Sein Herz habe geklopft, als er die Scherbe auf dem Boden sah. Eylon Levy, Mitarbeiter von Präsident Isaac Herzog, war im Dezember zu Besuch im Nationalpark Tel Lachisch, als er ein Keramikstück aufhob und darauf überraschenderweise eine Gravur entdeckte. Levy übergab es an Experten der Altertumsbehörde (IAA), die attestierten, dass es sich um eine antike Inschrift handelt. Die Sensation schien perfekt.
Die aramäischen Buchstaben auf der gebrannten Tonscherbe lauteten »Jahr 24 des Darius«, was das Artefakt auf 498 v.d.Z. datierte. »Der kurze Text verzeichnet somit den Namen des persischen Königs Darius des Großen (Darius I), des Vaters von Ahasver – auch bekannt als der biblische Achaschwerosch aus dem Buch Esther, das jährlich an Purim gelesen wird«, schrieb die Behörde und veröffentlichte die Entdeckung kurz vor dem jüdischen Fest.
Entdeckung Doch mehr noch: »Dies ist die erste Entdeckung einer Inschrift mit dem Namen von Darius dem Großen irgendwo im Land Israel«, wurde hervorgehoben. Während seiner langen Regierungszeit (522 bis 486 v.d.Z.) expandierte das persische Achämenidenreich und erreichte seine größte Ausdehnung unter seinem Sohn Hishrash (Achaschwerosch, griechisch Xerxes), der den größten Teil der antiken Welt regierte.
»Es ist erstaunlich, dass Besucher auf eine so seltene Inschrift mit einer Art ›Wiederbelebung‹ des uns aus Quellen bekannten persischen Königs Darius stoßen«, freute sich der IAA-Direktor, Eli Escuzido. »Sein Sohn König Achaschwerosch, der von Indien bis Kusch regierte, hätte sicher nie gedacht, dass wir 2500 Jahre nach den dramatischen Ereignissen an seinem königlichen Hof Beweise für seinen Vater in Israel finden würden!«
Das Ostrakon (Bezeichnung für eine Tonscherbe, die in der Antike als Schreibmaterial diente) sei im analytischen Labor sowie durch den Archäologen Saar Ganor von der Altertumsbehörde und Professor Haggai Misgav von der Hebräischen Universität Jerusalem untersucht worden.
Anschließend bestätigte die IAA, dass es sich um einen ausgesprochen seltenen Fund handelte, der einen Beweis für die persische Königsverwaltung in Lachisch in der Zeit der Achämeniden um die Wende des 5. Jahrhunderts v.d.Z. darstellte. Die Scherbe wurde sogar in der Zeitschrift »Atiqot« vorgestellt.
»Als ich sie in die Hand nahm und die Inschrift sah, zitterten meine Hände«, erzählte Levy im Anschluss. »Ich habe links und rechts nach den Kameras gesucht, weil ich mir sicher war, dass mir jemand einen ausgeklügelten Streich spielt.« Ein Streich war es nicht.
Erklärung Doch zwei Tage später, genau vier Tage vor dem Beginn des Purimfestes, kam die plötzliche Kehrtwende. Die IAA gab eine Erklärung heraus: »Die israelische Altertumsbehörde möchte die Öffentlichkeit darüber informieren, dass die Inschrift mit dem Namen Darius der Große nicht authentisch ist.«
Die Darius-Inschrift ein Fake? Nicht wirklich, denn das würde Absicht unterstellen. Doch das war es nicht. Stattdessen habe sich nach der ursprünglichen Veröffentlichung über den spektakulären Fund eine Expertin bei der Behörde gemeldet, die im vergangenen August an einer Ausgrabungsexpedition teilgenommen hatte. Sie ist eine der wenigen Forscherinnen, die sich auf alte aramäische Inschriften spezialisiert hat.
Diese Expertin berichtete, wie sie damals einer Gruppe von Studenten die Art und Weise gezeigt habe, wie Scherben in der Antike beschriftet wurden. Anschließend ließ sie das vier mal vier Zentimeter große Stück am Fundort zurück, was zu der fehlerhaften Identifizierung führte. »Nach einer Befragung war klar, dass alles ohne bösen Willen geschehen war«, klärte die Behörde auf.
»Die IAA übernimmt die volle Verantwortung für diesen unglücklichen Vorgang«, machte der leitende Wissenschaftler, Professor Gideon Avni, klar. »Wie sich herausstellt, trägt der Fund keine antike Inschrift. Als Institution, die nach der wissenschaftlichen Wahrheit strebt, verpflichten wir uns, den gemachten Fehler zu korrigieren und der Öffentlichkeit bekannt zu machen.«
Man sehe dies im Hinblick auf ethische und wissenschaftliche Praktiken »als einen sehr schwerwiegenden Vorfall«. Eine neu beschriftete Scherbe auf dem Gelände zu belassen, sei fahrlässig. Dies habe zu dem Fehler der Forscher geführt und die wissenschaftliche Wahrheit verzerrt. Allerdings seien derartige Fälle in der archäologischen Forschung sehr selten.
Phänomen Es sei aber ein Phänomen, das die gesamte wissenschaftliche Gemeinschaft seit vielen Jahren beunruhige, gab Avni zu. »Dieser Vorfall veranschaulicht die Gefahren des Hinzufügens moderner Schriften auf antiken Artefakten.« Neben der paläografischen Untersuchung der Scherbe durch einen erfahrenen Epigrafiker sei sie in verschiedenen Labors untersucht und tatsächlich für antik befunden worden.
»Dies beweist einmal mehr, dass nur Funde, die bei kontrollierten archäologischen Ausgrabungen entdeckt wurden, als 100 Prozent authentisch gelten sollten«, resümiert der Experte, »und dass alle anderen Funde Fragen bezüglich ihrer Authentizität aufwerfen müssen.«