Syrien

Bürgerkrieg vor der Haustür

Gasmaskenverteilung in Israel Foto: dpa

Dieser Tage könnte man meinen, es sei der blanke Hohn. In blauen Lettern wünscht das Schild auf der israelischen Seite des Zaunes eine »sichere und friedvolle Reise«. Jenseits der Grenze aber ist es alles andere als sicher – jeden Tag werden Dutzende von Toten vermeldet, manchmal sind es Hunderte. Hier, am Grenzübergang Kuneitra auf den Golanhöhen, kann man den Bürgerkrieg im Nachbarland Syrien förmlich spüren. Er tobt direkt vor der Haustür des Heiligen Landes.

In dieser Woche wurde Verteidigungsminister Ehud Barak höchstpersönlich Zeuge, wie nah die Kämpfe bereits gerückt sind. Während eines Interviews in der Nähe der Grenze waren wiederholt Granateneinschläge zu hören. »Die Gefechte zwischen der syrischen Armee und den Rebellen sind etwa 800 Meter vom Zaun entfernt«, erklärte der Minister den Medienvertretern, ohne zu realisieren, dass just in diesem Moment syrische Soldaten in die entmilitarisierte Zone eingedrungen waren.

Rückzug Der drei bis sechs Kilometer breite Streifen war 1974 als Ergebnis des Rückzugsabkommens zwischen Israel und Syrien geschaffen worden. Seitdem darf es in diesem Gebiet keine Militärpräsenz der beiden Staaten mehr geben. Die Einhaltung wird von UN-Soldaten überwacht.

Doch die bereits 17 Monate andauernde kriegerische Auseinandersetzung zwischen der Armee des Regimes von Baschar al-Assad und den oppositionellen Kämpfern dehnt sich immer weiter aus. Die Rebellen nahmen am Dienstag offenbar das Dorf Rawyahina ein, nur wenige Kilometer von der israelischen Grenze entfernt. Das Eindringen von Assads Männern in die entmilitarisierte Zone bezeichnete Israel als »schweren Übergriff« und legte bei den Vereinten Nationen offiziell Beschwerde ein.

Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP hat die Regierung in Jerusalem daraufhin veranlasst, die Absperrung nach Syrien mit zusätzlichem Stacheldraht zu verstärken. Denn nicht nur die Granaten rücken näher. Auch die Flüchtlingsströme nehmen täglich zu. Zehntausende Menschen sind bereits vor den Kämpfen nach Jordanien, in den Irak und die Türkei geflohen. Syrische Flüchtlinge, die an die Grenze klopfen, wären für Israel ein Dilemma, denn auf diese Weise könnten Terroristen eingeschleust werden, um Anschläge zu verüben. »Die Truppen sind in höchster Alarmbereitschaft«, so ein Sicherheitsexperte zu AFP, »sie sind da, sollte etwas Größeres passieren«.

Arsenal Eine weitere Angst treibt die Israelis um. Was könnte mit den chemischen Waffen des Feindes geschehen? Stabschef Benny Gantz betonte in dieser Woche, dass sie sich nach wie vor im Arsenal von Präsident Assad befänden. »Doch das kann sich jederzeit ändern.« Es besteht die Sorge, dass die Chemiewaffen in die Hände der Hisbollah gelangen und von der libanesischen Terrororganisation gegen Israel eingesetzt werden könnten. Außenminister Avigdor Lieberman sagte, dass dies einer Kriegserklärung gleichkomme. Gantz jedoch warnte, dass ein Eingreifen Israels zu einer Eskalation in der gesamten Region führen könnte.

Noch scheinen es lediglich Vermutungen zu sein, doch als stabil schätzt die Lage beim Nachbarn derzeit niemand ein. Grund genug für die Bevölkerung, an den Ausgabestellen für Gasmasken im ganzen Land Schlange zu stehen. Im Gegensatz zu Vormonaten habe sich die Nachfrage nach den Masken fast verdoppelt, gab die zuständige Stelle an.

Gerade wegen der unübersichtlichen Situation hält sich die IDF relativ bedeckt, Kommentare zur Entwicklung des Bürgerkrieges beim Nachbarn abzugeben. Ein Pressesprecher: »Wir behalten die Kämpfe in der Nähe der Grenze selbstverständlich im Auge und sind uns der sehr komplexen Situation bewusst.«

Wirtschaft

Netanjahus unglücklicher »Sparta«-Vergleich

Israels Premierminister spricht in einer Rede von wirtschaftlicher Isolation und sieht sein Land in einer ähnlichen Situation wie einst der griechische Stadtstaat. Politik und Märkte reagieren unerwartet heftig

von Sabine Brandes  18.09.2025

Israel

Zwei Tote bei Anschlag an Grenze zu Jordanien

Der Angreifer ist offenbar in einem Lastwagen angekommen, der humanitäre Hilfsgüter für den Gazastreifen transportierte. Der Anschlag könnte laut Medien auch Auswirkungen auf Gaza-Hilfen haben

 18.09.2025 Aktualisiert

Nachruf

Sie trug ein strassbesetztes Krönchen

Tovia Ringer überlebte die Konzentrationslager Groß-Rosen und Schömberg, bevor sie 1948 nach Israel emigrierte. Nun ist die »Miss Holocaust Survivor 2018« im Alter von 102 Jahren gestorben

von Sara Klatt  18.09.2025

Kurznachrichten

Hotel, Datteln, Pilger

Meldungen aus Israel

von Sabine Brandes  18.09.2025

Tel Aviv

Israel: Entwicklung von Laser-Abwehrwaffe abgeschlossen

Das Hochleistungs-Lasersystem »Iron Beam« markiert einen Wendepunkt: Präzise, schnell und überraschend günstig. Wie verändert dies Israels Schutz vor Bedrohungen aus feindlichen Ländern der Region?

 18.09.2025

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  18.09.2025 Aktualisiert

Gaza

»Gebt mir mein Mädchen zurück!«

Ifat Hayman fleht, dass ihre Tochter Inbar, die letzte weibliche Geisel der Hamas, zur Bestattung zurückgebracht wird

von Ifat Hayman  17.09.2025

Europäische Union

Wie die EU-Kommission Israel sanktionieren will

Ursula von der Leyens Kommission will Israel alle Handelsvergünstigungen streichen. Doch eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten ist (noch) nicht in Sicht. Die Hintergründe

von Michael Thaidigsmann  17.09.2025

Israel

»The Sea« erhält wichtigsten israelischen Filmpreis

In Reaktion auf die Prämierung des Spielfilms über einen palästinensischen Jungen strich das Kulturministerium das Budget für künftige »Ophir«-Verleihungen

von Ayala Goldmann  17.09.2025