Ehud Olmert

Worte mit Sprengkraft

von Detlef David Kauschke

Auch wenn die Schoa der Menschheit eine Frage hinterlassen hat, die weder das Herz noch der Verstand erfassen kann, habe Israel die Lektion aus der Vergangenheit gelernt: »Wehe dem Schwachen und dem Schutzlosen. Wehe dem, der den Drohungen keinen Glauben schenkt. Wehe dem Gleichgültigen, der sich nicht darauf vorbereitet, den Gefahren zu trotzen.« Das sagte Israels Regierungschef Ehud Olmert am Dienstag zu Beginn seines Besuches in der deutschen Hauptstadt. Er sagte es am Mahnmal »Gleis 17« in Berlin-Grunewald, wo an die von hier deportierten Juden erinnert wird.
Bei der Kranzniederlegung betonte die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, daß in Teheran zeitgleich eine sogenannte Holocaust-Konferenz abgehalten wurde. »Genau jetzt sitzt eine Bande von Verbrechern zusammen, leugnet die Schoa, beschmutzt das Andenken der Opfer, propagiert die Auslöschung Israels und plant ihre weiteren heimtückischen Schandtaten.«
Die iranische Bedrohung war auch Thema der beiden mehrstündigen Unterredungen Olmerts mit Angela Merkel. Er habe bei den Gesprächen mit der Kanzlerin »ein bemerkenswert hohes Maß an Übereinstimmung« festgestellt, sagte Olmert. Er begrüßte mögliche deutsche Friedensinitiativen im Nahen Osten im Rahmen der an-
stehenden EU-Ratspräsidentschaft. Israel seinerseits werde »außergewöhnliche Anstrengungen für einen Dialog mit den Palästinensern« ergreifen, versicherte er.
Unterschiedliche Auffassung gab es in Fragen der deutschen Syrien-Politik. Nach einem kurzfristig anberaumten Treffen mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bekräftigte Olmert seine Kritik an dessen jüngstem Besuch in Damaskus. Merkel betonte, sie persönlich sei der Auffassung, daß man mit allen Akteuren in der Region reden müsse. Allerdings gebe es bisher nur negative Signale aus Syrien und Iran. Auf ihrer gemeinsamen Pressekonferenz bekräftigten beide, der Iran müsse im Atom-Streit nachgeben. Da dies nicht geschehe, sei die Zeit für Sanktionen der Vereinten Nationen gekommen, sagte Merkel.
Aber nicht die iranischen Atompläne standen im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses bei Olmerts Berlin-Besuch, sondern seine zweideutige Aussage zum Nuklearwaffenbesitz seines Landes. Der Regierungschef hatte Israel zumindest indirekt erstmals in einem Atemzug mit anderen Atommächten genannt. In einem Interview mit dem Fernsehsender SAT1/N24 hatte er gesagt: »Iran droht öffentlich und ausdrücklich, Israel von der Landkarte zu radieren. Können Sie sagen, daß es die gleiche Grundlage ist, wenn es um deren Wunsch nach Atomwaffen geht, wie bei Amerika, Frankreich, Israel und Rußland?« Das Gespräch wurde am Freitag in Jerusalem aufgezeichnet und am Montagvormittag, wenige Stunden vor Olmerts Ankunft in Berlin, ausgestrahlt. Mit seiner Aussage hatte er – gewollt oder unbeabsichtigt – ein Tabu der israelischen Politik gebrochen. Dies löste in Jerusalem einen Sturm der Entrüstung aus. Die Opposition forderte den sofortigen Rücktritt des Regierungschefs. Olmert versuchte zu beschwichtigen und betonte vor Journalisten, seine Äußerung sei mißverständlich interpretiert worden. Die Politik seines Landes habe sich in diesem Punkt nicht geändert. Mehrfach wiederholte er den Satz: »Israel wird nicht das Land sein, das als erstes Nuklearwaffen im Nahen Osten einführt.«
Auf die Frage der Jüdischen Allgemeinen, wie er seine am »Gleis 17« getätigten Aussagen im Zusammenhang mit der aktuellen Bedrohung durch Teheran verstanden wissen wolle, antwortete Olmert: Israel habe Anlaß, besorgt zu sein. Nur richte sich die Bedrohung nicht allein gegen sein Land, sondern gegen den gesamten Westen. Die Welt müsse davon befreit werden. »Und Israel muß vorbereitet statt überrascht sein.«

Video

Was Sinwar kurz vor dem Überfall auf Israel machte

Die israelischen Streitkräfte haben Videomaterial veröffentlicht, das Yahya Sinwar am Vorabend des Hamas-Überfalls am 7. Oktober 2023 zeigt

 20.10.2024

Gaza

100.000 Dollar für jede lebende Geisel

Der Unternehmer und ehemalige Sodastream-CEO Daniel Birnbaum hat den »guten Menschen in Gaza« ein Angebot gemacht

 20.10.2024 Aktualisiert

Baden-Württemberg

Jüdisches Mosaik in Karlsruhe beschädigt

War es ein Unfall, Vandalismus oder eine gezielte Tat?

 15.10.2024

80. Jahrestag

Gedenkstätte Sachsenhausen erinnert an ermordete KZ-Häftlinge

Auch mehrere Kinder und Enkel von Opfern nahmen teil

 14.10.2024

Zahl der Woche

Unsere Zahl der Woche

Fun Facts und Wissenswertes

 11.10.2024

Kulturgeschichte

Erfundene Tradition

Wie das Dirndl zuerst jüdisch und dann nationalsozialistisch wurde

von Karin Hartewig  11.10.2024

Berlin

Wanderwitz: AfD »lebt ein völkisch-rassistisches Menschenbild«

Die rechtsextreme Partei vertrete »ihr Ziel der sogenannten Remigration ganz offen«, sagt der SPD-Abgeordnete

 11.10.2024

7. Oktober 2023

Baerbock betont Israels Recht auf Selbstverteidigung

»Wir stehen an Eurer Seite«, sagt die Außenministerin in Richtung Israel

 06.10.2024

Interreligiöser Dialog

»Jede Klasse ist da sehr verschieden«

Muslime und Juden gehen im Rahmen des Projekts »Meet2Respect« gemeinsam an Berliner Schulen

 05.10.2024