Diplomatie

Bundesaußenminister bestätigt deutsche Staatsräson 

Bundesaußenminister Johann Wadephul (l.) mit Israels Außenminister Gideon Sa’ar bei einer Pressekonferenz nach dem Gespräch am Sonntag im Außenministerium in Jerusalem Foto: picture alliance/dpa

Die erste Auslandsreise außerhalb von Europa führte den neuen Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) nach Israel. Sein Amtskollege, der israelische Außenminister Gideon Sa’ar, nannte dies auf der gemeinsamen Pressekonferenz am Sonntag in Jerusalem »einen Beweis für die strategischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland«.  

»Israel und Deutschland verbindet eine einzigartige Freundschaft«, eröffnete Wadephul seine Rede. Er sei »zutiefst dankbar, dass er 80 Jahre nach dem Menschheitsverbrechen des Holocaust den Weg der Versöhnung zwischen unseren Ländern und den Menschen gehen durfte«.  

Er erinnerte an die Schoa-Überlebende Margot Friedländer, die am Freitag gestorben war, und sagte: »Ihr Vermächtnis wird bleiben.« Gerade in einer Zeit, in der Zeitzeugen verstummen, sei es wichtig, das Holocaust-Gedenken an die nächsten Generationen weiterzugeben.  

60 Jahre diplomatische Beziehungen

Wadephul besucht Israel im Rahmen des Jubiläums 60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen den beiden Ländern und bestätigte dabei die deutsche Staatsräson, die die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel 2008 mit den Worten definierte: »Die Existenz Israels und seine Sicherheit ist Teil der deutschen Staatsräson.« Wadephul erklärte: »Heute stelle ich mich voll in diese Tradition und gebe dasselbe Bekenntnis für mich und die Bundesrepublik ab.« 

Er führte aus: »Das heißt, dass Deutschland bei jeder Gefahr und der Infragestellung der Existenz Israels klar an der Seite Israels steht. Dass Deutschland jeden notwenigen Beitrag leistet, damit Israel sich und seinen Staatsbürgern Sicherheit gewähren und sich gegen den Terror der Hamas oder der Hisbollah oder der Huthi verteidigen kann.« 

Es heiße aber nicht, »dass Kritik am Verhalten oder Äußerungen von Personen, Parteien oder auch der Regierung verboten wären«, machte der Bundesaußenminister klar. Das gelte selbstverständlich für beide Richtungen, und werde auch von niemandem in »unseren freiheitlichen und demokratischen Systemen« angezweifelt. Gleichsam dürfe jede noch so berechtigte Politik niemals zu Antisemitismus oder Judenfeindlichkeit führen. Die Bundesregierung werde sich dem mit »Klarheit, Härte und Konsequenz« entgegenstellen. 

Der Bundesaußenminister verurteilte den »brutalen Angriff der Hamas am 7. Oktober auf das Schärfste« und unterstütze Israel dabei, seine Sicherheit zu gewährleisten. Er forderte auch die sofortige Freilassung aller Geiseln, »die die Terrororganisation Hamas noch immer in dunklen Kellern gefangen hält und dabei ihr brutales Gesicht zeigt«. Unter den Geiseln seien deutsche Staatsangehörige, denen Deutschland verpflichtet sei. Am Tag zuvor hatte Wadephul einige Angehörige der Verschleppten getroffen. Die Namen der Geiseln gab er nicht bekannt.  

Er betonte, dass Deutschland für einen Waffenstillstand eintrete. Er sei nicht sicher, ob jetzt, wo dieser nicht intakt sei, »alle strategischen Ziele Israels erreicht werden können und ob dies langfristig der Sicherheit Israels dient«. Er betonte dazu, dass die Bundesregierung an Israel appelliere, »wieder in ernsthafte Verhandlungen über einen Waffenstillstand einzutreten«.  

»Deutschland wird ganz klar an der Seite Israels stehen und beim Kampf gegen Terror tatkräftig unterstützen – das geht auch nur mit militärischer Hilfe.« 

Bundesaußenminister Johann Wadephul

Er gehe nicht davon aus, dass sich dieser Konflikt dauerhaft militärisch lösen lassen wird. Allerdings sehe er es gleichwohl als notwendig an, dass »Hamas entwaffnet wird«. Israel habe ein absolut berechtigtes Sicherheitsinteresse. »Deutschland wird ganz klar an der Seite Israels stehen und beim Kampf gegen Terror tatkräftig unterstützen – das geht auch nur mit militärischer Hilfe.« 

Humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung in Gaza

Anschließend kam Wadephul auf die humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung in Gaza zu sprechen. Ein Waffenstillstand müsse den Weg für die dauerhafte Versorgung der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen ebnen, mahnte er. Seit 70 Tagen komme keine humanitäre Hilfe mehr nach Gaza hinein, »die große menschliche Not verschärft sich jeden Tag, und wir wissen, dass die Hamas die Hilfen missbraucht und sie den Menschen vorenthält«. Daher sei es verständlich, dass Israel nach Wegen suche, »dieses der Hamas aus der Hand zu schlagen«.  

Er begrüßte die Ankündigung, dass es US-Anstrengungen für einen neuen Versorgungsplan gebe. Dies hatte der israelische Außenminister zuvor bestätigt. Deutschland werde das prüfen und unterstützen, denn es gebe eine Verpflichtung für humanitäre Hilfe. »Indem die israelische Seite diesen Schritt jetzt geht, ist klar, dass man Israel nicht vorwerfen kann, völkerrechtswidrig zu handeln«, betonte Wadephul.  

Es brauche eine politische Lösung für Gaza ohne Hamas, so der Bundesaußenminister weiter, von der keine Bedrohung für Israel mehr ausgehen darf. Überraschend deutlich nannte er den arabischen Wiederaufbauplan mit einer starken Rolle der Palästinensischen Autonomiebehörde dafür »einen guten Ausgangspunkt«. Es müsse klar sein, dass »Gaza Teil der palästinensischen Gebiete« sei. Man sei sich mit den Israelis darüber einig, dass die Palästinenser dort eine Zukunft haben und von niemandem gezwungen werden, das Gebiet zu verlasen.  

Auch sei die Präsenz der israelischen Armee in der Enklave lediglich vorübergehend. Diesbezüglich gebe es ebenfalls Verständigung mit dem israelischen Außenministerium, so Wadephul. Kritiker befürchten, Israel strebe eine dauerhafte Besetzung des Gazastreifens an, wie wiederholt von rechtsextremen Koalitionsmitgliedern geäußert wurde. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat dies jedoch bestritten. Sa’ar machte in diesem Zusammenhang die beiden Kriegsziele deutlich: »Die Befreiung unserer Geiseln und die Zerstörung der Hamas, damit von ihr keine Bedrohung mehr für Israel ausgeht.« Die Besetzung des Gazastreifens sei kein Ziel des Krieges. 

Wadephul führte aus, dass die Palästinenser auch im Westjordanland »eine Perspektive auf eine politische und wirtschaftliche Zukunft brauchen, auch damit Hass und Extremismus nicht weiter fruchtbaren Boden finden«. Er resümierte, dass die »Perspektive einer Zweitstaatenlösung die beste Chance für ein Leben in Frieden, Sicherheit und Würde für Israelis und Palästinenser« sei.  

Dies dürfe nicht verbaut werden – weder durch »ein Vorantreiben eines völkerrechtswidrigen Siedlungsbaus noch durch eine vorzeitige Anerkennung eines Palästinenserstaates«. Seiner Meinung nach könne das erst am Ende von erfolgreichen Verhandlungen stehen.  

Stabilität mit Syrien

Für Frieden müsse auch die gesamte Region zur Ruhe kommen. »In Syrien gibt es eine Chance auf Wandel.« Außenminister Sa’ar bestätigte, dass man mit Syrien Stabilität wolle. Allerdings sei man auch skeptisch, was die neue Regierung im Nachbarland angehe, vor allem nach den Angriffen gegen Minderheiten in dem Land.  

Der neue Bundesaußenminister lud seinen israelischen Amtskollegen schließlich zu einem Gegenbesuch nach Berlin ein. Sa’ar sagte zu und gab an, er wolle Anfang Juni in die Bundesrepublik reisen. Anschließend traf der Bundeaußenminister mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zusammen. 

Wadephul reist vor dem Hintergrund der Feiern zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor 60 Jahren nach Israel. Am Sonntag wird der israelische Präsident Isaac Herzog zu einem offiziellen Besuch in Berlin erwartet. Gemeinsam mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will er am 13. Mai nach Israel zurückreisen. 

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, betonte in diesem Zusammenhang: »Gerade in diesen Zeiten ist es entscheidend, das Fundament der deutsch-israelischen Freundschaft zu stärken. In diesem Zeichen steht der Doppelbesuch von Israels Präsident Isaac Herzog und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in dieser Woche.« Man blicke dabei auch zurück auf 60 Jahre gemeinsame deutsch-israelische Geschichte; aus dieser Geschichte erwachse ein Vertrauen in die Zukunft.

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