klimagipfel

Überdosis Wärme

Was hat Paracelsus mit Kopenhagen zu tun? Der Philosoph und Arzt lebte im 16. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum und prägte den Satz: »All Ding’ sind Gift und nichts ohn’ Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.« Und in der dänischen Hauptstadt beginnt am Montag ein Klimagipfeltreffen, von dem ein weltweites Abkommen erwartet wird, das den Weg zu weniger Kohlendioxidausstoß bahnen soll. Ein gutes Beispiel der Paracelsus-Lehre ist gerade Kohlendioxid (CO2), ein lebenswichtiger Stoff und Ausgangssubstrat der Photosynthese, bei der aus sechs CO2-Molekülen ein Molekül Zucker (Glucose) und Sauerstoff entstehen. Doch unsere Zivilisation begann, mehr Kohlendioxid zu produzieren, als die Pflanzen photosynthetisch verarbeiten können. Wir Menschen haben dazu beigetragen, dass CO2 in der Überdosis zum Gift wurde. Jetzt müssen wir uns in Kopenhagen treffen, um gemeinsam einen Ausweg zu finden.
In unserer Tradition gibt es das Konzept von Bal Taschchit: das Verbot, etwas zu vernichten. In der Tora bezieht es sich auf Bäume während eines Krieges (5. Buch Moses 20,19). Die Rabbinen des Talmuds haben es schon vor dem CO2-Emissionsproblem unter anderem als Verbot der Brennstoffverschwendung verstanden. So darf man zum Beispiel das Öl in einer Lampe nicht zu schnell verbrennen lassen (Schab. 67b). Und wenn man Mais essen kann und doch auf dem Weizen, dem selteneren Lebensmittel, beharrt, übertritt man Bal Taschchit auch.
In Kopenhagen werden nicht alle Details festgelegt werden, doch wird von allen beteiligten Staaten ein konkreter Beitrag gefordert. In diesem Sinne können wir den berühmten Spruch unserer Tradition mit ihren universalistischen Ansätzen umwandeln und sagen: »Kol benej adam arewim se lase.« – »Alle Menschen sind füreinander verantwortlich.« Übertragen auf das CO2-Problem finden wir eine konkrete Dokumentation dieses Spruchs im Kyoto-Protokoll, das im Februar 2005 in Kraft getreten ist: Demnach muss ein Unternehmen seinen CO2-Überschuss ausgleichen, indem es einer Firma, die wenig Kohlendioxid ausstößt, einen sogenannten CO2-Emissionskredit abkauft. Noch besser ist es, wenn das betreffende Unternehmen den CO2-Emissionskredit durch die Finanzierung eines emissionssenkenden Projekts einer Firma in einem Entwicklungsland erwirbt. Dadurch wird weniger CO2 freigesetzt, als wenn das Entwicklungsland selbst nach fossilen Brennstoffen gegriffen hätte. Dieser CO2-Handel ist eine gescheite und effektive Idee, aber sie wird letztlich nicht zum Ziel führen.
Was wäre das Ideal? Ein realistischer Plan (der bereits ausgearbeitet ist!) für eine massive Verschiebung von fossilen Brennstoffen zu regenerativen Energiequellen: Er sieht vor, dass bis zum Jahr 2030 der gesamte Weltenergiebedarf mit Sonnen-, Wind- und Wasserenergie gedeckt wird.
In einem Midrasch zeigt Gott dem gerade erschaffenen Menschen die wunderbare Welt und sagt ihm: »Gib acht auf meine Welt, dass du sie nicht beschädigst oder gar zerstörst. Denn dann wird es keinen geben, der sie nach dir wiederherstellen kann« (Kohelet Raba 7,20). In diesem bekannten Text wird meistens das Stichwort »Wiederherstellung« (Tikkun) betont. Dabei wird die Tatsache übersehen, dass der Tikkun keine Alternative zur Existenz ist. Es gehört zur Tragik unseres Lebens, dass wir etwas erst dann schätzen, wenn wir es nicht mehr haben. Diese selbstverschuldete Ignoranz ändert nichts daran, dass etwas auch dann lebensbedrohlich ist, wenn es (noch) nicht zu spüren oder zu sehen ist.
Weder spüren wir die Temperaturerhöhung noch sehen wir ihre Auswirkungen. Doch führt sie langfristig zu Überflutungen der Küstengebiete und zu Dürre im Hinterland. Ein Anstieg um ein Grad Celsius verringert die Ernte von Weizen, Reis und Mais um zehn Prozent. Wir stehen vor der Gefahr, dass durch Hungersnöte ganze Staaten zugrunde gehen können. Eine der Möglichkeiten, dem Nahrungsmangel und der Globalerwärmung vorzubeugen, ist die Stabilisierung der Weltbevölkerung bei maximal acht Milliarden Menschen bis zum Jahr 2040. Wächst die Bevölkerung weiter wie bisher, wird bis zum Jahr 2050 ein zusätzliches Gebiet in der Größe Brasiliens benötigt, um alle ernähren zu können.
Ohne die kosmische Kohlenstoffemission hätte das Leben auf der Erde nicht entstehen können. Ohne die Senkung der weltweiten Kohlenstoffemission wird das Leben auf unserem Planeten nicht weiterbestehen. Die Natur setzt die Zeit fest. Wir müssen endlich auf die Uhr schauen und anfangen, etwas zu tun. Nicht in Panik, sondern wie es ein jiddisches Sprichwort sagt, das für das Treffen in Kopenhagen aktuell werden sollte: »Tu nor flajssik dajn Meloche, wert schon kumen Masl-Broche.«

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