Jiddisch

Wortreiche Geste

von
Katharina Schmidt-Hirschfelder

Unerwartete Töne: Die schwedische Integrationsministerin Nyamko Sabuni überrascht wenige Tage vor Rosch Haschana mit dem Vorschlag, Finnisch und Jiddisch für Muttersprachler mehr zu fördern. Demnach soll ab 2008 gelten, was für Schwedens weitere offizielle Minoritätssprachen – Samisch, Tornedalfinnisch und Romani – längst Alltag ist: Bereits ein Kind pro Kommune darf Muttersprachenunterricht in Anspruch nehmen, und nicht wie bisher eine Gruppe von mindestens fünf Schülen. Zudem reichen schon Basiskenntnisse aus, um als Muttersprachler zu gelten, Jiddisch als tägliche Umgangssprache ist kein Muss.
Integrationsministerin Sabuni und Bildungsminister Jan Björklund, beide von der Liberalen Volkspartei, reagieren damit auf die Kritik des Europarates. Der wirft Schwedens Politikern seit Langem vor, geltende EU-Normen für Minderheitensprachen zu missachten. »Mit dieser Entscheidung werden wir den Forderungen besser nachkommen«, erklärte Sabuni knapp. Paula Grossman von der Schwedischen Gesellschaft für Jiddisch begrüßt die rechtliche Angleichung. »Seitdem Jiddisch 2002 als offizielle Minderheitensprache anerkannt wurde, haben wir mehr staatliche Unterstützung bekommen«, freut sie sich. Sogar eine eigene Website und eine Fernausbildung für Grundschulen gebe es inzwischen. »Ich hoffe, dass nun mehr Kinder diese neue Möglichkeit nutzen werden.«
Der potenziellen Zielgruppe fehlen allerdings selbst die Grundvoraussetzungen. Selbst wer von Schwedens 20.000 Juden mit Jiddisch aufwächst, bevorzugt eher andere Sprachen. So wie Paula Grossman selbst. Die engagierte Lehrerin hat ihre Liebe zu Jiddisch erst vor acht Jahren entdeckt. »Wenn meine Eltern Jiddisch sprachen«, erinnert sich die Tochter von Überlebenden, »habe ich alles verstanden. Aber ge- antwortet habe ich auf Schwedisch.« Im vergangenen Schuljahr haben – landesweit! – gerade einmal 20 Schüler Jiddisch als Muttersprachenunterricht beansprucht. Die meisten von ihnen kommen aus orthodoxen Familien in Stockholm, Göteborg und Malmö, so wie die Kinder von Chaim Greisman. Der Stockholmer Chabad-Rabbiner ist mit Jiddisch aufgewachsen. »Meine Eltern haben Jiddisch gesprochen und auch meine Großeltern, in dieser Sprache bin ich zu Hause. Meine Kinder ebenso.« Deshalb kann sich Greisman zusätzlichen Muttersprachenunterricht gut vorstel- len. »Es ist eine jüdische Sprache. So wie Hebräisch.« Und leise fügt er hinzu: »Wo die Tradition unterbrochen ist, müssen wir sie weiterführen.«
Was für Rabbi Greisman ganz natürlich ist, empfinden andere jüdische Familien eher als aufgesetzt. Ob tatsächlich viele Kinder aus jüdischen Familien das neue Angebot nutzen werden, ist deshalb fraglich. Das Interesse an Jiddisch habe »vor allem wegen der Literatur und der Musik« in den vergangenen Jahren zwar zugenommen, meint Paula Grossman, »aber ob sich das auch auf den Muttersprachenunterricht auswirkt, sehen wir frühestens in einem Jahr«, meint sie skeptisch.
Ohnehin scheint die Initiative von Sabuni und Björklund eher strategisch zu sein. Hatte doch Sabuni, die bei manchen als »schwedische Ayaan Hirsi Ali« gilt, erst wenige Tage vor dem Angebot kein Hehl aus ihren Vorbehalten gegenüber der Einrichtung des Muttersprachenunterrichts gemacht. Sie verwies auf aktuelle Studien, die gewünschte Effekte wie höhere Sprach- und doppelte Kulturkompetenz anzweifeln.
»Schwedisch für alle«, lautet Sabunis simpler Wahlspruch, mit dem sie in ihrer Partei punktet. Einer Partei, die bei der letzten Wahl vor allem auf populistische Slogans setzte. Dabei hat Sabuni nicht nur Fremdsprachen, sondern vor allem religiöse Privatschulen im Visier. Zwar gilt ihr besonderes Augenmerk in erster Linie muslimischen Schulen, die sie für »potenzielle Terrorkeimzellen« hält. Entsprechend fürchten auch Elternvertreter der jüdischen Schule Stockholms, dass sie der Ministerin ein Dorn im Auge sind. Schließlich hat die Schulbehörde wiederholt moniert, die jüdische Schule schere aus Schwedens laizistischem Grundanspruch aus: zu viele israelische Fahnen, Sukkot statt Lucia, mehr hebräische als schwedische Kinderlieder. »Immer wieder werden uns Steine in den Weg gelegt«, ärgert sich ein Elternvertreter. Einer jüdischen Privatschule in Göteborg hat die Schulbehörde bereits im August die Lizenz entzogen. Wenn zugleich der Status jüdischer Schulen auf dem Prüfstand steht, erscheint die aktuelle Jiddisch-Aufwertung geradezu paradox. Und verunsichert mehr als sie beruhigt.

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