Die registrierten Fälle von Diskriminierung und Übergriffen auf Roma und Sinti haben sich innerhalb eines Jahres verdoppelt. Der am Montag in Berlin vorgestellte Jahresbericht für 2023 listet 1.233 antiziganistische Vorfälle auf. Im Jahr 2022 hatte die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) 621 Fälle registriert. Sie reichen von Gewalt bis zu verbalen Attacken und Benachteiligung in der Schule.
Der Antiziganismus-Beauftragte der Bundesregierung, Mehmet Daimagüler, wies besonders auf Fehlverhalten bei der Polizei hin. Bei drei von zehn dokumentierten Vorfällen extremer Gewalt handele es sich um Polizeieinsätze, sagte er. Beamte und Beamtinnen seien an 80 weiteren der gemeldeten Fälle beteiligt gewesen. Er erfahre darüber hinaus häufig von polizeilichem Fehlverhalten, das die Betroffenen nicht meldeten, weil sie kein Vertrauen in die Behörden hätten.
Die Meldestelle MIA, die von der Bundesregierung gefördert wird, ordnete 600 Vorfälle dem verächtlichen und vorurteilsbehafteten Sprechen über Roma und Sinti zu. Diskriminierungen folgen an zweiter Stelle (502 Fälle), Angriffe, Bedrohungen und Sachbeschädigungen liegen im zweistelligen Bereich. In 89 Fällen gab es einen Zusammenhang mit der NS-Ideologie, so wurden etwa Grabstätten mit Hakenkreuzen beschmiert. In der NS-Zeit sind eine halbe Million Roma und Sinti ermordet worden.
Die Meldestelle MIA führt die steigenden Zahlen in erster Linie auf den Aufbau des Meldesystems mit Anlaufstellen in inzwischen sechs Bundesländern zurück, seit Kurzem auch in Schleswig-Holstein. Es werde gleichwohl nur ein Bruchteil der tatsächlichen Fälle erfasst, hieß es.
Daimagüler und der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, machten auch den Rechtsruck, das Schweigen der Politik zu den Übergriffen und den überkommenen Antiziganismus in deutschen Behörden für die Zunahme der Vorfälle verantwortlich. epd