Dieser hebräische Ausdruck bezeichnet Methoden und unterschiedliche Arten des klassischen talmudischen Studiums in den Jeschiwot, den Lehrhäusern. Vor allem ist für diese Art der Studien eine subtile, juristische Kasuistik charakteristisch – eine Gesetzgebungstechnik, die versucht, durch Fallgruppen-Bildung den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen. Das hebräische Wort »Pilpel« bedeutet Pfeffer und weist auf Schärfe, in unserem Fall auf scharfsinnige Diskussionen der Talmudgelehrten hin.
In der Zeit des Talmud, bis zum 6. Jahrhundert nach der Zeitrechnung, diente der Pilpul dazu, logische Unterscheidungen und scheinbare Widersprüche durch Nachdenken zu begradigen oder auszugleichen. Dabei wurde oft eine konzeptionelle Analyse des Stoffes zum besseren Verständnis benutzt.
Tradition Diese Methode wies oft Abweichungen von rein philologisch bestimmten Textstudien und der mündlich überlieferten Tradition oder tradierter Texterklärungen früherer, anerkannter Gelehrter auf. Die Gelehrten der Pilpul-Methode bevorzugten die eigenen Lehrmeinungen, die sie mit der Autorität der Tradition begründeten. Diejenigen Meister dagegen, die sich strikt auf den einfachen Sinn der Texte (P’schat) und ihre traditionellen Auslegungen stützten, lehnten die Argumente der Pilpul-Anhänger schon wegen ihrer gewagten Originalität ab.
Jedoch erkennen die meisten Forscher an, dass die Methode des Pilpul eine vitale Notwendigkeit für den Aufbau und die Festigung hermeneutischer Verbindungen zwischen der geschriebenen Tora und der rabbinischen, mündlichen Lehre war. Der Pilpul wurde auch als didaktische Methode geschätzt, um Intellekt und Auffassungsvermögen der Schüler zu schärfen.
In der talmudischen Zeit wurde die Pilpul-Methode nicht überall und gleichermaßen betrieben. Die babylonischen Meister waren stärker von dieser Methode beeinflusst als die Gelehrten der Schulen und Akademien des Heiligen Landes. Im Nachhinein lässt sich feststellen, dass diese Methode wichtige Aufgaben in der jüdischen Geistes- und Kulturgeschichte erfüllt hat.
Einheit Sie diente zur Festigung der Einheit von schriftlicher und mündlicher Tora und stärkte das Prinzip, dass beide aus einer g’ttlichen Offenbarung herrühren. Außerdem bedeutete sie eine ständige Herausforderung für die geistig-kreativen Kräfte der Lehrer und Schüler und hielt sie von eintönigen Lernübungen fern. Diese Methode ermöglichte sogar, dass begabte Schüler das Studium mit neuen Elementen selbst bereichern konnten.
Eine neue Welle der Pilpul-Methode entstand um die Tosafisten (»Ergänzer«) in der Zeit vom 11. bis zum 14. Jahrhundert in Frankreich, Deutschland und Spanien. Sie verfassten Zusätze und Interpretationen zu den Rechtsnormen des Talmud. Bis heute sind ihre Werke am Rand eines jeden Talmudtexts abgedruckt. Auch hier diente diese Methode zur Harmonisierung der vielseitigen Lehrmeinungen. Sie trug auch zur Intensivierung der Kasuistik und der Disputationen bei. Die Pilpul-Methode wurde häufig in den berühmten Jeschiwot von Nürnberg und Regensburg ausgeübt. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts erschöpfte sich die Bewegung.
Vor Erfindung des Buchdrucks wurden die Werke der Talmudgelehrten nur mündlich tradiert. Die Schüler hielten sie nach dem Vortrag des Meisters auf »Kunteres«, viertelseitigen Handschriften, fest. Obwohl Mönche etliche beschlagnahmten und gar verbrannten, blieben uns viele erhalten.