Moses-Mendelssohn-Medaille

Traditionspflege

von Anke Ziemer

Der Kommandeur des Lazarettregiments 31, Jörg Hillebrandt, ist kein Mann des großen Auftrittes, im Gegenteil. Umgeben von Regimentskameraden sowie Vertretern aus Politik und Gesellschaft wirkt er im Casino der Kladower Blücher-Kaserne unauffällig und bescheiden. Um so mehr ist er ein Mann der klaren Haltung. Er steht für Verständigung, Aufklärung und Toleranz – in der Werteerziehung der Rekruten ebenso wie in der Traditionspflege der Bundeswehr. »Wir bewahren all jene Zeugnisse der deutschen Streitkräfte, die für unsere Zeit beispielhaft sind, dazu gehören auch die jüdischen Soldaten«, sagt der 45jährige. »An ihr Schicksal zu erinnern, ist mir erzieherische Aufgabe für unsere Soldaten. Denn Wissen über die Vielfalt des Lebens befördert Verstehen und baut Angst vor dem Fremden ab.« Für sein besonderes Engagement, jüdische Inhalte in der Bundeswehr zu thematisieren, den interreligiösen Dialog zu befördern und an den Beitrag deutscher Juden zu erinnern, den diese in der Gesellschaft des Kaiserreiches und der Weimarer Republik geleistet haben, erhielt Oberfeldarzt Hillebrandt am vergangenen Donnerstag die Moses-Mendelssohn-Medaille. »Er ist ein uneigennütziger und traditionsbewußter Vertreter der Bundeswehr«, begründete Julius H. Schoeps, Direktor des Potsdamer Moses-Mendelssohn-Zentrums für europäisch-jüdische Studien, die Entscheidung des Kuratoriums. »Daß an diesem Standort das Schicksal der jüdischen Soldaten geehrt wird, geht vor allem auf seine Initiative zurück.«
Im Ersten Weltkrieg dienten rund 100.000 Juden in den deutschen Streitkräften, etwa 12.000 sind gefallen, rund 35.000 wurden ausgezeichnet. Zu ihnen gehörte auch Julius Schoeps, Großvater des Direktors des Moses-Mendelssohn-Zentrums, der seit 1900 Stabsarzt der Landwehr war, im Ersten Weltkrieg mehrere Feldlazarette leitete und für seine aufopfernde Pflege der verwundeten Soldaten zum Oberstabsarzt befördert wurde. In der Zwischenkriegszeit praktizierte der Mediziner in Berlin, 1938 wurde ihm der Arzttitel von den Nazis aberkannt. Nach der Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt verstarb Dr. Julius Schoeps dort im Dezember 1942 an einer unbehandelten Krankheit.
Jörg Hillebrandt erfuhr von der deutsch-jüdischen Tradition der Streitkräfte, als er 2003 das Kommando des Sanitätsregi-
mentes 1 in der Oberstabsarzt-Dr.-Julius-Schoeps-Kaserne Hildesheim übernahm. »Wir wollten aber nicht nur an die Geschichte erinnern, sondern diese in die Gegenwart tragen«, begründet er seine Aktivitäten. »Deshalb haben wir den Kontakt zu jüdischen Organisationen aufgenommen.« Mit der Verlegung des Regimentes nach Berlin-Kladow »wanderte« auch die Erinnerungsarbeit: Der Gedenkstein für Julius Schoeps fand seinen neuen Platz vor dem Stabsgebäude der Blücher-Kaserne, sein Andenken wird mit einer jährlichen Kranzniederlegung geehrt, die Einheit hält Verbindung zur Jüdischen Ober-
schule Berlin. »Wir möchten Brücken in die jüdische Gemeinschaft bauen und verdeutlichen, daß die Bundeswehr kein Hort des Rechtsradikalismus und Antisemitismus ist«, betont Jörg Hillebrandt. »Daher verstehe ich die Medaille als Anerkennung für das gesamte Regiment.«
Die Mendelssohn-Medaille erhielt er im Rahmen der Eröffnung der Ausstellung »J’accuse ... ich klage an! Zur Affäre Dreyfus«. Aus Anlaß des 100. Jahrestages der Rehabilitierung des Hauptmannes Alfred Dreyfus hatten das Moses-Mendelssohn-Zentrum und die Leo Baeck Foundation die Wanderausstellung für die Blücher-Kaserne aufbereitet. »Diese Tragödie ist leider heute noch sehr aktuell«, sagte Oberst i.G. Bertrand Louis Pflimlin, stellvertretender Heeresattaché der Französischen Botschaft in Deutschland, in seinem Grußwort. »Sie mahnt uns, wohin pure Staatsräson wider das persönliche Gewissen führen kann.« Auch Generalleutnant Johann-Georg Dora, Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr, erinnerte daran, wie in einem Klima von Haß, Antisemitismus und Nationalismus ein unschuldiger Einzelner zerbrechen konnte. »Der Fall Dreyfus lenkt auch den Blick auf unsere eigene Geschichte«, führte er aus. »In demselben Klima entstand nur drei Jahrzehnte später in Deutschland das Unfaßbare: erst Rassengesetze, dann Deportation, schließlich Tod im Vernichtungslager.« Zu den Opfern gehörten ebenso Tausende jüdische Soldaten, die patrio- tisch im Ersten Weltkrieg für ihr deutsches Vaterland gekämpft hatten. »Zum einen wollen wir diese Erinnerung wachhalten, ihre Loyalität soll nicht als sinnlos erscheinen«, erklärt Walter Homolka, Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs und Vorstandsvorsitzender der neugegründeten Leo Baeck Foundation, die Beweggründe für die Mitarbeit an der Ausstellung über Dreyfus.
»Die Bundeswehr bemüht sich aktiv, Brücken in die jüdische Gemeinschaft zu schlagen und dort ihre neue Rolle zu erläutern«, hebt Rabbiner Walter Homolka hervor. »Dies könnte Anlaß sein, daß künftig mehr Juden als Soldaten in der Bundeswehr dienen sollten. Die Bundeswehr als Teil von Streitkräften mit einem internationalen Mandat wäre eine gute Möglichkeit, sich für den Frieden in der Welt einzusetzen. Und das ist auch ein hohes jüdisches Ideal.«

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