Verbot der NPD

Verfahren

von Patrick Gensing

Die Befürworter eines Verbots der NPD waren schon zuversichtlich, da werden ihnen erneut Steine in den Weg geworfen. Acht unionsgeführte Bundesländer weigern sich, ihre Datensammlungen über die rechtsextreme Partei bei der Bundesregierung vorzulegen. Die neue Verbotsinitiative war von der SPD ausgegangen. Der bayerische Innenminister Joachim Hermann begründete die Weigerung damit, dass ein weiteres Verbotsverfahren kaum Aussicht auf Erfolg hätte. Wegen des ungeklärten Einflusses von V-Leuten des Verfassungsschutzes in der NPD war das erste Verbotsverfahren 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert.
Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, äußerte sich in einem Interview mit der Märkischen Oderzeitung empört über das Vorgehen der Unionsländer. »Ich habe kein Verständnis für diese Handhabung«, sagte Knobloch. Vizepräsident Dieter Graumann sprach von einer »Selbstaufgabe« des Staates und nannte ein Verbot der rechtsextremistischen Partei unabdingbar. Kritik kam auch vom Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns, Lorenz Caffier (CDU).
Allerdings könnte sich die NPD in der Zwischenzeit durch interne Streitigkeiten selber zerstören. Die Lücke zwischen dem eigenen Anspruch, Volkspartei zu sein, vor der das »System« zittert, und der Realität einer Splitterpartei im Westen und einer dünnen Personaldecke im Osten zeigt sich erbarmungslos. Der Bundesvorsitzende Udo Voigt versucht sich als Visionär: In ihrer aktuellen Propaganda-Kampagne verbreitet die NPD erfundene Nachrichtenmeldungen über eine imaginäre Machtüber- nahme. Dieser Wunschzettel steht unter der Überschrift »Ein Maßnahmekatalog«. Das fehlende »n« brachte Voigt öffentlich Häme ein. Weitere lauthals angekündigte Projekte konnten bislang überhaupt nicht umgesetzt werden. Denn die finanzielle Lage der Bundespartei ist – im Gegensatz zu den Fraktionen in Schwerin und Dresden – katastrophal. Zudem sitzt Schatzmeister Erwin Kemna, ein langjähriger Weggefährte Voigts, seit Wochen in Haft. Der Verdacht: Veruntreuung von Parteigeldern in Höhe von mehreren hunderttausend Euro. Für Voigt eine Zwickmühle: Hat er von den mutmaßlichen Geschäften Kemnas nichts gewusst, muss er sich Naivität und Führungsschwäche vorwerfen lassen, sollte er Mitwisser sein, wäre er möglicherweise ebenfalls ein Fall für die Justiz.
Ohnehin müssen sich der Parteichef und zwei weitere Spitzenfunktionäre wegen des sogenannten WM-Planers der NPD demnächst wohl vor Gericht verantworten. Die Partei hatte vor der Fußball-WM 2006 mit der Parole »Weiß – mehr als eine Trikotfarbe« gegen schwarze deutsche Nationalspieler gehetzt. Rassismus ist zwar in der NPD keineswegs geächtet, aber es wird erwartet, dass man ihn öffentlich so transportiert, dass die Justiz keine Handhabe hat. Noch weit schlechter für Voigts Ansehen in rechtsextremen Kreisen: Er hat bislang keine Strategie, um den Flügelkampf zwischen eher bürgerlich orientierten Rechtsextremisten und militanten Neonazis beizulegen.
In Internetforen meinen bereits viele NPD-Anhänger, nun müsse ein anderer ran, der die Partei zu führen in der Lage ist. Zwei NPD-Spitzenfunktionäre haben ihren Hut bereits in den Ring geworfen. Andreas Molau, Pressesprecher der NPD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern, sagt: »Weil die Idee an mich herangetragen worden ist, überlege ich, für das Amt des Parteivorsitzenden zu kandidieren.« Zudem stellt er, ganz im Sinne der Parteibasis, den »Deutschlandpakt« mit der rechtsextremen DVU in Frage. Molau behauptet, es gebe Druck von der Basis, bei der Landtagswahl in Thüringen »nicht zurückzustecken«. Laut Absprache soll die DVU dort 2009 antreten. Nachdem die NPD aber bei den jüngsten Ab stimmungen in westdeutschen Ländern herbe Niederlagen hinnehmen musste, wird in der NPD ein Wahlantritt in Thüringen gefordert. Dort baut die Partei seit längerem ihre Strukturen systematisch aus – während die DVU kaum wahrnehmbar ist. Die Partei des Verlegers Gerhard Frey hatte aber jüngst erneut bekräftigt, in Thüringen anzutreten. Molau legt indes weiter nach: Es sei noch nicht abzusehen, ob Voigt beim Bundesparteitag der NPD Ende Mai überhaupt noch im Amt sein werde.
Derweil nimmt die Militanz von NPD-Anhängern im Westen, frustriert durch den Richtungsstreit und die Erfolglosigkeit bei Wahlen, rapide zu. In Niedersachsen verübte ein mutmaßlicher NPD-Aktivist einen Anschlag auf einen islamischen Gebetsraum, und in Nordrhein-Westfalen griffen mehr als 30 Neonazis, darunter auch NPD-Funktionäre, eine antifaschistische Demonstration an.

Mario Voigt mit Stimmen der Linken zum Ministerpräsident gewählt

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