Glossar

Schituf

Idee des »Schituf«: Leitfaden für den interreligiösen Dialog Foto: imago

Dem hebräischen Ausdruck »Schituf« liegt das Verb »beteiligen« oder »Anteil nehmen« zugrunde. In der jiddischen Alltagssprache der osteuropäischen Juden ist der »Schutaf« ein Teilhaber im Geschäftsleben. Weniger bekannt ist, dass der Begriff »Schituf« eine religionsethische Bedeutung hat. In der Gelehrtenwelt versteht man unter »Schituf« die besondere Art der Liebe und Verehrung des G’ttes Israels.

Diese unterscheidet uns Juden von anderen Religionsgemeinschaften, die wir nicht als bedingungslos konsequent monotheistisch betrachten können. Der Begriff »Schituf« soll zum Ausdruck bringen, dass nach rabbinischen Maßstäben die Anhänger anderer Religionsgemeinschaften nicht eindeutig als polytheistisch zu bezeichnen sind, man sie jedoch auch nicht zu Monotheisten erklären kann.

Heidentum Der Begriff »Schituf« wurde öfters verwendet, um die Trinität, die Dreifaltigkeit der christlichen theologischen Dogmatik, zu qualifizieren. Manche rabbinischen Autoritäten wollten das Christentum nicht mit Polytheismus und Heidentum gleichsetzen. Hinter dieser wohlüberlegten Unterscheidung mancher Gelehrter stand die Auffassung, dass Nichtjuden sich zwar zur Trinität bekennen können, man sie jedoch nicht als Götzendiener betrachten müsse.

Der Begriff Schituf begegnet uns das erste Mal im Talmud, im Traktat Sanhedrin 63b. Die Tosafot-Passage nimmt eine liberalere Einstellung gegenüber dem Christentum ein. Gelehrte wie Jecheskiel Landau aus Prag (1713–1793) deuteten die Tosafot-Kommentare zu der zitierten Stelle dahingehend, dass es Nichtjuden zwar erlaubt sei, auf ihre Gottheit vor Gericht einen Eid abzulegen, aber ihre religiöse Verehrung dennoch Götzendienst bleibt. Diese Einstellung teilten nicht alle Rabbiner.

Maimonides, der Rambam (1135–1204), bezeichnet an mehreren Stellen seiner Werke das Christentum als götzendienerische Religion. Viele unserer Weisen, die zur gleichen Zeit lebten, definieren das Christentum jedoch als Schituf, als Position zwischen Mono- und Polytheismus.

Der bedeutende talmudische Gelehrte Abuha D’Schmuel (Vater des Schmuel) meinte: »Es ist verboten, mit einem Nichtjuden eine geschäftliche Verbindung einzugehen« (Sanhedrin 63b). Grundlage für dieses Verbot ist, dass es einem Juden laut der Tora (2. Buch Mose 23,13) untersagt ist, einen Eid auf nichtjüdische Gottheiten vor Gericht auch nur anzuhören.

Der Remo, der bekannte Krakauer Rabbiner Mosche Isserles (1520–1572), meinte: »In unserer Zeit sind geschäftliche Verbindungen mit Christen erlaubt, weil sie ihre Schriften (Evangelium), wenn sie auf sie schwören, nicht als göttlich betrachten. Selbst wenn sie Jesus und Gott gemeinsam erwähnen, denken sie doch an den Schöpfer der Welt« (Darche Mosche; Jore Dea 156).

Götzendienst Dagegen sind heutige orthodoxe Gelehrte wie Rabbi David Berger, Dekan der Yeshiva University in New York, der Meinung, dass aufgrund der Halacha das Christentum als Götzendienst zu bewerten sei. Der Schituf und damit eine tolerantere Haltung habe sich nur auf einen Eid des nichtjüdischen Geschäftspartners vor Gericht bezogen. Louis Jacobs, die britische Autorität des konservativen Judentums (1920–2006), war diesbezüglich friedfertiger. Er meinte, die jüdische Polemik gegen die Trinität beruhe auf einem falschen Verständnis dieses Dogmas.

Man sieht, dass manchmal selbst halachische Meinungen und Entscheidungen von den jeweiligen Epochen, ihrer Kultur und der religiösen Dominanz der Mehrheitsreligion abhängig sind. Jüdische Gelehrte konnten sich unter der christlichen Herrschaft nicht immer eine freie Kritik am christlichen Dogma erlauben. Kulturgeschichtlich könnte man die Idee des »Schituf« vielleicht als einen Leitfaden des interreligiösen Dialoges bezeichnen.