Stanislaw Lem

Schwarzseher mit Humor

von Michael Wuliger

Science-Fiction ist eigentlich nicht mein Fall. Aliens, Sternenkriege und technologische Zukunftsphantasien interessieren mich nicht. Entsprechend skeptisch reagierte ich, als mir ein Studienkollege vor Jahrzehnten zum Geburtstag ausgerechnet ein Science-Fiction-Buch schenkte: Sterntagebücher hieß es; sein Autor, von dem ich zuvor nie gehört hatte, war ein gewisser Stanislaw Lem, der laut Klappentext im damals noch kommunistischen Polen lebte. Science Fiction plus sozialistischer Realismus, dachte ich: das muß Mist sein.
Halb aus Neugier, halb aus Pflichtgefühl schaute ich dennoch kurz in das Buch hinein, überflog kursorisch die ersten Zeilen – und hörte nicht mehr auf, zu lesen. Das war gar keine Science-Fiction – jedenfalls nicht das, was ich mir bis dahin darunter vorgestellt hatte. Es ging nicht um grüne Männchen oder technische Zukunftswunder. Dieser Lem war kein Perry Rhodan, sondern eine Mischung aus Jonathan Swift, Franz Kafka und Woody Allen, ein genialer Satiriker mit schwarzem Humor. Die fremden Galaxien, die sein Held, der Astronaut Ijon Tichy beschrieb, wimmelten von Trotteln, Gaunern, Bürokraten und säbbelrasselnden Militärs – ganz wie im richtigen Leben.
Seit diesem Tag war ich einer der weltweit Millionen Stanislaw-Lem-Fans. In 41 Sprachen und einer Gesamtauflage von 27 Millionen sind seine Bücher erschienen. Sein Roman Solaris über einen mit Bewußtsein ausgestatteten fremden Planeten, wurde gleich zweimal verfilmt, 1972 von Andrej Tarkovski, 30 Jahre später von Steven Soderbergh.
Daß Lem auch »einer von uns« war, habe ich viel später erfahren. Der 1921 in Lemberg geborene Sohn eines jüdischen Arztes war dank gefälschter Papiere der Schoa entkommen. Viel Aufhebens hat er später darum nicht gemacht.
Lems literarisches Genre wird gelegentlich auch »utopischer Roman« genannt. Doch dieser Autor war alles andere als ein Utopist: Er glaubte nicht an blühende Zukunften gleich welcher Provenienz. Der mißratene Sozialismus in seiner Heimat Polen bestärkte ihn darin nur: »Die Idee, die Menschheit glücklich zu machen, erschien mir verrückt.« Noch die schönsten Utopien und ausgeklügeltesten Technologien scheitern in Lems Romanen und Geschichten an der Unzulänglichkeit der Menschen.
Bei aller Fortschrittsskepsis war Stanislaw Lem jedoch kein Misanthrop. Davor bewahrte ihn sein Humor. Die Menschen in seinen Büchern sind häufig dumm, eitel, egoistisch, aggressiv, vor allem aber auf rührend-komische Weise überfordert. Der Autor beschreibt das niemals zynisch, sondern stets aus der Perspektive eines der ihren. Humanismus nennt man diese Philosophie.
An diesem Montag ist Stanislaw Lem 84jährig in Krakau gestorben. Ich habe einen meiner Lieblingsschriftsteller verloren. Zum Glück bleiben mir seine Bücher.

Berlin

Margot Friedländer erhält Bundesverdienstkreuz

Erst vor einem Monat erhielt die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer den Preis des Westfälischen Friedens. Nun verleiht ihr der Bundespräsident die höchstmögliche Auszeichnung der Bundesrepublik

 09.05.2025

USA

Israelfeindliche Proteste an der Columbia University

Die Aktivisten demonstrieren gegen die Abschiebung des Studenten Machmud Chalil, dem die Regierung eine Unterstützung der Hamas vorwirft

 08.05.2025

Gastbeiträge

Eine besondere Beziehung

Der 12. Mai 1965 markiert den Beginn des offiziellen deutsch-israelischen Verhältnisses. Was bedeutet die Verbindung zwischen Bundesrepublik und Israel, heute und vor 60 Jahren? Antworten deutscher Spitzenpolitiker

 07.05.2025

Eurovision Song Contest

Israelische Sängerin Yuval Raphael wird von der Schweiz nicht extra geschützt

Die Basler Sicherheitsbehörden wissen um die angespannte Lage, das Sicherheitsrisiko in der Schweiz ist hoch

von Nicole Dreyfus  06.05.2025

Berlin

Auswärtiges Amt gegen dauerhafte Besatzung des Gazastreifens

Das Auswärtige Amt in Berlin reagiert besorgt und kritisiert abermals Israel. Gaza gehöre den Palästinensern. Die weiterhin von der Hamas gehaltenen Geiseln kommen in der Erklärung offenbar nicht vor

 06.05.2025 Aktualisiert

Berlin

Sarah Wedl-Wilson neue Berliner Kultursenatorin

Die parteilose 56-Jährige übernimmt das Amt von Joe Chialo (CDU), der am Freitag wegen der Sparpolitik des Berliner Senats zurückgetreten war

 05.05.2025

Berlin

AfD klagt gegen Einstufung des BfV

Die rechtsextremistische Partei will nicht als solche eingestuft sein. Die Klage ist keine Überraschung

 05.05.2025

Kulturkolumne

Als Phil mich fütterte

Her mit den 90 Prozent!

von Sophie Albers Ben Chamo  04.05.2025

Nahost

Huthi schießen erneut Raketen auf Israel ab

Zweimal heulten im Norden des Landes am Freitag die Sirenen. Im Kibbuz Mishmar Ha’emek verursachen Trümmerteile Schäden

 02.05.2025