Schmitta

Altes Gesetz in neuer Zeit

Ein Schmitta-Jahr auch für Fischer: am Hafen von Jaffa Foto: Flash 90

Es ist uralt und doch ultramodern: das jüdische Gesetz der Schmitta. Alle sieben Jahre soll nach der Halacha das Land brach liegen, Schulden erlassen und Besitz abgegeben werden. Arme Menschen dürfen sich zu dieser Zeit frei auf den Feldern bedienen. Das kommende Jahr 5775 ist ein Schmitta-Jahr. Die Regel, die in der Vergangenheit regelmäßig zu Streit zwischen verschiedenen Interessengruppen um die Auslegung endete, soll nun das Verantwortungsbewusstsein in Israel stärken. Schmitta mit sozialem Touch.

Obwohl eine völlige Ruhe für sämtliches Land, das Aufgeben von persönlichem Besitz und der Erlass von Schulden hehre Ziele sind, können sie in der heutigen Zeit kaum in die Realität umgesetzt werden. Die Mehrheit der Israelis berührt das Gesetz in ihrem Alltag somit kaum.

Umwelt Einat Kramer ist dennoch vom Sinn überzeugt: »Das Schmitta-Jahr ermöglicht eine kollektive Pause vom Wettrennen des modernen Lebens. Alle sieben Jahre gibt es eine Möglichkeit, alles etwas langsamer anzugehen. Ein ganzes Jahr, in dem man sich auf Gemeinschaft, Geist und Kultur besinnen kann.« Die Direktorin von Tewa Iwri glaubt, Schmitta gewinne überall auf der Welt zunehmend an Bedeutung für Juden, denen soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz und jüdisches Leben wichtig sind. Die Organisation wirbt für Verantwortung im sozialen Bereich und für die Natur auf Basis jüdischer Werte.

Allerdings sei Schmitta in Israel in den vergangenen Jahren durch politische und wirtschaftliche Interessen verdorben worden, die den historischen und ethischen Hintergrund verblassen lassen, gibt Kramer zu bedenken. Landwirte müssten heutzutage vornehmlich auf die Marktbedingungen achten und sollen gleichzeitig anhand von Kaschrut-Standards handeln. Kramer bezieht sich vor allem auf die Debatte, die vor dem vergangenen Schmitta-Jahr zwischen Säkularen und Religiösen getobt hatte. »Wir sollten das nun aber hinter uns lassen und der Schmitta ihren rechtmäßigen Platz im jüdischen Leben zurückgeben.«

Um das voranzutreiben, stimmte die Regierung jetzt einem Plan zu, der den Landwirten ein 20-Millionen-Euro-Budget zuspricht, aus dem die Kompensationen gezahlt werden, wenn sie ihre Felder ein Jahr lang nicht bestellen. Die israelischen Bauern können selbst entscheiden, ob sie die Schmitta beachten oder nicht.

Schulden Auch vor diesem Ruhejahr hatten religiöse Institutionen und das Landwirtschaftsministerium monatelang darüber gestritten, wer die Gelder verwalten soll. Als kurz vor dem Beginn des neuen jüdischen Jahres keine Einigung in Sicht war, entschied das Kabinett prompt, dem Finanzministerium den Schlüssel zur Geldschatulle auszuhändigen.

Dass der Streit beigelegt ist, freut Kramer, denn sie ist sicher, dass die Schmitta die Fähigkeit hat, die soziale Ordnung zu verändern. »Und ich glaube, wir alle stimmen überein, dass eine Neuerung längst überfällig ist.« Glücklicherweise gebe es in 5775 nicht mehr nur Idealisten und Aktivisten, die das Positive der Schmitta hervorbringen wollten, sondern zudem Initiativen der Regierung.

Das Ergebnis ist die »Schmitta-Plattform«, initiiert von Privatleuten, Non-Profit-Organisationen, Regierungsmitgliedern und Unternehmen, die monatelang an Programmen gearbeitet haben, die Schmitta für die Bevölkerung zugänglicher und bedeutsamer zu machen.

Eines davon ist das Programm zur wirtschaftlichen Rehabilitierung, bei dem verschuldeten und sozial schwachen Familien ein Teil ihrer Schulden erlassen wird. Die Knessetabgeordnete Ruth Calderon von Jesch Atid setzt sich dafür ein, dass in einer praktischen Auslegung der Schmitta 5000 Familien ein Neustart ermöglicht wird. »Normalerweise kann die Mizwa der Schmitta nur in Israel ausgeübt werden«, sagt die Parlamentarierin, »aber unsere Initiative ermöglicht es Juden von überall her, das Gebot zu erfüllen.« Denn die offenen Rechnungen der Verschuldeten sollen aus einem Fonds bezahlt werden, in den Juden aus jedem Land der Welt einzahlen können.

Sammeln Andere Aktionen sollen beispielsweise jungen Menschen nach der Armee helfen, ihre Finanzen zu regeln, und sie über den Umgang mit Geld aufklären. Außerdem will Calderon ein Schabbatjahr für die Fischerei einführen. Allen Fischern, die sich daran beteiligen, um dem Leben in den Meeren die Chance der Erneuerung zu geben, erhalten ihr Gehalt zwölf Monate lang von der Regierung.

Eine Gruppe, die auch während des Schmitta-Jahres arbeitet, um die sozial Schwachen in Israel durch das Sammeln von Lebensmitteln zu unterstützen, ist Leket. Durch die vom Oberrabbinat genehmigte Ausnahmeregelung »Heter Mechira«, nach der das Land von jüdischen Eigentümern vorübergehend an Nichtjuden verkauft wird, kann Leket die nicht geernteten landwirtschaftlichen Produkte von Feldern und aus Obstplantagen weiter verwenden.

Auch die Sammlung von übrig gebliebenen Speisen übernimmt Leket, etwa bei Veranstaltungen oder Firmenkonferenzen, und verteilt sie an Bedürftige. »Unser Umgang mit der Schmitta hebt deren besonderen humanitären Aspekt hervor«, erklärt ein Sprecher von Leket. »Nämlich den Armen zu helfen.«

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  20.11.2025 Aktualisiert

Geiseln

»Alon – du bist nicht allein«

Der israelisch-deutsche Doppelstaatsbürger Alon Ohel spielt auf dem Klavier, das eigens auf dem Platz der Geiseln für ihn aufgestellt wurde

von Sabine Brandes  20.11.2025

Gaza-Gefangenschaft überleben

»Wut zerstört dich«

Der nach mehr als zwei Jahren aus der Hamas-Gefangenschaft entlassene Avinatan Or hat eine zutiefst bewegende und motivierende Rede über Resilienz gehalten. Eine Dokumentation

von Avinatan Or  20.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  20.11.2025

Israel

Späte Aufklärung

Der Oberste Gerichtshof erwirkt einstweilige Verfügung gegen die politische Untersuchungskommission der Regierung

von Sabine Brandes  20.11.2025 Aktualisiert

Wetter

Hitzewelle im November

In Israel werden Temperaturen erwartet, die deutlich über dem jahreszeitlichen Durchschnitt liegen

 20.11.2025 Aktualisiert

Nahost

Israels Armee greift Hisbollah-Gebäude im Libanon an

Vor einem Jahr trat die Waffenruhe in Kraft. Nun wirft Israel der libanesischen Terrorgruppe vor, sich neu zu strukturieren und aufzurüsten

von Cindy Riechau  19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

Weltall

Studie: Viele ferne Planeten könnten über Wasser verfügen

Israelische und amerikanische Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Himmelskörper Wasser direkt in ihrem Inneren produzieren

 19.11.2025