Zahal

»Was für ein Spaß«

von Gil Yaron

Berichte über israelische Scharfschützen, die grundlos alte palästinensische Frauen oder kleine Kinder erschießen, wurden in Israel während des Gasakrieges im Januar als Propaganda abgetan. Doch zum ersten Mal seit Kriegsende berichten jetzt Soldaten israelischer Kampfeinheiten über die Grausamkeit ihrer Kameraden und er-
schüttern damit das Land. Dokumentiert ist das Ganze im Protokoll einer Konferenz, auf der Elitesoldaten und Kampfpiloten am13. Februar in der Rabin-Armeeschule Wehrpflichtigen ihre Erfahrungen in Gasa schilderten.
Die Eindrücke unterscheiden sich deutlich vom Bild, das offizielle Armeesprecher von den Kämpfen im Gasastreifen malten. So kämpften die Soldaten meist gegen Langeweile und nicht gegen Hamas-Aktivis-ten. Die waren schon zu Beginn der Kämpfe untergetaucht.
Unteroffizier Zvi erinnert sich »hauptsächlich an die schöne Aussicht, die von unseren Planierraupen langsam plattgemacht wurde«. Vier Soldaten in seiner Kompanie wurden verletzt, »aber keiner durch Schüsse der Hamas«. Als dann einmal jemand auf seine Kompanie schoss, wusste keiner woher. »Einer von uns schoss zurück, dann machten alle mit, und riefen sich zu: ›Was für ein Spaß’.«
Die jungen Männer berichteten auch von grausamer Willkür: »Für mich war es frustrierend mit anzusehen, wie im Gasastreifen alles erlaubt war. Zum Beispiel Türen einzutreten, weil es Spaß macht, oder Familienfotos zu vernichten, nur, weil sie Arabern gehören, oder ›Tod den Arabern‹ auf die Wände zu schmieren.« Und einer der Konferenzteilnehmer sagte: »Wenn man in einem Haus ein Gewehr fand oder ein Foto des Eigentümers, der mit Waffe und unter einem Banner der Hamas posiert, passte man eben etwas weniger auf die Möbel auf.«
Doch es blieb nicht bei Sachschaden. Menschen wurden Opfer: »Unsere Kompanie saß mehrere Tage mit einer palästinensischen Familie in einem Haus. Irgendwann entschied der Offizier, die Familie gehen zu lassen. Sie sollten nach rechts. Die Mutter und ihre zwei Kinder haben ihn missverstanden und gingen nach links. Dem Scharfschützen auf dem Dach hatte man nichts davon gesagt. Als er sah, dass sie die Linie überschritten, hat er sie einfach erschossen.«
Laut Befehl der Armeeführung musste kein Soldat um Erlaubnis nachfragen, das Feuer zu eröffnen: »Das generelle Gefühl war, dass das Leben der Palästinenser viel weniger wert ist als das Leben unserer Soldaten. So wurde das Verhalten gerechtfertigt.« Und: »Die Offiziere sagten uns, man könne in jedes Haus schießen, weil alle, die zurückgeblieben sind, Terroristen seien.«
Doch es gab auch andere Beispiele. So erzählte ein Soldat vom Befehl, der es seiner Kompanie verbat, sich auf Sofas zu setzen, »damit wir sie nicht kaputtma-
chen«. Derselbe Mann berichtet auch vom Aufruhr, den der Befehl seines Offiziers auslöste, ein palästinensisches Haus, in dem man eine Woche verbracht hatte, sauber zu hinterlassen. »Er zwang uns, das Haus zu kehren und den Boden zu putzen, die Decken zu falten und in den Schrank zurückzulegen.« Zumeist berichteten die Soldaten jedoch von Zerstörungen: »Als wir den Befehl bekamen, ein Haus zu säubern, warfen wir alles zum Fenster raus: Kühlschrank, Teller, einfach alles«, sagte ein anderer Soldat.
Nun ist Israel in Aufruhr. Arabische Ab-
geordnete der Knesset forderten, nicht nur die Soldaten, sondern auch die verantwortlichen Generäle vor Gericht zu stellen. Die Armee ihrerseits erklärte, dass man sich noch inmitten der Aufarbeitung der Kriegsereignisse befände. Über Vorfälle willkürlicher Gewalt habe man bisher nichts erfahren. Das mag daran liegen, dass bisher nur hochrangige Offiziere befragt wurden. Die einfachen Soldaten, die auf der Konferenz einer Armeeschule ihr Zeugnis ablegten, bestätigten:»Mit uns hat bisher niemand über die Ereignisse gesprochen.«
Nachdem nun eine Welle der Empörung Israel überzieht, wurde die Militärpolizei und der für die Kampfmoral verantwortliche oberste Erziehungsoffizier ange-
wiesen, die berichteten Zwischenfälle »gründlich zu untersuchen«. Der Veranstalter der Konferenz, Danny Samir, sagte im Radio, dass der Generalstab ihn zu einem Gespräch geladen hätte. »Ich hatte das Ge-
fühl, dass man diese Sache sehr ernst nimmt.« Verteidigungsminister Ehud Ba-
rak verteidigte die Armee hingegen als »die moralischste Armee der Welt. Ich ha-
be keinen Zweifel daran, dass jeder Zwi-
schenfall untersucht werden wird.«

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