Mittelmeer

170 Kilometer Katastrophe

Maoz Fine steht am Fenster seines Büros im Institut für Marinewissenschaften der Bar-Ilan-Universität in Eilat und schaut hinaus. Das Rote Meer schimmert in der Sonne. Doch das Idyll trügt. »In der Ferne sehe ich ein riesengroßes Tankschiff, das zum Ölterminal fährt«, berichtet er am Telefon. Für ihn der Vorbote für weiteres Unheil. So wie die Naturkatastrophe, die sich gerade im Mittelmeer an der israelischen Küste abspielt.

Es ist das größte Umweltdesaster der vergangenen Jahrzehnte, vielleicht sogar in der Geschichte des Staates, heißt es von offizieller Seite. Mehr als 170 Kilometer und damit nahezu die Hälfte des gesamten Küstenstreifens Israels sind betroffen. Die Regierung rief die Bevölkerung auf, den Stränden fernzubleiben, von Rosch Hanikra im Norden bis an den Gazastreifen im Süden sind die meisten bis auf Weiteres abgesperrt.

Flecken Große Mengen Teer sind seit Mittwoch vergangener Woche, als die ersten dunklen Flecken auftauchten, angeschwemmt worden. Auch Tierkadaver wurden gefunden, darunter ein zehn Meter langer Babywal am Nitzanim-Strand im Süden. Als er obduziert wurde, strömten riesige Mengen Teer aus seinem Magen. Ein verstörender Anblick. Andere Kadaver und mit Öl verschmutzte Tiere werden noch immer an der Küste angeschwemmt, darunter Schildkröten und Vögel.

Der Leiter der israelischen Natur- und Parkbehörde, Shaul Goldstein, hält das illegale Ablassen von Öl aus einem oder mehreren Tankschiffen für die wahrscheinliche Ursache. Umweltorganisationen, die Armee und Tausende Freiwillige säubern derzeit die Strände. Eine Sisyphosarbeit per Hand, »die viele Jahre dauern könnte«, meint Goldstein. Vor allem die felsigen Küstenstreifen sind mit dem schwarzen Gift verseucht.

Das Umweltministerium in Jerusalem erklärte, es habe von der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs den Hinweis erhalten, dass ein Ölteppich rund 50 Kilometer vor Israels Küste gesichtet wurde, der die Quelle der Verschmutzung sei. Dutzende Tonnen Rohöl seien wohl abgelassen worden. Israelische Medien berichteten, dass der Tanker »Minerva Helen«, der unter griechischer Flagge fährt, in das Unglück verwickelt sein soll. Der Eigentümer wies Vorwürfe zurück.

»Ein einziges Ölleck würde die gesamte Natur im Roten Meer zerstören.«

Maoz Fine

Eine vorausgegangene Nachrichtensperre stößt bei Fine auf Unverständnis. »Das Mittelmeer ist ein riesengroßer Schatz. Es ist Quelle für Wasser, Lebensmittel, Tourismus, Energie. Es gehört den Menschen in den Anrainerstaaten – und den zukünftigen Generationen. Da darf nicht vertuscht werden, was geschehen ist, um die Verursacher zu schützen.«

Tatsache ist, dass enorme Mengen von Rohöl und Teer an den Stränden angeschwemmt wurden. »Es ist ein Killer!« Fine erläutert: »Wenn Rohöl und Teer die Strände erreichen, verschmutzen sie den Sand und die felsigen Gezeitengegenden. Man muss nur an die vielen wundervollen Gezeiten-Pools und Steinformationen an der Küste denken. Da wimmelt es nur so vor Leben.«

Seien sie jedoch einmal mit Teer verschmutzt, sei alles tot. »Und das ist nur der kurzfristige Effekt. Langfristig schaden die verschiedenen Gifte, die im Teer enthalten sind, der Nahrungskette in der Strandgegend für lange Zeit. Das ist eine riesengroße Gefahr, die alles hier verändert.«

Ökosystem »Es geht nicht nur um dreckige Strände oder Unannehmlichkeiten für Menschen, die sich am Strand aufhalten oder im Meer schwimmen wollen. Es geht vielmehr um das gesamte Ökosystem an der Küste, das Schaden nimmt. Das reicht viel weiter als das, was wir mit bloßem Auge sehen können.« Der Professor ist sicher, dass der Großteil des Teers schon in einigen wenigen Monaten völlig entfernt ist. Vor allem deshalb, weil so viele Freiwillige bei der Säuberung helfen. »Allerdings dauert die Regeneration oft viel länger als anfänglich angenommen.«

Fine ist Initiator eines Briefes, den er vor Kurzem gemeinsam mit 230 Experten an Premierminister Benjamin Netanjahu geschickt hat, um ihn bei dem Öltanker-Pipeline-Deal zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten zum Umdenken zu bewegen. Wird das Abkommen ungehindert umgesetzt, könnten jährlich Millionen von Tonnen Rohöl durch Eilat geschifft werden. »Mindestens zwei riesengroße Tanker sollen pro Woche hier einlaufen, später sogar eine Pipeline gebaut werden«, sagt der Wissenschaftler.

»Das würde bedeuten, dass eine weitere Naturkatastrophe vorprogrammiert ist. Die Frage ist dann nicht mehr, ob es dazu kommt, sondern nur noch wann. Wir wollten beantragen, dass das Korallenriff zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wird. Und jetzt bringen wir Öltanker?«. Dabei handele es sich um ein außergewöhnliches Riff, das relativ resistent gegen Klimaerwärmung ist. Das, was gerade geschieht, vergrößert die Sorge des Meeresexperten um das Korallenriff. »Ein einziges Ölleck würde die gesamte Natur im Roten Meer zerstören. Und es dauert nicht Tage, bis das schwarze Gift an die Küste gelangt. Hier sprechen wir von Minuten.«

Richtung »Wir versuchen, in Eilat die Katastrophe zu verhindern, die im Mittelmeer bereits geschah.« Während sich viele Länder von fossilen Brennstoffen entfernten, gibt es hier diesen Deal, kritisiert Fine. »Wir sollten uns in eine völlig andere Richtung bewegen.«

Von der Regierung haben er und seine mehr als 200 international anerkannten Wissenschaftler-Kollegen keine Antwort auf ihr Schreiben bekommen. »Eine große Enttäuschung und ein völlig unverantwortlicher Akt«, findet Fine. Ein wenig Hoffnung bleibt ihm noch: »Dass das Desaster, das gerade im Mittelmeer passiert, ein lauter Weckruf für die Verantwortlichen ist.«

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