Das grausame Attentat auf eine Chanukka-Feier in Sydney hat uns alle fassungslos gemacht. Mindestens 15 Menschen wurden durch den Terror aus dem Leben gerissen, viele weitere wurden verletzt. Obwohl das Attentat 24 Flugstunden entfernt geschah, fühlen sich diese Verluste für viele von uns so an, als seien sie direkt im eigenen Umfeld zu beklagen. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen.
Der Angriff von Sydney fühlt sich für uns so nah an, weil wir schon viel zu häufig Attentate auf Juden in allen Teilen der Welt erleben mussten. Diese Gewalt, dieser antisemitische Terror, ist kein unglücklicher Zufall und erst recht kein Einzelfall. Er geschah nach akribischer Planung und Vorbereitung. Er erinnert uns an die Synagoge in Halle an Jom Kippur 2019, die Synagoge in Manchester an Jom Kippur 2025. Vor allem erinnert er uns an das Massaker vom 7. Oktober 2023 an Simchat Tora. Nun Sydney an Chanukka.
Das besonders Perfide an den Attacken war, dass jüdische Feiertage genutzt wurden, um Menschen anzugreifen und zu töten. Das Ziel dieser Angriffe ist nicht nur die Tötung von Juden, sondern unsere Demoralisierung und Einschüchterung. Juden soll jedes Gefühl der Sicherheit genommen werden.
Wir alle spüren, dass der Antisemitismus in den letzten beiden Jahren explosionsartig gewachsen ist. Er hat eine ungeahnte Enthemmung erfahren. Was viele zuvor nur im Verborgenen dachten, ist sagbar geworden. Aufrufe zur Gewalt haben ein Klima geschaffen, das blutige Taten hervorbringt. Wer »Globalize the Intifada« ruft, der beschwört exakt das, was in diesem Jahr in Manchester oder nun in Sydney geschehen ist: Morde an Juden, verübt aus dem einzigen Grund, dass sie Juden sind.
Attacken wie das Attentat von Sydney lassen uns als jüdische Gemeinschaft enger zusammenrücken.
Wer glaubt, dieses Morden mit dem Verweis auf das vermeintliche Handeln der israelischen Regierung relativieren zu können, entlarvt am Ende nur seinen eigenen Hass auf Juden. Wir fallen nicht auf all jene herein, die nun Betroffenheit heucheln, aber bis vor Kurzem mit ihrer sogenannten »Israelkritik« und ihrem »Antizionismus« den Hass erst geschürt haben, der nun losgebrochen ist. Sie werden von Neuem damit beginnen, gegen den jüdischen Staat und jüdisches Leben zu hetzen. Wir dürfen nicht müde werden, ihre Verlogenheit offenzulegen.
Genauso verlogen sind die vermeintlichen Freunde, die nun schon immer gewusst haben wollen, wie Judenhass entsteht, und die uns ihren Kampf gegen Einwanderung und die offene Gesellschaft als Lösung des Problems präsentieren. Für diese falschen Freunde hat der Kampf gegen den Antisemitismus nur einen instrumentellen Wert. Sie nutzen ihn, um Vorurteile zu schüren. Der Schutz jüdischen Lebens um seiner selbst willen bedeutet ihnen nichts.
Taten wie das Attentat von Sydney lassen uns als jüdische Gemeinschaft enger zusammenrücken. Unseren Brüdern und Schwestern in Australien habe ich im Namen aller deutschen Jüdinnen und Juden unser tiefes Mitgefühl zum Ausdruck gebracht. Die jüdische Gemeinschaft in Australien ist stark und lebendig. Sie weiß: Sie ist nicht allein, denn Juden auf der ganzen Welt stehen an ihrer Seite. Doch der australische Staat hat die jüdische Gemeinschaft dort im Stich gelassen. Dass zwei Terroristen ohne Mühe eine zentrale Brücke besetzen und von dort ungehindert auf die Besucher der Feier schießen konnten, ist ein eklatantes Versagen der dortigen Sicherheitsbehörden.
An ihrem Ziel, jüdisches Leben unsichtbar zu machen, werden unsere Feinde immer scheitern.
In Deutschland hat der Angriff auf die Synagoge in Halle 2019 die Politik und die Sicherheitsbehörden im ganzen Land aufgerüttelt. Die Sicherheitskonzepte wurden kritisch überprüft, die Sicherheitsinfrastruktur jüdischer Einrichtungen modernisiert und verbessert. Absoluter Schutz ist niemals möglich, dieser Wahrheit müssen wir ins Auge blicken. Doch in Deutschland haben alle Parteien, die in den vergangenen Jahren regiert haben, die Bedeutung des Schutzes jüdischen Lebens erkannt. In diesem Geiste erwarten wir, dass unsere Sicherheitsbehörden weiterhin wachsam bleiben und im Schutz jüdischer Einrichtungen und Veranstaltungen nicht nachlassen. Keine Chanukka-Feier und keine andere jüdische Veranstaltung soll je abgesagt werden müssen.
Denn Angriffe auf jüdische Einrichtungen und Veranstaltungen treffen primär Juden, doch in letzter Konsequenz sind sie immer Akte gegen unsere Art des Zusammenlebens, gegen unsere Werte, gegen unsere Demokratie als Ganzes. Jeder Angriff auf Juden zielt direkt auf das Herz unserer Gesellschaft. Es ist unsere Aufgabe als Juden, Ihre und meine, dafür zu sorgen, dass jeder aufrechte Demokrat diese Botschaft versteht und sie auch verinnerlicht.
Der Angriff am Bondi Beach hat uns zu Beginn von Chanukka erschüttert. Chanukka ist das Fest der jüdischen Selbstbehauptung. In diesen Tagen brennen die Lichter auf den Chanukkiot im ganzen Land, jeden Tag eines mehr. Die Terroristen von Sydney haben es nicht vermocht, diese Kerzen zu löschen oder sie am Brennen zu hindern. Das ist Teil der kollektiven Erfahrung und unserer jüdischen Identität. Ganz gleich, wie viel Leid unsere Feinde über uns bringen: An ihrem Ziel, jüdisches Leben unsichtbar zu machen, werden sie immer scheitern.
Ich wünsche Ihnen deshalb trotz der Bedrohungen durch den Antisemitismus, trotz des Anschlags von Sydney, frohe und schöne Chanukkatage. Wir werden uns diese nicht durch den Terror nehmen lassen.
Am Israel chai!
Der Autor ist Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Sein Brief wird an alle jüdischen Gemeinden in Deutschland verschickt.