Raffi Lavie

Tot in Venedig

von Katrin Richter

Was könnte das sein – ein Fleck mit Drähten oder vielleicht doch eher ein Gesicht? Platz für Interpretation ist genug, denn das Bild des israelischen Künstlers Raffi Lavie trägt keinen Titel. Es ist nur eines aus seinem Zyklus »In the Name of the Fa-ther« und wird neben weiteren Arbeiten Lavies auf der diesjährigen Biennale in Venedig gezeigt. Alle zwei Jahre präsentieren zeitgenössische Künstler aus der ganzen Welt ihre Arbeiten auf dieser wichtigs-ten internationalen Schau.
So weit, so gut. Wäre da nicht der seltsame wie traurige Umstand, dass der zeitgenössische Beitrag aus Israel einen Künstler zeigt, der schon längst tot ist. Denn Raffi Lavie verstarb 2007. Ilan Wizgan, einer der Kuratoren des israelischen Pavillons, hat damit überhaupt kein Problem: »Raffi Lavie war so bedeutend in Israel und hat so viele junge Künstler inspiriert, dass seine Arbeiten es wert sind, gezeigt zu werden, auch wenn Lavie selbst schon tot ist.« Dass Lavie als Repräsentant Israels ausgewählt wurde habe auch damit zu tun, dass er einen ganz eigenen Stil hatte, erklärt Wizgan. Zum einen den praktischen Aspekt: Lavies Arbeiten sind sehr einfach gehalten, ebenso die Materialien, die er verwendete. So malte er lieber auf Holz oder Spanplatten als auf Leinwand. Zum anderen, so der Kurator, werfen seine Bilder viele Fragen auf, wie die nach der gemeinsamen Erinnerung. Wizgan erklärt das so: »Nicht nur junge Künstler, sondern alle Menschen sollen erkunden, wie therapeutisch und auch dringend eine Erinnerung sein kann.«
In Tel Aviv, wo die Erinnerung meist nur so lange anhält wie ein Augenaufschlag, wurde Lavie 1937 geboren. Zeit seines Lebens hatte er immer eine ganz besondere Beziehung zu der Stadt. Dorthin brachte er in den 70er- und 80er-Jahren moderne Kunst-Strömungen wie »Want of Matter«, eine Bewegung, die bewusst billige Materialien – Spanplatten, Pappe oder auch verschlissene Möbel – einsetzte, um daraus Kunst zu machen. Dieser Stil sollte das teilweise verslumte Tel Aviv repräsentieren, das nicht wirklich zu dem nach außen getragenen Image des grünen Israel passte.
40 Jahre lang prägte Raffi Lavie die israelische Moderne. Durch seine Bilder ziehen sich grafische Elemente, die an Streetart erinnern. Meist mit kräftigen Farben, auf die er dann bleistiftartige Kritzeleien setzte: Das sogenannte Scribbling ist typisch für ihn. Zu seinen künstlerischen Vorbildern zählte neben Robert Rauschenberg auch der Schweizer Maler Paul Klee. »Vielleicht ist er auch deswegen so modern«, mutmaßt Wizgan. Das fünfköpfige Auswahlkomitee aus drei Künstlern und zwei Kuratoren war jedenfalls von der künstlerischen Lebendigkeit des Toten begeistert.

Biennale Venedig, 7. Juni bis 22. November www.labiennale.org

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