Jom Hasikaron

Auf den Friedhöfen nicht erwünscht

Feierlichkeiten zum Jom Hasikaron auf dem Herzlberg, 4. Mai 2022 Foto: Flash 90

Die Protest-Shirts sollen zu Hause bleiben! Darum bittet eine Vereinigung von IDF-Reservisten, die sich gegen die geplante Revision des Justizsystems ausspricht, am Jom Hasikaron. Am Montagabend beginnt der nationale Gedenktag für die gefallenen Soldatinnen und Soldaten sowie die Opfer von Terrorismus in Israel. Doch viele sorgen sich, dass die Friedhöfe in diesem Jahr zu Orten von Auseinandersetzungen werden könnten.

»Am kommenden Gedenktag werden wir nicht protestieren, weil unsere Herzen bei unseren Waffenbrüdern und -schwestern sind, die im Kampf gefallen sind«, so die Gruppe »Waffenbrüder« (Brothers in Arms). »Wir werden weinen und die Familien umarmen«, hieß es in einer Erklärung in den sozialen Medien.

SPALTUNG Die tiefe Spaltung in der Gesellschaft, vor allem wegen der geplanten Gesetzesänderungen der rechtsreligiösen Regierung, könnte sich dennoch auf den Friedhöfen des Landes zeigen. Denn Tausende Angehörige gefallener Soldatinnen und Soldaten fordern, dass Politiker am Dienstag nicht wie gewöhnlich an den Zeremonien auf den Militärfriedhöfen teilnehmen oder sprechen. Das bestätigte der Vorsitzende der Gedenkorganisation Yad Labanim, Eli Ben Shem, dessen Sohn gefallen ist.

»Es könnte sogar sein, dass es zu verbalen und sogar körperlichen Auseinandersetzungen kommt, wenn Regierungsminister und Abgeordnete, insbesondere diejenigen, die nicht in der IDF gedient haben, an Veranstaltungen an sensiblen Orten teilnehmen«, sagte Ben Shem im Armeeradio.

»Die Regierung muss gesunden Menschenverstand walten lassen. Sonst kommt es zu einer Katastrophe.«

Leiter yad Labanim, Eli Ben Shem

Besonderes Augenmerk liegt auf dem rechtsextremen Minister für Innere Sicherheit, Itamar Ben-Gvir. Wegen Anstiftung zur Gewalt und Aufwiegelung zum Hass verurteilt und nicht zur Armee zugelassen, ist er eine der kontroversesten Figuren in der Knesset. Er sollte auf einem Militärfriedhof in Beer Sheva sprechen.

MENSCHENVERSTAND »Die Regierung muss gesunden Menschenverstand walten lassen. Sonst kommt es zu einer Katastrophe. Die Friedhöfe sind das Allerheiligste des Staates Israel. Wenn wir Gewalt und Geschrei über den Gräbern unserer Kinder sehen würden, würde ich sterben wollen«, resümierte Ben Shem. Allerdings heißt es in israelischen Medien, Verteidigungsminister Yoav Gallant habe die Bitte von Yad Labanim abgelehnt.

In den vergangenen Tagen hatte eine vorgeschlagene Gesetzesänderung für weitere Spannungen gesorgt. Demzufolge sollen ultraorthodoxen Jeschiwa-Studenten pauschale Ausnahmen vom IDF-Dienst gewährt werden, wie es die charedischen Parteien in der Koalition fordern. Die IDF hat sich bereits dagegen ausgesprochen.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schrieb am Freitagmorgen: »Einigkeit kurz vor den heiligen Tagen, die uns erwarten, ist das Gebot der Stunde. In den letzten Monaten hat es in unserer Demokratie eine wichtige Debatte gegeben, aber zu diesem Zeitpunkt bitte ich alle gewählten Amtsträger, von rechts und links, die Debatte außerhalb der Friedhöfe zu führen. Damit wir uns alle in Stille an unsere Lieben erinnern können.«

»Wenn Ihnen die Einheit des Volkes so wichtig gewesen wäre, hätten Sie unsere Demokratie nicht demontiert und sich stattdessen für die israelischen Bürger eingesetzt.«

oppositionsführer yair lapid

Auch der Jom Haazmaut findet in diesem Jahr nicht ohne Kontroverse statt. Dabei ist es ein besonderer – der 75. – Geburtstag des jüdischen Staates. Doch mehrere Protestgruppen kündigten bereits an, den Tag nicht zum Feiern, sondern für massive Demonstrationen nutzen zu wollen.

Der Oppositionsführer und Vorsitzende der Partei Jesch Atid, Yair Lapid, will sogar die traditionelle Fackelzeremonie boykottieren, die den Jom Hasikaron beendet und den Beginn des Unabhängigkeitstages markiert. Die Entscheidung traf er, nachdem Verkehrsministerin Miri Regev vom Likud, die für die Zeremonie verantwortlich ist, bekannt gab, dass sie, wenn die Live-Übertragung der Veranstaltung von Protesten begleitet wird, zu einer Probenaufzeichnung wechseln wolle.

FEUERWERK »Mein Platz bei der Fackelzeremonie wird leer sein«, twitterte Lapid. Regev habe ihm keine Wahl gelassen. »Ich liebe den Staat Israel aus tiefstem Herzen, aber in drei Monaten haben Sie die israelische Gesellschaft gespalten, und kein gefälschtes Feuerwerk wird das vertuschen. Wenn Ihnen die Einheit des Volkes so wichtig gewesen wäre, hätten Sie unsere Demokratie nicht demontiert und sich stattdessen für die israelischen Bürger eingesetzt«, ließ er die Ministerin wissen.

Regev beharrte darauf, dass sie nur in einem »Sicherheitsfall« umschalten wolle, und rief Lapid sowie den Vorsitzenden der Nationalen Einheit, Benny Gantz, dazu auf, doch noch an der Zeremonie teilzunehmen, denn sie stehe über allen politischen Erwägungen.

Während in den Tagen vor dem 75. Geburtstag Kampfjets im Himmel über Israel ihre spektakulären Stunts für eine Flugshow üben, brodelt es unten im Land ganz gewaltig.

Israel

Guns N´ Roses rocken Tel Aviv

Hard Rock erster Güte ist heute im HaYarkon-Park zu hören

von Imanuel Marcus  05.06.2023

Trauer

Schock über Tod von drei jungen IDF-Soldaten

Die zwei Männer und eine Frau wurden an der Grenze zu Ägypten erschossen / Umstände werden untersucht

von Sabine Brandes  04.06.2023

U-20-Weltmeisterschaft

Israel schreibt mit Fußballkrimi Geschichte

Jugendmannschaft schlägt Favoriten Brasilien und zieht ins Halbfinale ein / Trainer Ofir Chaim: »Das ist für die ganze Nation«

von Sabine Brandes  04.06.2023

Studie

Ist Grüner Tee ungesund?

Israelische und kanadische Forscher finden heraus, dass Grüner Tee ungeahnte Gefahren bergen könnte

von Lilly Wolter  04.06.2023

Nachrichten

Weiss, Gratulation, Kakerlake

Kurzmeldungen aus Israel

von Sabine Brandes  04.06.2023

Israel

Zehntausende demonstrieren gegen Justizreform

Nach einer Demonstration vor dem Haus von Benjamin Netanjahu kam es zu gewaltsamen Konfrontationen

 03.06.2023

Kosten

»Ich rechne alles durch«

Nach den erneuten Zinserhöhungen werden noch mehr Israelis von Geldsorgen geplagt – und müssen sich zunehmend einschränken

von Sabine Brandes  02.06.2023

Trauer

Beisetzung am Geburtstag

Meir Tamari wird Opfer einer Terrorattacke

von Sabine Brandes  02.06.2023

Pride Parade

Bunt, laut - und angespannt

Mehr als 30.000 Mitglieder der LGBTQ+-Gemeinde feiern die Regenbogenflagge und sich selbst in Jerusalem

von Sabine Brandes  01.06.2023