden.

In die Unterhaltung neben dem Kirchengebäude schaltet sich per Zoom der Großneffe des Künstlers ein, Jan Hundgeburth, ein Hautarzt aus der Nähe von Köln. Er hat Ritz noch selbst gekannt. »Unser ganzes Haus war voll von seiner Kunst.« Vor zwei Jahren traf er sich in Israel mit Shalev-Khalifa und Farkash, um die Werke seines Großonkels persönlich in Augenschein zu nehmen. Er habe den Stil sofort wiedererkannt. »Natürlich, das war er.«

Bei einer Reise nach Deutschland traf Farkash auch die Nichte von Ritz, die ihm seine Briefe aus den Jahren 1927 bis 1957 übergab. Ritz war offenbar ein religiöser homosexueller Mann, der wegen der Geschehnisse in Deutschland und der ganzen Welt zerrissen war. In Beit Jamal konnte er als Künstler und freier Mann leben, von der Kirche geschützt. »Als ich dies erfuhr«, ruft Shalev-Kahlifa, als freute sie sich noch immer, »fügten sich mit einem Mal alle Mosaikteilchen von Emil Ritz zu einem großen stimmigen Kunstwerk zusammen.«

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