Ausstellung

Verschleppt

Samy Vogel aus Duisburg war erst zwölf Jahre alt. Adele Gönniger aus Nürnberg 15. Gert Rosenthal, der Bruder des Entertainers Hans Rosenthal, gerade einmal zehn. Drei Namen, die für das Schicksal von mehr als drei Millionen Menschen stehen, darunter mehr als anderthalb Millionen Kinder, die mit Zügen der Deutschen Reichsbahn aus ganz Europa in den Tod geschickt wurden. Allein von Berlin fuhren ab Herbst 1941 185 größere und kleinere Transporte in die Vernichtungslager »nach Osten«. Ohne die logistische Unterstützung der Reichsbahn, ohne ihre »Sonderzüge«, wäre die systematische Ermordung von Millionen Juden, Sinti und Roma nicht möglich gewesen. Strecken mussten ausgewiesen, Fahrpläne überlegt, Waggons bereitgestellt werden. Und die Bahn rechnete peinlich genau ab: vier Pfennig pro Person und Kilometer, Kinder ermäßigt. Bei einem Transport mit mehr als 400 Personen gewährte sie Rabatte. Das Reichssicherheitshauptamt holte sich das Geld von den Deportierten zurück.
Am Potsdamer Platz in Berlin dokumentiert nun eine Wanderausstellung die Rolle der Deutschen Reichsbahn im Holocaust. Entwickelt wurde das Konzept von Susanne Kill, Chefhistorikerin der Bahn, in Kooperation mit dem Centrum Judaicum und dem Deutschen Technikmuseum Berlin. Auf den mit Fotos und Dokumenten gestalteten Thementafeln wird nicht nur über die Logistik dieses Verbrechens, über Transportrouten und ministeriale Zuständigkeiten informiert. Im Mittelpunkt stehen vor allem Kinderschicksale. Beate und Serge Klarsfeld, seit Jahrzehnten im Aufspüren von Nazi-Kriegsverbrechern engagiert, haben Lebensdaten von 11.000 aus Frankreich deportierten Kindern recherchiert und mehr als 4.000 Fotos gesammelt. Für die Ausstellung in Berlin, die anschließend auf Reisen durch Deutschland geht, haben sie eine Liste mit 800 deutschen und österreichischen Kindern erarbeitet, die vor den Nazis nach Frankreich geflohen waren und schließlich von dort deportiert wurden. Es sind Schicksale wie das von Margot Spira aus Wien, die mit 17 Jahren aus dem Waisenhaus Rothschild in Paris geholt und am 18. September 1942 mit dem Transport Nr. 34 nach Auschwitz deportiert wurde.
Ohne Klarsfelds Einsatz wäre die Ausstellung der Bahn wohl nicht zustande gekommen. Vorbild war ihr zusammen mit der Organisation Fils et Filles des Déportés Juifs de France (FFDJF) schon vor Jahren initiiertes Ausstellungsprojekt über die Beteiligung der französischen Staatsbahn SNCF und der Deutschen Reichsbahn am Holocaust. Auf großen französischen Bahnhöfen prominent platziert, erfuhr es breite Aufmerksamkeit und von Anfang an die Unterstützung der SNCF. Die Deutsche Bahn tat sich mit ihrer Ausstellung hingegen schwer. Dass sie nun auf deutschen Bahnhöfen gezeigt wird, sei dennoch als Erfolg zu werten, meint der Direktor des Centrum Judaicum, Hermann Simon. Aber hätte diese Ausstellung nicht zentral, im Berli- ner Hauptbahnhof präsentiert werden müssen? Man darf gespannt sein, welche Resonanz die etwas abseits gelegene Ausstellung auf dem Zwischendeck des recht zugigen Bahnhofs haben wird. Auf oberirdische Hinweisschilder hat die Bahn jedenfalls verzichtet. Carsten Dippel

Die Ausstellung »Sonderzüge in den Tod – Die Deportationen der Deutschen Reichsbahn« ist noch bis zum 11. Februar in Berlin zu sehen (Passerelle des Bahnhofs Potsdamer Platz). Die nächsten Stationen sind Halle, Schwerin und Münster.

Geiseln

Edan Alexander ist frei

Die palästinensische Terrororganisation Hamas hat die Geisel an das Rote Kreuz übergeben

 12.05.2025 Aktualisiert

Margot Friedländer

»Ihrem Vermächtnis gerecht werden«

Am Freitag starb die Holocaust-Überlebende und Zeitzeugin im Alter von 103 Jahren in Berlin. Ein persönlicher Nachruf

von André Schmitz  10.05.2025

Berlin

Margot Friedländer erhält Bundesverdienstkreuz

Erst vor einem Monat erhielt die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer den Preis des Westfälischen Friedens. Nun verleiht ihr der Bundespräsident die höchstmögliche Auszeichnung der Bundesrepublik

 09.05.2025

USA

Israelfeindliche Proteste an der Columbia University

Die Aktivisten demonstrieren gegen die Abschiebung des Studenten Machmud Chalil, dem die Regierung eine Unterstützung der Hamas vorwirft

 08.05.2025

Eurovision Song Contest

Israelische Sängerin Yuval Raphael wird von der Schweiz nicht extra geschützt

Die Basler Sicherheitsbehörden wissen um die angespannte Lage, das Sicherheitsrisiko in der Schweiz ist hoch

von Nicole Dreyfus  06.05.2025

Berlin

Auswärtiges Amt gegen dauerhafte Besatzung des Gazastreifens

Das Auswärtige Amt in Berlin reagiert besorgt und kritisiert abermals Israel. Gaza gehöre den Palästinensern. Die weiterhin von der Hamas gehaltenen Geiseln kommen in der Erklärung offenbar nicht vor

 06.05.2025 Aktualisiert

Berlin

Sarah Wedl-Wilson neue Berliner Kultursenatorin

Die parteilose 56-Jährige übernimmt das Amt von Joe Chialo (CDU), der am Freitag wegen der Sparpolitik des Berliner Senats zurückgetreten war

 05.05.2025

Berlin

AfD klagt gegen Einstufung des BfV

Die rechtsextremistische Partei will nicht als solche eingestuft sein. Die Klage ist keine Überraschung

 05.05.2025

Kulturkolumne

Als Phil mich fütterte

Her mit den 90 Prozent!

von Sophie Albers Ben Chamo  04.05.2025