Interview

Warum Daniele Ganser und seine Thesen so gefährlich sind

Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress

In Hannover wollen am Donnerstagabend die Jüdische Gemeinde und andere Organisationen gegen eine Veranstaltung des Schweizer Publizisten Daniele Ganser protestieren. Ihm wird die Verbreitung von Verschwörungstheorien und das Ziehen höchstproblematischer Vergleiche im Stil der »Querdenker« vorgeworfen.

Die Jüdische Allgemeine befragte dazu Rebecca Seidler, die Geschäftsführerin der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover:

Frau Seidler, Ihre Gemeinde protestiert gegen den heutigen Auftritt des umstrittenen Historikers Daniele Ganser. Warum sollte man ihm keine Bühne geben?
Die Liberale Jüdische Gemeinde Hannover sieht dieser Veranstaltung mit großer Irritation und Sorge entgegen, denn krude Verschwörungserzählungen, die häufig in antisemitischen Sprachbildern enden, sind keine Grundlage für eine gesunde Debattenkultur, sondern schlichtweg nicht zu akzeptieren.

Hätten die Stadt oder der Veranstalter den Auftritt verhindern müssen? Wie sahen die Reaktionen auf Ihre Warnungen aus?
In anderen Städten wurden seine Auftritte zum Teil erfolgreich verhindert, doch leider haben sich weder die Stadt Hannover noch das HCC (Hannover Congress Centrum, Anm. d. Red.) in der Lage gesehen, dies ebenso zu veranlassen. Ich hatte zu beiden Kontakt aufgenommen und in den Gesprächen hat man zwar die Bedenken geteilt, doch die Sorge vor einer Schadensersatzklage seitens Herrn Ganser führte schließlich dazu, dass es nicht untersagt wurde. Auch wenn ich diesen Vorgang bedaure, so ist es aber gut zu sehen, dass der Oberbürgermeister von Hannover bei unserer Gegendemonstration sprechen wird und auch das HCC hat uns technische Unterstützung zugesichert. Das sind wichtige Akte der Solidarität.

Warum ist Ganser so gefährlich?
Verschwörungserzählungen sind keine Meinung, sondern spalten die Gesellschaft und greifen unsere demokratischen Grundwerte an. Zudem muss man sich bewusst sein: Es kann Antisemitismus geben ohne Verschwörungserzählungen, aber nicht umgekehrt.

Ein breites Bündnis gegen die Veranstaltung gibt es in Hannover. Wer beteiligt sich hier?
Das Bündnis setzt sich neben den jüdischen Gemeinden zusammen aus verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen wie »Omas gegen Rechts«, Freundeskreis Hannover e.V. sowie dem Humanistischen Verband und der WerteInitiative e.V.. Auch politische Parteien und Akteur*innen unterstützen unseren Aufruf.

Warum ist es wichtig, dass sich die Jüdische Gemeinschaft wehrt, einmischt und präsent ist?
Wir stehen heute Abend bei der Gegendemonstration in erster Linie als demokratische Bürgerinnen und Bürger dieses Landes auf der Straße, die sich für ein Vorgehen gegen Hetze und Verschwörungserzählungen stark machen. Die jüdische Community versteht sich als fester Bestandteil der hannoverschen Zivilgesellschaft und trägt daher diesen Protest aktiv mit. Denn unsere demokratischen Grundwerte müssen von allen geschützt werden, natürlich auch seitens der jüdischen Community.

Ganser sagt, die Corona-Pandemie sei ein »weltweiter Wahnsinn« und die Verfolgung der Juden durch die Nazis ein »lokaler Wahnsinn«. Außerdem vergleicht er eine angebliche »Unterdrückung« seiner Redefreiheit mit der Verfolgung von Sophie Scholl und anderen Widerstandskämpfern. Wie beurteilen Sie diese Aussagen?
Anhand dieser Beispiele wird deutlich, dass Herr Ganser sich in kruden Verschwörungserzählungen verliert und letztlich auch antisemitische Sprachbilder verwendet. Denn, wer bei der Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden im Kontext des Zweiten Weltkrieges von einem »lokalen Wahnsinn« schwadroniert, der relativiert und bagatellisiert die Schoa massiv. Die Geschwister Scholl haben für ihren Mut im Widerstand gegen das Naziregime brutal ihr Leben verloren. Herr Ganser muss lediglich aushalten, dass vor seinem Veranstaltungsort ein Protest als legitimes demokratisches Mittel erfolgt. Seine Gleichsetzung der Situationen damals und heute ist ebenfalls eine perfide Relativierung der Schoa und beweist nur einmal mehr, dass seine Verschwörungserzählungen eben nichts mit der Realität zu tun haben, sondern primär dazu dienen, die Sorgen der Menschen dafür zu nutzen, um antisemitische und antidemokratische Hetze zu verbreiten.

Berlin

Bundesamt entscheidet wieder über Asylanträge aus Gaza

Seit Anfang 2024 hatte das BAMF nicht mehr über Asylanträge aus Gaza entschieden. Nun wurde der Bearbeitungsstopp laut Innenministerium aufgehoben

 18.07.2025

Syrien

Netanjahu will keine Regierungstruppen südlich von Damaskus

Nach Berichten über Massaker gegen die drusische Minderheit hat Israel eingegriffen

 17.07.2025

Bonn

Schoa-Überlebende und Cellistin Anita Lasker-Wallfisch wird 100

Sie war die »Cellistin von Auschwitz« - und später eine engagierte Zeitzeugin, die etwa vor Schülern über ihre Erlebnisse unter dem NS-Regime sprach. Jetzt feiert sie einen besonderen Geburtstag

von Leticia Witte  15.07.2025

Israel

Eli Sharabis Bestseller bald auch auf Englisch

Zum zweiten Jahrestag des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023 soll das Buch der ehemaligen Geisel veröffentlicht werden

von Sabine Brandes  10.07.2025

Genf

Türk verurteilt US-Sanktionen gegen Albanese

Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Volker Türk, sprach von »Angriffen« und »Drohungen« gegen die umstrittene Italienerin

 10.07.2025

Der unter liberianischer Flagge fahrende Massengutfrachter "Eternity C" beim Untergang im Roten Meer am Mittwoch, den 9. Juli 2025.

Terror auf See

Tote nach Huthi-Angriff auf Handelsschiff

Die Huthi-Miliz im Jemen versenkt innerhalb von 24 Stunden zwei Schiffe auf dem Roten Meer

von Nicole Dreyfus  10.07.2025

Wien

Vor Treffen mit Sa’ar: Wadephul ermahnt Israel

Der Bundesaußenminister will sich weiter für einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln einsetzen, verlangt aber bessere humanitäre Hilfe in Gaza

 10.07.2025

Gaza

Das Dilemma des Deals

Premier Benjamin Netanjahu hat das Weiße Haus ohne ein Freilassungsabkommen für die israelischen Geiseln verlassen. Die Verhandlungen gehen weiter

von Sabine Brandes  09.07.2025

Berlin

Bundestagspräsidentin will Angehörige israelischer Geiseln treffen

In dieser Woche sind Angehörige der von der Hamas verschleppten Geiseln in Berlin. Am Dienstag kommt Bundestagspräsidentin Klöckner mit ihnen zusammen. Sie formuliert im Vorfeld klare Erwartungen

 07.07.2025