Wasserknappheit

Trockenübung

von Pierre Heumann

Im Süden gärt es. Von Burkina Faso bis Kairo, von Mexiko und der Karibik bis Manila verlangen die Massen nach erschwinglichem Brot, Mais oder Reis. Die Preise sind so hoch, dass sie die Ärmsten der Armen in eine neue Hungersnot treiben. Grundnahrungsmittel sind allein in den vergangenen Monaten um 50 bis 80 Prozent teurer geworden. Die Vermögenden, die weniger als zehn Prozent ihres Budgets fürs Essen ausgeben, können solche Schübe wegstecken. Diejenigen aber, die 80 Prozent ihres Einkommens fürs Essen ausgeben müssen, werden dadurch in ihrer Existenz bedroht.
Die globale Preissteigerung schlägt natürlich auch in Israel zu Buche, einem Land, das sehr stark auf Nahrungsmittelimporte angewiesen ist. Mehr als 90 Prozent des konsumierten Getreides stammen aus dem Ausland, 70 bis 80 Prozent des Fisch- und Rinderbedarfs werden ebenfalls importiert. Die Konsumenten spüren die Auswirkungen der globalen Krise deshalb in ihrem Haushaltsbudget und passen sich entsprechend an. Der Preissprung beim Reis hatte Ende April zur Folge, dass der Reiskonsum innerhalb einer Woche um drei Prozent zurückging. Statt Reistüten legten Konsumenten deutlich mehr Kartoffelsäcke in den Einkaufswagen, um Geld zu sparen.
Israelis, die sonst ein eher sorgloses, um nicht zu sagen: verschwenderisches Verhältnis zu ihren Konsumausgaben haben, beginnen umzudenken. Denn nicht nur Nahrungsmittel, auch Erhöhungen bei den Energiepreisen fressen einen größeren Teil des Budgets weg als noch vor ein paar Wochen.
Die Turbulenzen an den Rohstoffmärkten wirken sich nicht nur in privaten Haushalten aus. Sie verändern ebenfalls die Erwartungen an der Inflationsfront. Bereits im März war der Konsumentenpreisindex deutlich stärker gestiegen, als ursprünglich erwartet worden war. Der nächste Index, der am 15. Mai publiziert wird, könnte einen nochmaligen Anstieg bringen. »Das Inflationsgespenst erhebt sein Haupt«, kommentiert der Ökonom Yohanan Ben Jacob und spricht von einem »neuen Trend«.
Mit den explodierenden Nahrungsmittelpreisen beschäftigten sich in dieser Woche auch die Zentralbankchefs bei ihrem Treffen in Basel. Die Nahrungsmittel-Inflation werde bei den Beratungen der Notenbankchefs »eine zentrale Rolle spielen«, meinte der Chef der israelischen Notenbank, Stanley Fischer.
Die jüngste Nahrungsmittelkrise ist auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen. Die Ölpreishausse verteuert erstens den mechanischen Anbau und den Einsatz von Düngemitteln. Zweitens steigt im Süden die Zahl der Bürger, die sich ein besseres Menü leisten können. Der Erfolg der Globalisierung wirkt preistreibend – und Schwellen- und Entwicklungsländer zählen zu deren größten Gewinnern. Dabei erzielten diejenigen Staaten, die sich dem Welthandel geöffnet haben, die größten Erfolge im Kampf gegen die Armut. Die verbesserte Qualität der Ernährung, die dadurch erschwinglich wird, führt zu einer höheren Nachfrage nach Getreide, um das Vieh zu füttern. Gleichzeitig ist aber – drittens – das Angebot rückläufig. In Australien und Kanada, zwei der größten Anbauländer, haben Dürren in mehreren aufein- anderfolgenden Jahren einen großen Teil der Ernte vernichtet. Die Getreidelager sind weltweit leer. Und viertens werden immer mehr Flächen, die bisher der Nahrungsmittelproduktion dienten, für Biosprit benötigt (vgl. Kolumne).
Der Nettoimporteur Israel sollte nach mehr Autarkie bei Nahrungsmitteln streben, meint Uri Gordon vom Arava Institute for Environmental Studies. Ob das auch ökonomisch sinnvoll ist, müsste freilich erst untersucht werden. Denn die Preisschocks bei Nahrungsmitteln und Energie könnten in den nächsten Monaten durch eine Wasserkrise mit ebenfalls steigenden Preisen verschärft werden. Autarkie wäre da nicht unbedingt ein Vorteil. Ohne Gegenmaßnahmen dürfte der Wasserbedarf in den nächsten Monaten nach einem außergewöhnlich trockenen Winter das Angebot übersteigen. »In den kommenden zwei oder drei Jahren werden wir uns daran gewöhnen müssen, in leeren Pools zu schwimmen«, bringt Uri Schani, der Chef der Wasserbehörden, die Prognose auf den Punkt. Zur Panik bestehe aber kein Grund. Denn die Regierung plane eine neue Entsalzungsanlage mit einer Kapazität von 200 Millionen Kubikmeter. Bis zum Jahr 2013 will Israel ein Viertel des Wasserbedarfs aus Entsalzungsanlagen decken.
Damit sei das Hauptproblem allerdings nicht gelöst, meint Wasserexperte Peretz Dar. Bei Maßnahmen, die zum sparsamen Umgang mit Wasser anhalten, habe Israel nämlich einen hohen Nachholbedarf. Dar spricht sich – ab einer gewissen Konsummenge – für höhere Wassertarife aus, damit Konsumenten einen zusätzlichen Sparanreiz haben. Dann, so Dar, bestehe kein Grund, neue Wasserentsalzungsanlagen zu bauen. Laut Wasser-Chef Schani habe Israel auf diesem Gebiet schon einiges unternommen: Trotz des höheren Lebensstandards sei beim Wasser der Pro-Kopf-Konsum in den vergangenen Mona- ten nicht gestiegen, sondern gefallen: von 115 auf 103 Kubikmeter.

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