Diplomatie

Antrittsbesuch in Jerusalem

Sie hat einen ersten Eindruck hinterlassen. Und der war gut. In Israel hatte man mit Spannung auf den Besuch der Außenministerin der neuen Bundesregierung, Annalena Baerbock (Die Grünen), gewartet. Die feste Umarmung zum Abschied durch den israelischen Amtskollegen Yair Lapid war symbolisch für die Stimmung.

Man sprach von der »großartigen Freundschaft der beiden Länder« und dass man »ein ausführliches schönes Gespräch geführt« habe. Dabei interessierte die israelische Seite wahrscheinlich vor allem, ob Berlin die Israel-Politik weiterführen will, die die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel 16 Jahre lang geprägt hatte. Merkel hatte die Sicherheit Israels zur Staatsräson erklärt und deutlich gemacht: »Dabei sind wir nicht neutral.« Baerbock äußerte sich eindeutig: »Die Sicherheit Israels ist und bleibt Staatsräson.«

gastgeber Diese Aussage und das Zeichen, dass sie Israel als erstes Ziel ihres Antrittsbesuches auswählte, kamen bei den Gastgebern gut an. Und noch etwas brachte die Grünen-Politikerin mit: ein wenig frischen Wind.

Dem Nahost-Friedensprozess, der seit Jahren festgefahren ist, wolle sie genau das einhauchen, versicherte sie vor dem Abflug nach Nahost, obwohl sie zugab, dass einigen bei dem bloßen Wort nur noch ein müdes Lächeln über die Lippen husche. Sie will sich damit aber nicht abfinden und besprach das Thema auch mit der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah sowie in Jordanien und Ägypten, Israels Nachbarländern, die sie ebenfalls bei diesem Besuch bereiste.

Bei ihrem Treffen mit Lapid am Donnerstagmorgen in Tel Aviv sagte sie: »Ich habe zwar keine Illusionen, doch der herrschende Status quo führt oft zu einer Eskalation. Es gibt aber keine Stabilität ohne Hoffnung.«

absprachen Gleichwohl sehe sie die Maßnahmen der neuen israelischen Regierung, die seit Juni im Amt ist, als vertrauensbildende Schritte. Die wiederaufgenommenen Finanz- und Sicherheitsabsprachen zwischen Israelis und Palästinensern, die vermehrten Arbeitsgenehmigungen für palästinensische Arbeiter sowie Treffen von Politikern beider Seiten würden dies zeigen. In diesem Zusammenhang bestätigte sie, dass »auch die neue Bundesregierung eine Zweistaatenlösung für die beste Lösung im Nahostkonflikt hält«.

»Es gibt keine Stabilität ohne Hoffnung.«

annalena baerbock

Im palästinensischen Westjordanland traf sie Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und Außenminister Riad Malki. Zwischen Israelis und Palästinensern scheint »die Eiszeit der vergangenen Jahre ein bisschen überwunden«, meinte Baerbock und versprach bei der Pressekonferenz mit Malki, dass Deutschland alles dafür tun werde, »die israelischen und palästinensischen Vertreter wieder an den Dialogtisch zu bringen«.

Den jüdischen Siedlungsbau in den Palästinensergebieten sehe Berlin als »schädlich und mit dem Völkerrecht nicht vereinbar an«, hatte sie vorher deutlich gemacht. Deutschland wolle darüber mit Jerusalem im Dialog bleiben. Auf die Frage, ob Jerusalem dieser Einspruch störe, antwortete der israelische Außenminister Lapid: »Es ist in Ordnung, unterschiedliche Auffassungen zu haben. Das ist, was Freunde tun. Wenn ich nur mich selbst hören wollte, könnte ich zu Hause bleiben.«

IRAN Er habe keine Probleme mit Meinungsverschiedenheiten, ob in Sachen Iran oder der Siedlungspolitik, denn »sind wir anderer Meinung, sprechen wir miteinander. Veränderung schafft man durch Dialog«. Man werde Anregungen von »einem großartigen Freund wie Deutschland« durchaus in Betracht ziehen. Die israelische Regierung habe sich auf die Fahnen geschrieben, »keinen Schaden anzurichten«. Zwar baue man bestehende jüdische Siedlungen aus, füge jedoch keine hinzu, die eine Zweistaatenlösung verhindern könnten, so Lapid.

In Bezug auf den Iran habe er seiner Amtskollegin verdeutlicht, dass »ein nuklearer Iran nicht nur Israel, sondern die ganze Welt gefährdet. Der Iran ist ein Terrorexporteur von Jemen bis nach Buenos Aires«. Baerbock antwortete, sie sei überzeugt, dass eine vollständige Wiederherstellung des JCPoA (Joint Comprehensive Plan of Action) die Region sicherer machen würde, einschließlich Israel, »sonst würden wir diese Gespräche nicht führen«. Die Atomgespräche mit dem Iran befänden sich derzeit in Wien in der letzten Phase.

Auf die U-Boot-Lieferungen der Bundesrepublik an Jerusalem angesprochen, erklärte Baerbock, dass man Waffen an NATO-Staaten und aufgrund der Verantwortung der Geschichte für das Existenzrecht Israels auch an den jüdischen Staat liefere. Sie werde nicht über Gesetze sprechen, die man nicht einmal im Kabinett diskutiert habe, doch es gelte, dass Israels Sicherheit Staatsräson sei – eine Änderung der Haltung der Grünen-Politikerin, die sich in einem Interview 2018 gegen »U-Boot-Lieferungen in Krisengebiete« ausgesprochen hatte.

station Lapid dankte der Bundesregierung, »dass sie sich der Sicherheit Israels verpflichtet hat und dies auch durch Taten ausdrückt«. Anders klang es bei der letzten Station ihrer Reise durch den Nahen Osten, in Kairo. Hier hob sie hervor, dass zukünftig die Menschenrechtslage in dem Land für Waffenlieferungen einen größeren Ausschlag geben werde.

Auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft hat sich die Außenministerin in Israel getroffen. Das bestätigte ihr Sprecher nach der Reise bei der Regierungspressekonferenz am vergangenen Montag in Berlin. Über Einzelheiten wurde keine Auskunft erteilt. Ein heikles Thema: Außenminister Sigmar Gabriel sorgte bei seinem Antrittsbesuch 2017 mit Treffen mit Vertretern der Organisation »Breaking the Silence« für erhebliche Verstimmung in Jerusalem. Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte damals ein geplantes Treffen mit dem Gast ab.

Übrigens äußerte sich der amtierende Außenamtssprecher Christofer Burger in der Regierungspressekonferenz auch zur Frage des Apartheid-Vorwurfes, den Amnesty International gegen Israel erhoben hatte. Auch darüber habe die Außenministerin in Israel gesprochen, Berichte über Menschenrechtsverletzungen seien ein Thema gewesen. »Trotzdem halten wir den Vorwurf der Apartheid für falsch und auch für kontraproduktiv, weil er es erschwert, in eine sachliche und vernünftige Diskussion über die Probleme zu kommen, die es gibt«, so Burger.

GEDENKSTÄTTE Vor der Begegnung mit dem israelischen Außenminister hatte Baerbock in Jerusalem die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besucht. »Der Horror, den mein Land über die Welt gebracht hat, vor allem über die Millionen von Juden, ist immer wieder schier unbegreiflich«, sagte Baerbock. Lapid hob hervor, dass »unsere Freundschaft auf der Tatsache basiert, dass wir die Vergangenheit nicht verleugnen, sondern mit ihr umgehen«.

Die Bundesaußenministerin gedachte vor allem der ermordeten Kinder und äußerte sich mit berührenden und sehr persönlichen Worten: »Als Mutter zweier Töchter stockt mir der Atem, wenn ich an die Millionen jüdischer Kinder denke, die ermordet wurden, ihren Eltern entrissen, alleingelassen, voller Angst vor dem Ungewissen.« In der Halle der Erinnerung legte sie neben dem ewigen Feuer einen Kranz zum Gedenken an die sechs Millionen Opfer der Schoa nieder.

In Yad Vashem fand die deutsche Außenministerin sehr persönliche Worte.

»Als Deutsche und als Außenministerin meines Landes halte ich hier in Yad Vashem demütig inne, am Ort der Erinnerung an das millionenfache Leid des Völkermordes an den Juden Europas, den Deutsche akribisch geplant, protokolliert und ausgeführt haben«, schrieb Baerbock in das Gästebuch. Als sie ihren Eintrag vorlas, nachdem sie das Denkmal für die Kinder besucht hatte, spürte man ihre Bestürzung: »Der Gedanke an den Schmerz jedes einzelnen Kindes, jeder einzelnen Mutter, jedes einzelnen Vaters ist kaum zu ertragen.«

verpflichtung Aber Yad Vashem, dieser schmerzvolle Ort, fordere, gerade nicht zu verstummen, nicht zu verharren, schrieb die Politikerin weiter. »Er mahnt uns, die Stimme jener, die das Grauen selbst erlebt haben, zu hören und ihre Werte weiterzugeben. Es ist unsere unbedingte Verpflichtung, gerade als jüngere Generation, die Erinnerung wachzuhalten, insbesondere, wenn immer weniger Zeitzeugen unter uns sind. Und es ist unsere Verantwortung, unsere Stimme zu erheben, gegen Antisemitismus, gegen Hass und Hetze, gegen Ausgrenzung und Gewalt.«

Die Außenministerin erhielt eine Führung durch die Ausstellung. Ein Sprecher der Gedenkstätte sagte anschließend, dass der Besuch »persönlich und sehr erfolgreich« gewesen sei.

»Denn er unterstreicht die Kontinuität der starken Verbindung zwischen Yad Vashem und der Regierung der Bundesrepublik.« Man habe während der Führung durch das Museum und an den außergewöhnlich emotionalen Worten der Außenministerin gespürt, dass ihr Yad Vashem sehr wichtig sei.

JUGENDWERK Bereits vor der Abreise in Deutschland hatte sie junge Menschen erwähnt. Es grenze an ein Wunder, dass gerade junge Menschen in beiden Ländern sich heute so nahe seien, sagte sie. Ein »solches Menschheitsverbrechen« wie die Schoa dürfe sich nie wiederholen, warnte sie in ihrem Eintrag, unterschrieb dann und fügte offenbar ein Herzensanliegen hinzu: »Damit die Kinder dieser Erde alle eine Zukunft haben.« Sie wolle vor allem auf persönliche Begegnungen setzen, um Antisemitismus, Hass und Misstrauen zu kontern, zum Beispiel durch die Einrichtung eines Jugendwerkes.

Sie freue sich auf den Ausbau der Verbindungen zwischen den beiden Ländern in den unterschiedlichen Bereichen, resümierte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ihren Besuch in Israel. »Wir hätten noch Stunden weiterreden können. Also müssen wir uns bald wiedersehen.«

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