Terror

»Blutiger Ernst«

Fassungslos blicken sie auf das, was von einem Carport samt Auto übrig ist. Verkohltes Metall und qualmendes Holz. Wenige Minuten zuvor hatten hier noch Menschen gestanden. »Auf einmal krachte es ohrenbetäubend«, berichtet ein Augenzeuge, dann war Yossi Schuschan tot und vier weitere Menschen schwer verletzt worden. Eine Rakete aus dem Gazastreifen war Samstagabend mitten in einem Wohngebiet der Stadt Beer Sheva eingeschlagen. Seit vergangenem Donnerstag bombardierten palästinensische Extremisten Israels Süden mit mehr als 70 Geschossen.

In einem höllischen Wochenende im nicht enden wollenden Feuerhagel rannten die Israelis in Beer Sheva, Aschdod, Aschkelon, Kiriat Gat und den umliegenden Gemeinden um ihr Leben. Eine Million Menschen stand tagelang unter dem »Code Red«-Alarm und harrte in flirrender Hitze in oft unklimatisierten Sicherheitsräumen und öffentlichen Bunkern aus.

Schule Am Sonntagmorgen trafen drei weitere Raketen die Großstadt in der Negevwüste. Eine schlug direkt in ein Schulgebäude ein, glücklicherweise entstand lediglich Sachschaden. In Israel sind noch bis Ende August Ferien. In einer Woche jedoch werden die Schulbänke wieder voll besetzt sein. Viele Eltern sind in großer Sorge, was dann geschehen könnte.

Orit Sussia lebt in Beer Sheva mit ihren zwei Töchtern, eine sechs, die andere acht Jahre alt. Noy wird am 1. September eingeschult, ihre Schwester Schir besucht dann die dritte Klasse einer Grundschule. Tagelang schon macht sich Mutter Orit Sorgen, kann nachts kaum noch schlafen.

»Meine Tochter fiebert seit Monaten auf den ersten Schultag hin«, sagt sie unter Tränen, »aber ich kann mich nicht mitfreuen. Ich weiß doch nicht, was sein wird. Dieser ständige Alarm überschattet alles.« Nicht alle Schulen in Israels Süden verfügen über Bunker, vor allem private Kindergärten sind oft weder verstärkt, noch haben sie Sicherheitsräume.

Dass die Gefahr sehr real ist, zeigt auch die Kleinstadt Ofakim. Bei einem direkten Einschlag in ein Haus sind ein vier Monate altes Baby und ein achtjähriges Mädchen sowie ein Mann leicht verletzt worden. Schlimmer noch traf es Aschdod: Bei einem Treffer auf eine Synagoge entstand Sachschaden, ein zweites Geschoss explodierte mitten in einer Jeschiwa, in der zu dieser Zeit 180 Schüler das Morgengebet sprachen.

Zwei von ihnen wurden schwer verletzt, vier leicht. »Es knallte furchtbar, dann irrten blutende Menschen umher, wussten nicht, wie ihnen geschah«, sagte ein Lehrer im israelischen Fernsehen. »Alles war voller Schreie und Rauch.«

Ziel Auch Beer Sheva ist immer häufiger im Visier der Terroristen, weil die Wüstenstadt mit 250.000 Einwohnern durch ihre dichte Besiedlung Treffer wahrscheinlich macht. Daher ermahnte der Bürgermeister der Stadt, Ruvik Danilovic, die Bewohner nach dem Geschoss vom Samstag eindringlich, die Schutzräume nicht zu verlassen. »Die Getroffenen waren allesamt auf den Straßen«, sagte er sichtlich bewegt. »Das ist keine Show, es ist blutiger Ernst.«

Währenddessen sind alle öffentlichen Veranstaltungen im Süden abgesagt. Keine Vortreffen der Erstklässler, keine Spiele der Fußballliga, keine Ferienaktivitäten. Auch in den touristischen Einrichtungen der Strände von Aschkelon und Aschdod herrscht gähnende Leere.

Abwehr Dass der Raketenbeschuss nicht noch mehr Leben forderte, ist vor allem dem Abwehrsystem »Eiserne Kuppel« zu verdanken. Die zwei vorhandenen Anlagen stehen dieser Tage in Aschkelon sowie Beer Sheva und funktionieren sogar besser als erwartet, sind sich Verteidigungsexperten einig. Inzwischen ändern die Terroristen ihre Taktik, weil auch sie von der Eisernen Kuppel wissen. Statt nur einzelne Raketen feuern sie ganze Salven auf einmal ab. Oder sie schießen gezielt auf Orte, die über keinerlei Schutzmechanismus verfügen.

Doron Gawisch, Chef der israelischen Luftwaffe, erklärte, dass sich die Eiserne Kuppel, das einzige System dieser Art weltweit, in der ersten Testphase befände. »Dennoch haben wir eine große Anzahl Raketen neutralisiert und dadurch Leben gerettet. Aber wir haben von Anfang an darauf hingewiesen, dass es keine hermetische Abriegelung bedeutet.«

Soldaten, die das System steuern, betonten, es habe eine enorme Lernfähigkeit, die den Schutz jeden Tag verbessere. Aufgrund der aktuellen Bedrohung hat das Verteidigungsministerium den Hersteller Rafael Advanced Defence Systems gebeten, die Produktion zu beschleunigen. Schon bald soll es weitere Einheiten geben, bis 2012 ist geplant, sechs Batterien der Eisernen Kuppel im Dienst zu haben.

Der Erfolg lässt die Bürgermeister in den südlichen Großstädten verstärkt nach dem System verlangen. Experten gehen davon aus, dass es mindestens 15 Einheiten bräuchte, um das gesamte Land von Nord nach Süd zu schützen.

Luftfahrt

EasyJet plant Rückkehr nach Israel

Im Frühling geht es mit zunächst drei Verbindungen zwischen europäischen Städten und dem Ben-Gurion-Flughafen los

 05.12.2025

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann wird heute mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt. Bislang schwieg sie zur scharfen Kritik an ihrer Arbeit. Doch jetzt antwortete die ARD-Journalistin ihren Kritikern

 04.12.2025

Die letzte Geisel in Gaza

»Er ging als Erster – er kommt als Letzter zurück«

Ran Gvili war ein Polizist einer Eliteeinheit, der trotz gebrochener Schulter in den Kampf zog

von Sabine Brandes  04.12.2025

Prozess

Bitte um Gnade

Premierminister Netanjahu wendet sich überraschend an Staatspräsident Herzog

von Sabine Brandes  04.12.2025

Israel

Drei Brüder werden an einem Tag Väter - von vier Kindern

Zwillinge inklusive: Drei Brüder und ihre Partnerinnen schenken den Großeltern an einem Tag vier Enkel. Wie es zu diesem seltenen Familienglück kam

von Sara Lemel  04.12.2025

Preisvergabe

Charlotte Knobloch kritisiert Berichterstattung von Sophie von der Tann

Dass problematische Berichterstattung auch noch mit einem Preis ausgezeichnet werde, verschlage ihr die Sprache, sagt die Präsidentin der IKG München

 04.12.2025

Tel Aviv

Fast jeder vierte Israeli denkt über Auswanderung nach

Unter säkularen Juden ist die Zahl derer, die ein Auswandern erwägen, größer als in religiösen Gruppen und bei israelischen Arabern

 04.12.2025

Gaza

Sudthisaks letzte Reise hat begonnen

Der Leichnam des thailändischen Landarbeiters Sudthisak Rinthalak wurde am Mittwoch überführt. Nun befindet sich noch eine tote Geisel in Gaza, nämlich die von Ran Gvili

von Sabine Brandes  04.12.2025

Barcelona

Guinness World Records blockiert Bewerbungen aus Israel

Die israelische NGO Matnat Chaim will im kommenden Monat 2000 Nierenspender zusammenbringen. Dieser Rekord wird nicht registriert, da er im jüdischen Staat umgesetzt werden soll

 04.12.2025