Washington/Gaza/Kairo/Jerusalem

Biden verlangt Feuerpause

Präsident Joe Biden auf dem »South Lawn« hinter dem Weißen Haus Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Während die Vermittler im Gaza-Krieg unmittelbar vor Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan weiter auf eine Feuerpause drängten, laufen die Vorbereitungen für Hilfslieferungen in den zerbombten Gazastreifen über das Meer an.

Ein Schiff der spanischen Hilfsorganisation Open Arms soll zum Auftakt eines von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigten Seekorridors zunächst rund 200 Tonnen Lebensmittel wie Reis und Mehl von Zypern aus transportieren und in den nächsten Tagen eintreffen, wie der britische Sender BBC meldete. Wo genau es anlanden und wie die Hilfe dann zu den Menschen gelangen soll, war zunächst unklar.

Unterdessen mahnte US-Präsident Joe Biden erneut eine Waffenruhe an. Er erklärte, die Vereinigten Staaten konzentrierten sich weiterhin darauf.

Kritik an Netanjahu

Biden beschrieb die Lage der Menschen in Gaza am Samstag als »verzweifelt«. Er betonte zwar, die Verteidigung Israels sei »immer noch von entscheidender Bedeutung«. Er werde die Seite Israels nie verlassen. Zugleich übte der US-Präsident aber deutliche Kritik am Vorgehen von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

»Er schadet Israel mehr, als dass er Israel hilft«, sagte Biden. »Ich glaube, das ist ein großer Fehler.« Netanjahu habe das Recht, Israel zu verteidigen und die Hamas-Terroristen weiter zu bekämpfen. »Aber er muss, er muss, er muss den unschuldigen Leben größere Aufmerksamkeit schenken, die in der Konsequenz der ergriffenen Maßnahmen verloren gehen«, fügte der US-Präsident hinzu. Zuletzt hatten ranghohe Vertreter seiner Regierung ihre Tonlage gegenüber Israel zunehmend verschärft.

Israel treibt derweil die Vorbereitungen für eine Bodenoffensive in Rafah im Süden Gazas voran, um die verbliebenen Hamas-Bataillone zu zerschlagen und dort vermutete Geiseln zu befreien. Offenbar geht es auch darum, den Druck auf die palästinensische Terrororganisation Hamas aufrechtzuerhalten. Diese hatte bereits weitere Massaker im Stil der Attacke vom 7. Oktober angekündigt.

Terroristen wollen Region »in Brand setzen«

Im an Ägypten angrenzenden Rafah suchen derzeit 1,5 Millionen Palästinenser auf engstem Raum Schutz vor den Kämpfen in anderen Gebieten ihres Küstengebiets, das bisher von der Hamas regiert wurde. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass als Konsequenz aus dem Vorgehen gegen die Hamas »weitere 30.000 Palästinenser sterben«, mahnte Biden in dem Interview auf die Frage, ob eine Bodenoffensive in Rafah für ihn eine rote Linie darstelle.

Die Opferzahl kann nicht bestätigt werden, da sie vom von den Terroristen kontrollierten Gesundheitsministerium von Gaza stammt. Zudem macht die Hamas keinen Unterschied zwischen Zivilisten und Terroristen.

Die Hamas ist nach Einschätzung des israelischen Auslandsgeheimdiensts Mossad derzeit an keiner Waffenruhe interessiert. Vielmehr sei die Terrorgruppe bestrebt, »die (Nahost-)Region im Ramadan in Brand zu setzen«, sagte Mossad-Chef David Barnea in einer Erklärung, die das Ministerpräsidentenamt am Samstagabend veröffentlichte.

Zweitägige Waffenruhe?

Zugleich bleibe Israel mit den Vermittlern USA, Katar und Ägypten in Verbindung und kooperiere mit ihnen, hieß es. Dem »Wall Street Journal« zufolge sollen die Gespräche heute in Kairo fortgesetzt werden. Die arabischen Unterhändler planten, auf eine zunächst kürzere Feuerpause von zwei Tagen zu Beginn des Ramadan zu drängen. Der Fastenmonat, eine den Muslimen besonders heilige Zeit, beginnt voraussichtlich am Sonntagabend.

Das US-Militär hat derweil damit begonnen, Ausrüstung für den Bau einer provisorischen Schiffsanlegestelle vor der Küste Gazas in die Region zu transportieren. Das teilte das zuständige Regionalkommando Centcom mit. Am Donnerstag hatten die USA das mit internationalen Partnern geplante Vorhaben angekündigt, um Lebensmittel, Wasser und Medikamente in das Kriegsgebiet zu bringen.

Bis die Anlegestelle einsatzfähig ist, werde es etwa 60 Tage dauern. Die israelische Armee erklärte sich bereit, zusammen mit den US-Streitkräften den Bau zu koordinieren. Humanitäre Hilfe könne dann nach entsprechender Inspektion durch Israel auf dem Seeweg nach Gaza gelangen, sagte Militärsprecher Daniel Hagari am Samstagabend.

Deutschland beteiligt sich an Seekorridor

Unabhängig von der Vorbereitung der provisorischen Hafenanlage arbeitet die internationale Gemeinschaft an der Etablierung eines Seekorridors von Zypern aus. »Wir stehen jetzt kurz vor der Eröffnung des Korridors - hoffentlich diesen Samstag, diesen Sonntag«, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Freitag bei einem Treffen mit dem zyprischen Präsidenten Nikos Christodoulidis. Deutschland beteiligt sich an dem Seekorridor.

Auch im eigenen Land steht Ministerpräsident Netanjahu unter Druck. Tausende Menschen demonstrierten am Samstagabend in Tel Aviv und anderen israelischen Städten für die Freilassung der Geiseln aus der Gewalt der Hamas und zugleich gegen Netanjahus Regierung.

Nahe dem Sitz des Verteidigungsministeriums hielt die Polizei Demonstranten davon ab, eine Stadtautobahn zu blockieren, berichteten israelische Medien. Die Behörde nahm 16 Personen fest. In Caesarea zog eine große Menschenmenge vor eine private Villa Netanjahus. Einer der Redner, ein ehemaliger General, sagte auf den Regierungschef bezogen: »Deine Politik zielt nur auf eines ab: um jeden Preis an der Macht zu bleiben, und der Krieg dient deinen Zwecken bestens.« dpa/ja

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