Irak

Trost in Zeiten des Krieges

von Rachel Silverman

Eine blau-weiße Fahne flattert stolz über der Synagoge B’nai Sholom, einer Reformgemeinde in Huntsvill, Alabama. Sie weist nicht den vertrauten Davidstern und die breiten blauen Streifen der israelischen Flagge auf. Mit dem Blue Star Service Banner werden vielmehr die rund zwölf Synagogenmitglieder geehrt, die gegenwärtig in Irak stationiert sind, an Orten wie Falludscha, Bagdad und Tikrit.
Für jüdische Einwohner in Huntsville, einer Stadt, in der die Militärkultur der Südstaaten in voller Blüte steht, ist das Banner ein besonders hoch aufgeladenes Symbol. »Wenn ich sie jetzt herunternähme, würde ich mir genauso viel Ärger einhandeln, wie wenn ich die Fahne Israels oder die der USA einzöge«, erklärte Jeffrey Ballon, Rabbiner von B’nai Sholom. »Das sind unsere Kinder da drüben.«
Während der Krieg im Irak in sein viertes Jahr geht, suchen jüdische Familien, die Angehörige an der Front haben, weiterhin den Beistand der Gemeinde. Nach Angaben des Jewish Chaplains Council (Rat jüdischer Kapläne), einer von der Nordamerikanischen Vereinigung jüdischer Gemeindezentren geleiteten Organisation, die die jüdischen Militärgeistlichen vertritt, sind etwa 600 jüdische Männer und Frauen in Irak stationiert.
Einige der Familien der Soldaten suchen Trost in ihrer nächsten Umgebung, um mit der Situation klarzukommen. Sharon Kunitz, Kantorstudentin im vierten Semester am Hebrew Union College in New York, sagt, der Rückhalt, den sie bei ihren Mitstudenten gefunden habe, als ihr Sohn, Brian Parker, 20, in den Irak ging, sei überwältigend gewesen. »Leute fragen mich oft, wie es ihm gehe und was sie tun könnten«, sagt Kunitz, deren Sohn voraussichtlich im April nach Hause kommen wird. »Wenn ich anfange zu weinen, umarmen sie mich.«
Falls eingebaute Sicherheitsnetze nicht zur Verfügung stehen, knüpfen jüdische Soldatenfamilien oft ihre eigenen Beistands-Netzwerke. In der Nacht vor dem Tag, an dem ihr Sohn Ethan in den Irak verlegt wurde, bemerkte Debbie Astor einen erstaunlichen Zufall: Ein anderer Marinesoldat in der Einheit ihres Sohns war auch jüdisch. Zudem war sein Vater Rabbiner in Los Angeles. »Es wurde mir klar, daß es notwendig ist, mit jemandem zu reden. Mit jemanden, der die einzigartige Situation versteht, in der sich Familien wiederfinden«, sagt Astor, stellvertretende Leiterin ihrer Gemeinde Temple Israel in Sharon, Massachusetts. »Es mußte ein Weg gefunden werden, wie wir zusammenkommen und kommunizieren können.«
Daraus ist The Brave entstanden, eine Art Mailingliste, auf der jüdische Soldatenfamilien immer eine Schulter zum Anlehnen finden können. In den drei Jahren seit ihrer Gründung ist die Liste auf 250 Namen angewachsen. Militärseelsorger, Kriegsveteranen und ängstliche Eltern, Geschwister, Freunde und Ehegattinnen im ganzen Land haben sich eingetragen.
Alle Soldatenfamilien sind ähnlichen Nöten und Streßsituationen ausgesetzt, doch jüdische Familien quält zusätzlich die Sorge, wie es ihren Lieben bei den Streitkräften ergehen wird, sagt Astor. Auch für Lynne Bergman aus Arizona, deren Ehemann bereits zweimal im Nahen Osten stationiert war, kam »die Angst, einen jüdischen Ehemann im Nahen Osten zu haben, zu allem anderen hinzu«. »Neben der Angst vor Verwundung oder Gefangenschaft müssen jüdische Familien, deren Angehörige in Übersee sind, mit einer Reihe zusätzlicher Alpträume leben«, sagt sie. »Werden unsere Lieben, wenn sie in Gefangenschaft geraten, für eine härtere Bestrafung ausgesondert, weil sie jüdisch sind? Wird jemand mit ihnen seine politischen Ziele verfolgen?«
Ballon, ein Militärseelsorger in Reserve, berichtet: »Zurzeit herrscht beim Militär selbst eine Atmosphäre, in der jüdische Soldaten häufig von übereifrigen Kommandeuren, die es gern sähen, daß die Truppen geschlossen hinter dem jeweiligen eigenen Glauben stünden, unter Druck gesetzt werden«, sagte er. »Wenn jemand nicht ganz konventionell und rot-weiß-blau evangelisch ist, dann weicht er von der Normalität ab.« Es ist für Nichtchristen sehr schwierig, sich in einer solchen Umgebung zu integrieren, sagt er. Logistische Hürden wie Isolation und die weite Entfernung von Orten, wo Gottesdienste angeboten werden, erschweren jüdischen Soldaten und Soldatinnen die Religionsausübung. Joe Kashnow, der zwei Jahre im Irak war, sagt, er sei früh aufgestanden, um zu beten und habe versucht, vor dem Schabbat die Zeit für das Torastudium herauszuschinden. Die Barrieren erwiesen sich aber immer als enorm hoch. An Pessach wurden sie in ein Gefecht verwickelt, es gab keine Zeit für irgend etwas anderes, erinnerte er sich. »Aber so war der Krieg: Niemand hatte die geringste Zeit für sich selbst. Es war einfach so, daß man den ganzen Tag auf Trab war und die halbe Nacht dazu, drei Stunden Schlaf, und am nächsten Tag wieder das gleiche.«
Kashnow wurde nach Hause geschickt, nachdem er im September 2003 bei einer Explosion verwundet worden war. Heute leitet er die Jewish Soldiers Foundation, die koscheres Trockenrindfleisch, Gebetsbücher und hebräische Bibeln an jüdische Soldaten in Übersee versendet.
Solche Hilfsquellen machen es jüdischen Soldaten ein wenig leichter, ihre Religion auszuüben. Viele beschreiben ihr religiöses Leben aber immer noch als größt- enteil selbstgeregelt. »Die Arbeitszeiten beim Militär sind nicht gerade für Individualität und Flexibilität gemacht«, sagt Jason Rubin, Leutnant des Marinekorps. »Dadurch wird die Feier des Schabbats und der Feiertage erschwert, besonders während der Grundausbildung.« Damit soll nicht gesagt werden, daß Juden ihre Religion nicht ausüben können, es sei manchmal nur nicht so einfach, ergänzt Rubin. Er hat eine Online-Gemeinde für jüdische Soldaten, die Jews in Green (Juden in Uniform), ins Leben gerufen.
Rabbiner Mitchell Ackerson aus Baltimore, der länger als ein Jahr im Irak stationiert war, pflichtete dem bei. »Jüdisches Leben in einem Kampfgebiet ist in vielerlei Hinsicht das, was sie daraus machen«, sagt er. »Die Soldaten müssen dazu stehen und sagen: Ich möchte als Laie den Gottesdienst leiten.« Ihren Lieben bei diesem Schritt zu helfen, kann für zu Hause wartende Familienmitglieder ein Trost sein. Während eines Pessachs, als Astors Sohn im Nahen Osten den Seder feierte, probierte seine Familie in den USA ein Rezept für Charoset auf irakische Art aus. Irgendwie hat die Herstellung des Charoset aus Datteln ihre Ängste gemildert. »Das Fortsein ist das tägliche Thema. Die Angst ist jeden Tag da!«, sagt die Mutter. »Aber als ich wußte, daß er seinen Weg zu einer kleinen oder großen jüdischen Zusammenkunft finden wird, oder daß er selbst eine für sein Bataillon organisiert, wußte ich auch, er würde sich wie ein verantwortungsbewußter jüdischer Erwachsener verhalten.«

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