Im UN-Sicherheitsrat stand ausgerechnet an Jom Hasikaron, dem Gedenktag für gefallene israelische Soldaten und Terroropfer, der Nahostkonflikt auf der Tagesordnung. Israels UN-Botschafter Gilad Erdan befürchtete eine einseitige Verurteilung seines Staates und verließ aus Protest die Sitzung.
Dabei warf er die Frage auf, wie wohl Moskau reagieren würde, wenn das UN-Gremium am 9. Mai – dem in Russland pompös gefeierten »Tag des Sieges« über Nazi-Deutschland – russische Soldaten verurteilen würde?
vergleich Jedoch hinkt der Vergleich des israelischen Vertreters. Der 9. Mai ist genau der richtige Tag, um die Gräueltaten des Regimes zu diskutieren, das sich in der Tradition des sowjetischen Kriegssiegers sieht und den »Tag des Sieges« vereinnahmt hat, um die Ukraine und ihre westlichen Partner als »moderne Nazis« zu diffamieren.
Der Kremlchef lebt weiterhin in seiner eigenen Traumwelt und weigert sich, die Realität zu akzeptieren.
Dabei ist es die russische Führung, die den Krieg gegen die Ukraine angezettelt hat, die Welt mit einem Atomkrieg bedroht, die Ukraine systematisch zerstört und den ukrainischen Präsidenten antisemitisch angeht. Putin und seine Mitstreiter sind dafür verantwortlich, dass im Europa des 21. Jahrhunderts Kinder verschleppt, Zivilisten in Gruben exekutiert, Kriegsgefangene enthauptet und »Verräter« aus den eigenen Reihen mit Hämmern hingerichtet werden.
papiertiger Vor einem Jahr hatte die ganze Welt gebannt auf Putins Rede zum 9. Mai gewartet. Eine Kriegserklärung an die NATO wurde befürchtet. Die Rede war jedoch blass. So wie inzwischen auch der Kremlchef, dessen scheinbar übermächtige Armee sich als ein Papiertiger entpuppte. Ein Jahr später trauen manche Experten Kiew sogar einen spektakulären Sieg zu.
Und Putin? Am 9. Mai lässt er Teilnehmer seiner »militärischen Spezialoperation« auf dem Roten Platz aufmarschieren. Damit sollen sie die Kontinuität des »antifaschistischen Kampfes« bestätigen. Der Kremlchef lebt weiterhin in seiner eigenen Traumwelt und weigert sich, die Realität zu akzeptieren.
Der Autor ist Historiker und lebt in Düsseldorf.