TAL R.

Wo kommen die Löcher im Kürbis her?

von Frank Keil-Behrens

Natürlich wird er immer nach der Bedeutung seines Namens gefragt: TAL R. -–was soll das sein? TAL R. schiebt seine Basecap in den Nacken, fängt an zu erzählen: »Eigentlich heiße ich Rosenzweig. Wenn du in Deutschland lebst, kannst du den Namen ohne weitere Probleme aussprechen. In vielen anderen Teilen der Welt musst du ihn jedes Mal buchstabieren. Sehr früh schon habe ich meinen Nachnamen deshalb mit R. abgekürzt.« Er macht eine kurze Pause. »Was ich nicht bedacht hatte: Das R. wirkt viel geheimnisvoller, und so entkomme ich meinem Nachnamen nicht; ich habe mir also nicht wirklich einen Gefallen damit getan.«
TAL R. sitzt im Zwischengeschoss der Kunsthalle in Kiel, die ihm als erstes Haus in Deutschland eine umfassende Werkschau widmet: Stoffarbeiten aus Secondhand-Materialien und wuchtige Malerei, Skulpturen aus Sperrholz und Filme, dazu Zeichnungen und bearbeitete Fotografien: Wie von leichter Hand dahingewürfelt, addieren sie sich Raum für Raum zu einer bunten Landschaft. »Kolbojnik« – hebräisch »Abfalleimer« nennt er selbst seine Werke.
Geboren wurde TAL R. 1967 in Tel Aviv. Seine Mutter ist Dänin, sie konvertierte zum Judentum. Als Tal ein Jahr alt war, zog die kleine Familie nach Kopenhagen, wo er aufwuchs, später Kunst studierte und sich zu einem heute immer wichtiger werdenden Künstler mauserte. Einflüsse sind allerlei zu erkennen: Picasso und Malewitsch, Jean-Michel Basquiat, Dieter Roth und Kurt Schwitters, natürlich die Cobra-Künstler und immer wieder Paul Klee.
Wie jüdisch ist seine Kunst? »Es gibt in den Werken jede Menge Bezüge zu meiner jüdischen Herkunft«, sagt TAL R., »aber die arbeiten im Inneren der Dinge und sind nicht einfach so abzuleiten«. Überhaupt sei das mit dem Erklären und Interpretieren und Deuten so eine Sache. Er jedenfalls gehöre nicht zu den Künstlern, die sich vornähmen, eine Skulptur zu entwickeln, dann dazu Entwürfe zeichneten, hernach Lehm kauften (»Sie kennen die Geschichte vom Golem, oder?«) und sich dann an die Arbeit machten. Eine Idee, er selbst als Künstler und damit das Werk müssten bei ihm auf eine fast organische Weise zueinander finden.
Tal R. erzählt ein Beispiel: »Ich war in Dublin, habe dort gearbeitet und eines Tages sah ich auf dem Markt eine große Birne. Ich kaufte sie, sie lag neben meinem Bett auf dem Nachttisch, doch ich war immer zu müde, sie zu essen. In dem Zimmer war es sehr warm und nach ein paar Tagen sah das Obst nicht mehr sonderlich lecker aus. Ich schaute die Birne an, die Birne schaute mich an, ich nahm einen Stift und stieß rein: Die Birne bekam ein Loch. Und plötzlich hatte ich die Idee für eine Serie von Skulpturen, die mich die nächsten anderthalb Jahre beschäftigten.« Kürbisse zum Beispiel. In Kiel stehen sie durchlöchert und in Bronze gegossen auf einem Sockel und trotzen allen allzu bedeutungsschwangeren Interpretationen. Aber wenn man mag, kann man sie lachen hören.

TAL R.: You laugh an ugly laugh, Kunsthalle Kiel bis 7. Juni. Vom 11. Juli bis 4. Oktober in der Kunsthalle Tübingen. Der Katalog zur Ausstellung ist im DuMont Verlag erschienen. www.kunsthalle-kiel.de

Nachrichten

Strände, Soldat, Flüge

Kurzmeldungen aus Israel

von Sabine Brandes  21.05.2025

Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt: Verfassungsschutz sieht Demokratie bedroht

Im Osten ist die AfD besonders stark. Allerdings etablieren sich auch andere rechtsextremistische Bestrebungen

von Christopher Kissmann  19.05.2025

London

Nach antisemitischem Post: Lineker hört bei BBC auf

In den sozialen Medien teilt Gary Lineker einen Beitrag zum Israel-Gaza-Konflikt mit antisemitischer Konnotation. Nun zieht der frühere Fußballstar die Konsequenz

 19.05.2025

Erinnerungskultur

Beauftragter Klein will neues Konzept für NS-Gedenkstätten

Sie erinnern an die NS-Verbrechen und lenken den Blick auf die Gegenwart: Gedenkstätten. Sie bräuchten verlässlich Gelder und gut ausgebildetes Personal, sagt der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus

von Leticia Witte  19.05.2025

Berlin

»Israelfeindliche Schriftzüge« an Humboldt-Universität

Laut Polizei sind Fassaden am Haupt- und an einem Seiteneingang betroffen

 19.05.2025

Berlin

Linnemann: Migrationsabstimmung mit AfD führte zu Polarisierung

Im Januar ließ die Union über einen Antrag und Gesetzentwurf zur Verschärfung der Migrationspolitik abstimmen. Sie nahm in Kauf, dass die AfD zustimmt. Die Abstimmung hätte besser nicht stattgefunden, meint der CDU-Generalsekretär jetzt

 19.05.2025

Den Haag

Zehntausende fordern härteren Israel-Kurs

Demonstranten tragen symbolisch rote Kleidung, um eine rote Linie für die niederländische Regierung zu markieren

 18.05.2025

Nahost

Militärexperte: Vorgehen in Gaza führt zu Erstarken des islamistischen Terrors

Carlo Masala warnt vor einer Erhöhung des Konfliktpotenzials in der Region

 17.05.2025

Jerusalem

»Der Papst hat Lust auf Dialog«

Abt Nikodemus Schnabel über die Wahl von Leo XIV., das jüdisch-christliche Gespräch und Hoffnung auf Frieden in Nahost

von Michael Thaidigsmann  14.05.2025